Produktfrühling bei offenen Immobilienfonds

Martina Hertwig, Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin bei Baker Tilly

Quelle: ZIA

Nach der großen Krise der offenen Immobilienfonds erlebt die Branche aktuell eine neue Blüte. Fast im Monatsrhythmus werden neue Produkte angekündigt oder aufgelegt. Diese Entwicklung ist insgesamt sehr begrüßenswert. Die Anbieter müssen allerdings der Versuchung widerstehen, zu schnell zu viele Gelder einzusammeln. Denn deren Anlage in guten Immobilien ist aktuell eine große Herausforderung.

Vor fünf Jahren, im Frühsommer 2012, schienen die offenen Immobilienfonds vor dem endgültigen Aus zu stehen: Innerhalb weniger Monate hatten damals die drei größten eingefrorenen Fonds ihre Auflösung bekanntgegeben. Das abzuwickelnde Vermögen erreichte damit insgesamt einen Höchststand von rund 20 Milliarden Euro. Dies entsprach ungefähr einem Viertel der gesamten Branche. Es war absehbar, dass ein Teil der Anleger in den abzuwickelnden Fonds erhebliche Verluste machen würde.

Fünf Jahre später hat sich Situation grundlegend gewandelt: Die Fonds sind weitgehend abgewickelt und die Branche erlebt einen Produktfrühling, den kaum jemand so erwartet hat. Seit der Fondskrise wurden mindestens sechs neue Fonds aufgelegt, davon allein drei im Jahr 2016. Angesichts der kleinen Zahl von etwa 15 Fonds insgesamt ist dies bemerkenswert. Unter den Initiatoren der neuen Fonds befinden sich die etablierten Anbieter wie Deka Immobilien oder Deutsche Bank, aber auch große Marktteilnehmer aus anderen Segmenten wie beispielsweise Swiss Life Asset Managers. Und sogar der Anbieter Credit Suisse Asset Management (CSAM), der den einst rund sechs Milliarden Euro schweren CS Euroreal abwickeln musste, denkt nun laut über ein Nachfolgeprodukt nach.

Was hat zu diesem umfassenden Wandel geführt? Ein wichtiger Schritt ist sicherlich die Reform des regulatorischen Rahmens im Jahr 2013. Dabei wurde die börsentägliche Verfügbarkeit der Gelder abgeschafft und Mindesthalte- und Kündigungsfristen eingefügt. Aus Sicht der Anleger ging damit zwar eines der wichtigsten Pro-Argumente der Fonds verloren. Auf lange Sicht hat sich jedoch gezeigt, dass die Reform in die richtige Richtung geht. Die Einschränkung der börsentäglichen Verfügbarkeit war zwar schmerzhaft. Aber nur so können die Produkte vor kurzfristigen, massiven Kapitalabflüssen geschützt werden.

Die Nachfrageentwicklung zeigt, dass die Anleger dem neuen Regime vertrauen. Von 2013 bis 2016 flossen den Fonds netto rund 12,8 Milliarden Euro zu. Privatinvestoren wollen nach wie vor in Immobilien investieren, sie wollen dies in einer relativ kleinen Stückelung tun und sie wünschen sich eine stabile Wertentwicklung. Dafür akzeptieren sie auch vergleichsweise geringe Renditen und eine geringere Flexibilität - in Form von Mindesthalte- und Kündigungsfristen. Immobilienaktien mögen viele Vorteile haben: Sie sind liquider und haben teilweise deutlich attraktivere Dividendenrenditen. Dennoch ist deren Akzeptanz bei Retail-Kunden nach wie vor geringer. Zur hohen Nachfrage tragen daneben auch noch weitere Trends bei - wie etwa die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die viele Anlagealternativen uninteressant macht und den Immobilienboom allgemein befördert.

Die Fondsanbieter haben auf die gestiegene Nachfrage reagiert und neue Produkte aufgelegt. Die Produkte haben sich gegenüber der Vorkrisenwelt teilweise weiterentwickelt. So nimmt ein Teil der neuen Fonds beispielsweise nur noch Kapital an, wenn wirklich Objekte angekauft werden können (Cash-Call-Prinzip). Des Weiteren haben sich die Fonds stärker nach Nutzungsarten und auch nach Ländern diversifiziert. Es gibt beispielsweise reine Wohnfonds. Die Anbieter stehen nun vor der Herausforderung, die Mittel in einer ausgeprägten Hochpreisphase investieren zu müssen. Die Versuchung die Fonds schnell aufzubauen ist groß, denn Größe bedeutet schließlich auch mehr Einnahmen aus Fondsgebühren. Dieser Versuchung müssen die Anbieter widerstehen.

Martina Hertwig, Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin bei Baker Tilly, Frankfurt am Main, und Vorstandsmitglied des bsi Bundesverband Sachwerte und Investmentvermögen e. V., Berlin

Martina Hertwig , Partnerin, Baker Tilly GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Hamburg
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