EZB im Winterschlaf?

Quelle: Europäische Zentralbank

 

Die wirtschaftlich starke Entwicklung der Eurozone im Jahr 2017 hat viele Ökonomen positiv überrascht. Vorläufige Prognosen gehen von einem realen BIP-Wachstum von rund 2,3 Prozent aus - das ist der höchste Wert seit zehn Jahren und deutlich mehr, als von vielen Auguren prophezeit. Der Boom beschränkte sich dabei längst nicht mehr nur auf die deutsche Konjunkturlokomotive, auch Sorgenkinder wie Frankreich und Italien konnten mehr und mehr aufholen. Aktuell deutet alles darauf hin, dass diese konjunkturelle Dynamik weit in das Jahr 2018 getragen werden kann. Die KfW etwa hob ihre Wachstumsprognose für die Eurozone kürzlich von 2,0 auf 2,4 Prozent an. Auch der viel beachtete Einkaufsmanagerindex des IHS-Markit-Institut für die europäische Privatwirtschaft (Industrie und Dienstleister zusammen) erhöhte sich im Januar von 58,1 auf 58,6 Zähler. Die Analysten konstatieren der Währungsunion einen "glänzenden Jahresauftakt", die Geschäfte seien im ersten Monat des Jahres 2018 so gut wie seit fast zwölf Jahren nicht mehr gelaufen. Ungebrochener Optimismus hinsichtlich der Konjunkturerwartungen für Deutschland und die Eurozone geht auch von der jüngsten ZEW-Umfrage unter 350 Finanzmarktexperten aus.

All diejenigen, die angesichts dieser verheißungsvollen Aussichten auf straffere geldpolitische Signale im Rahmen des ersten EZB-Zinsentscheids im Jahr 2018 gehofft hatten, wurden jedoch enttäuscht. Der Leitzins wird höchstwahrscheinlich das gesamte Jahr 2018 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent verharren. Zudem müssen Geschäftsbanken, die Geld bei der Notenbank parken, weiterhin einen Negativzins von 0,4 Prozent zahlen. Eine besonders bittere Pille für die Kritiker des ultraexpansiven Kurses: Es gab keinerlei Hinweise darauf, wie es mit dem billionenschweren EZB-Anleihekaufprogramm ab Oktober 2018 weitergehen soll. Spekulationen im Vorfeld der Sitzung, wonach ein konkretes Enddatum der Anleihekäufe - wie beispielsweise von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gefordert - verkündet werden könnte, erwiesen sich lediglich als Hoffnungswert. Mehr noch: Der EZB-Rat bleibt bei seiner Formulierung, wonach das Programm mit monatlichen Käufen im Umfang von 30 Milliarden Euro zumindest bis September 2018 "oder erforderlichenfalls darüber hinaus" weitergeführt wird. Auch wurde der Hinweis beibehalten, dass die Ankäufe gegebenenfalls sogar wieder ausgeweitet werden könnten.

Hier wäre am ehesten eine Anpassung der Kommunikation zu erwarten gewesen, nachdem das Protokoll der vorangegangenen Ratssitzung am 14. Dezember darauf hingedeutet hatte, dass die EZB über eine zeitnahe Anpassung ihrer Forward Guidance nachdenkt. EZB-Präsident Mario Draghi tat im Rahmen seines rund 60-minütigen Auftritts vor der Presse am 25. Januar allerdings sein Möglichstes, um diesen Eindruck zügig wieder zu zerstreuen. "Der Markt habe in Bezug auf eine angeblich im letzten Sitzungsprotokoll angedeutete Änderung der EZB-Kommunikation überreagiert", so Draghi. Eine vertane Chance, um die ohnehin bereits veränderte Erwartungshaltung der Finanzmarktakteure zu bestätigen.

Die Diskrepanz zwischen der guten wirtschaftlichen Lage der Eurozone auf der einen, und dem unverändert pessimistischen Tonfall der EZB auf der anderen Seite, wird somit immer größer. Vieles spricht dafür, dass die Entwicklung auf den Devisenmärkten für den mutlosen Auftritt des EZB-Rates verantwortlich war. "Die derzeitige Wechselkursvolatilität stellt eine Unsicherheitsquelle dar, die eine genaue Beobachtung erfordert", sagte Draghi relativ zu Beginn seiner Ausführungen. Es ist ein klarer Hinweis darauf, dass der Aufwärtstrend des Euro den Währungshütern ein Dorn im Auge ist. Gewiss: Der Wechselkurs hat für Realwirtschaft und Inflation eine große Bedeutung. Er ist aber ausdrücklich kein Ziel der EZB-Politik. Diesem geldpolitischen Nebenkriegsschauplatz keine zu große Bedeutung beizumessen, wäre deshalb angebracht.

Die Baufinanzierungszinsen erfuhren Mitte Januar nach achtwöchiger Konstanz einen leichten Anstieg. Nach Angaben der Dr. Klein Privatkunden AG betrug dieser gut zehn Basispunkte, womit der aktuelle Bestzins für Baufinanzierungen mit zehnjähriger Zinsbindung bei 1,05 Prozent liegt. Im Laufe des Jahres 2018 rechnen die Experten mit nochmals leicht anziehenden Zinsen für Baudarlehen. ph

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