Yellens Bilanz - ein Rätsel bleibt

Janet Yellen, Quelle: FED

Janet Yellen hat Wort gehalten und in ihrer letzten Pressekonferenz als Fed-Präsidentin Mitte Dezember die dritte Leitzinserhöhung im Jahr 2017 verkündet. Um 0,25 Prozentpunkte wurde dieser auf eine Spanne von nunmehr 1,25 bis 1,50 Prozent angehoben. Dabei soll es nicht bleiben: Die Pläne der Fed sehen drei weitere Zinsanhebungen im Jahr 2018 vor. Die erste Frau an der Spitze der mächtigsten Notenbank der Welt darf insgesamt zufrieden sein mit Blick auf ihr Vermächtnis. Die kleinen Zinsschritte waren jeweils gut getimt und darüber hinaus geschickt kommuniziert worden. Die Belohnung: An den Kapitalmärkten blieben Verwerfungen aus. Auch der Abbau der aufgeblähten Fed-Bilanz vollzieht sich derzeit geräuschlos. Yellen hinterlässt ihrem Nachfolger Jay Powell also eine gut aufgeräumte Institution.

Eines ihrer Kernanliegen war außerdem die bestmögliche Unterstützung des US-Arbeitsmarktes. Seit Yellens Amtsantritt im Februar 2014 ist die Arbeitslosenquote um respektable 2,6 Prozentpunkte gesunken. Aktuell liegt sie bei 4,1 Prozent - es herrscht also so gut wie Vollbeschäftigung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Flankiert wird diese Zahl von einem ordentlichen Wirtschaftswachstum, das im Jahr 2017 rund 2,1 Prozent betragen dürfte. Die Wachstumsprognose für 2018 haben die US-Währungshüter jüngst noch einmal von 2,1 auf 2,5 Prozent nach oben korrigiert.

Ideale Voraussetzungen für Powell, den strafferen Kurs fortzusetzen - wäre da nur nicht die Inflation. Die US-Notenbanker orientieren sich hier primär an den Preisveränderungen der persönlichen Konsumgüter, schwankungsanfällige Energie- und Nahrungsmittelkosten bleiben außen vor. Im November 2017 lag dieser Index mit 1,7 Prozent erneut unter der anvisierten Zwei-Prozent-Marke. Die Wirtschaft mag ordentlich wachsen und für nahezu Vollbeschäftigung sorgen - die Inflation aber bleibt chronisch niedrig und gibt deshalb selbst Yellen "Rätsel" auf. Rätsel, die auch Mario Draghi nur allzu gut kennt.

"Lieber fünf Prozent Inflation, als fünf Prozent Arbeitslosigkeit!", sagte Helmut Schmidt einmal in den siebziger Jahren in Anspielung auf die Phillips-Kurve, die einen inversen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation impliziert. Auf der Suche nach den Ursachen für das derzeitige Versagen der Theorie tappen die Notenbanken weitestgehend im Dunkeln. Klar scheint nur, dass klassische Faktoren wie die heimische Beschäftigungsquote oder das Wirtschaftswachstum einen sinkenden Einfluss auf die Inflation ausüben. Immer wichtiger werden dagegen globale Effekte wie zum Beispiel der Trend hin zu internationalen Wertschöpfungsketten: Unternehmen verlagern bei Bedarf problemlos Teile ihrer Produktionsstätte auf ausländische Standorte, die eine Reduktion der Kosten impliziert und sich anschließend auch in der Heimat inflationsdämpfend auswirkt.

Solche Entwicklungen entziehen sich dann freilich dem Einfluss der jeweiligen Notenbanken. Vor diesem Hintergrund wäre es vielleicht ratsam, wenn sich EZB & Co. im gerade begonnenen Jahr 2018 ein Stück weit von der sklavischen Fixierung auf das Zwei-Prozent-Ziel lösten und einer flexibleren Handhabung in Form eines Inflationskorridors den Vorzug gäben. Die Inflation "auf den Punkt" steuern zu können, ist in diesem hochkomplexen, internationalen Kontext eine Illusion. Gerade die EZB täte gut daran, die Risiken und Nebenwirkungen ihrer ultraexpansiven Politik zu hinterfragen. Denn eines ist sicher: Gefährliche Blasen an den Finanz-und Häusermärkten entstehen auch in Zeiten niedriger Inflationsraten.

Bislang gibt es aber noch keine Anzeichen für ein Umdenken. Der EZB-Rat beließ im Dezember wie erwartet alles beim Alten. Draghi hielt trotz günstiger EZB-Prognosen (BIP-Wachstum 2018 von 2,3 anstatt bisher 1,8 Prozent) an der Aussage fest, wonach das QE-Programm bei einer Verschlechterung der Rahmenbedingungen jederzeit wieder ausgedehnt werden könne und "open-ended" angelegt sei. Zudem gehe man davon aus, dass der Leitzins "für längere Zeit und weit über den Zeithorizont des Nettoerwerbs von Vermögenswerten hinaus auf dem aktuellen Niveau bleiben werde". Was für den Sparer nichts Gutes erahnen lässt, erfreut den Häuslebauer: Er darf getrost von weiterhin sehr günstigen Finanzierungskonditionen ausgehen. Der Bestzins für zehnjährige Hypothekendarlehen der Dr. Klein Privatkunden AG lag Mitte Dezember bei 1,01 Prozent. ph

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