Kommunalfinanzierung

Alternative Finanzierungsinstrumente für Kommunen - Kapitalmarktfähigkeit gesichert?

Florian Kirchmann, Senior Berater Investor Relations, IR.on AG, Köln

Quelle: IR. on AG

Trotz der anhaltend guten konjunkturellen Rahmenbedingungen ist die Finanzlage deutscher Kommunen in ihrer Gesamtheit unverändert angespannt. Gerade finanzschwächere Kommunen werden deshalb weiterhin auf substanzielle Mittel von außen angewiesen bleiben. Neben dem klassischen Kommunalkredit rücken dabei auch alternative Finanzierungsinstrumente wie Schuldscheindarlehen oder Gemeinschaftsanleihen zunehmend in den Fokus der Städte und Gemeinden. Welchen konkreten Stellenwert diese verhältnismäßig jungen Konzepte in den Überlegungen deutscher Kämmerer beziehungsweise deren Investoren spielen, wissen die Autoren des folgenden Beitrags zu berichten. Grundsätzlich rechnen sie mit einem weiteren Marktwachstum des alternativen Finanzierungssegments. Mit steigender Anzahl von Emissionen und Emittenten dürfte jedoch die Frage nach der Kapitalmarktfähigkeit einer Kommune künftig stärker in den Mittelpunkt rücken. Und hier gelte es, noch einige wichtige Voraussetzungen zu schaffen. Red.

Von Herbst 2014 bis Frühjahr 2015 führten die IR.on AG und IKB Deutsche Industriebank AG eine Befragung von Entscheidungsträgern in Kommunen, Banken und Kapitalmarktsammelstellen durch, um die neuen Formen der kommunalen Finanzierung näher zu beleuchten. Dabei galt es, die Motive und Bedürfnisse von Kommunen und Investoren gleichermaßen zu erfassen. Basierend auf qualitativen Telefoninterviews wurden dabei die kommunalen Finanzentscheider zu alternativen Finanzierungsmöglichkeiten, ihrer Finanzkommunikation und der Kapitalmarktfähigkeit ihrer Kommune befragt.

Gleichzeitig gaben klassische Investoren beziehungsweise Kreditgeber kommunaler Institutionen ihre Einschätzung zu alternativen Formen der Kommunalfinanzierung ab. Heute stellt sich die Frage, inwiefern sich seitdem die Rahmenbedingungen und der Markt für alternative Finanzierungen entwickelt haben.

Leichte Entspannung ohne nachhaltige Verbesserung

Die kommunale Finanzlage hat sich in den vergangenen zwei Jahren leicht entspannt. So erzielten die kommunalen Haushalte 2016 nach vorläufigen Berechnungen des statistischen Bundesamts das zweite Jahr in Folge einen deutlichen Überschuss. Und die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen werden, so die jüngste Steuerschätzung, in den kommenden Jahren weiter wachsen. Zudem scheint auf Landes- und Bundesebene die kritische Lage grundsätzlich erkannt - ablesbar an einer Reihe von Entlastungen und Maßnahmen, die zuletzt verabschiedet wurden.

Doch bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass es sich im Wesentlichen um kurzfristige Maßnahmen handelt und bisher keine nachhaltige Verbesserung erreicht wurde. Denn selbst in der jetzigen makroökonomisch komfortablen Lage von Niedrigzins und Konjunkturstabilität driftet die Schere zwischen armen und reichen Kommunen und Regionen weiter auseinander. Gerade hoch verschuldete Kommunen können die derzeitige Situation nicht dafür nutzen, ihre Kassenkredite nachhaltig abzubauen. Daher sprechen die Autoren des aktuellen KfW-Kommunalpanels hinsichtlich der Kassenkreditverschuldung von "einer Phase der Ver festigung auf hohem Niveau". Ursache hierfür sind in erster Linie die weiter steigenden Sozialausgaben in strukturschwachen Kommunen, verstärkt durch die Flüchtlingszuwanderung 2015/16.

Starkes regionales Gefälle

Auch der kommunale Investitionsstau kann nur langsam zurückgefahren werden. So verzeichnet das aktuelle KfW-Kommunalpanel für 2016 zwar eine Verringerung des Investitionsrückstands von 136 Milliarden Euro im Vorjahr auf 126 Milliarden Euro. Das Bundesfinanzministerium begründete diesen Rückgang in seinem Monatsbericht von Januar 2017 jedoch damit, dass "die in den vergangenen Jahren insgesamt gute Entwicklung bei den kommunalen Investitionen [...] von den finanzstarken Kommunen getragen" wurde und "finanzschwache Kommunen erforderliche Investitionen häufig nicht finanzieren" konnten.

Dies führt zu einem enormen regionalen Gefälle. So betrugen die Sachinvestitionen pro Einwohner in den Jahren 2012 bis 2015 in bayerischen Kommunen durchschnittlich 473 Euro, während in Nordrhein-Westfalen nur 163 Euro investiert wurden. Die regionalen Disparitäten haben sich seitdem weiter verfestigt und werden bei einer Verschlechterung der makroökonomischen Lage möglicherweise zu einer weiteren Zuspitzung der Finanzsituation in vielen Kommunen führen.

Daher kritisieren die kommunalen Verbände - Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städte- und Gemeindebund - in ihrer aktuellen Prognose der kommunalen Finanzlage, dass "auch in den kommenden Jahren [...] viel zu viele Städte, Kreise und Gemeinden kaum in der Lage sein [werden], gestaltende und nicht alleine die Not verwaltende Politik zu betreiben. Gerade die Kommunen mit nicht abgeschlossenem Strukturwandel oder mit massiven Bevölkerungsverlusten brauchen nach wie vor Hilfen, um Anschluss an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung erhalten zu können."

Neben dem nötigen Maß an Eigenmitteln fehlt nicht nur finanzschwachen Kommunen oftmals ausreichend Personal, um Fördermittel zu beantragen und Bauvorhaben entsprechend vorbereiten und durchführen zu können. Hinzu kommt, dass die Bauwirtschaft mit der stark zyklischen Auftragsvergabe der öffentlichen Hand nicht mithalten kann und ebenfalls stark ausgelastet ist, derzeit teilweise bis ins Jahr 2019. Zudem steht den zusätzlichen Steuereinnahmen der Kommunen ein erheblicher Anstieg der Baukosten gegenüber.

Um eine nachhaltige Verbesserung der kommunalen Finanzlage zu ermöglichen, wird es in den kommenden Jahren darauf ankommen, dass die Kommunen durch Bund und Länder in die Lage versetzt werden, einerseits "Reserven für schwierige Zeiten und vor allem für plötzliche und unerwartete Herausforderungen [zu] bilden" (Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände) und andererseits ausreichende Mittel für die notwendigen Investitionen aufbringen können. Zudem stehen die Kommunen in der Verantwortung, auf Basis einer vorausschauenden, langfristigen Finanzplanung in Phasen konjunkturellen Abschwungs keine zusätzliche strukturelle Verschuldung aufzubauen und einen kontinuierlichen Abbau des Investitionsstaus zu ermöglichen.

Kommunaldarlehen bleibt erste Option

Dabei werden viele finanzschwächere Kommunen auch weiterhin auf erhebliche externe Mittel angewiesen sein. Im Mittelpunkt steht dabei neben staatlichen Zuwendungen und Fördermitteln weiterhin das klassische Kommunaldarlehen. Auch für die Mehrzahl der Studienteilnehmer von 2014/15 war dies die "erste Option", weil es sich hier um einen funktionierenden, etablierten Markt mit eingespielten Abläufen handelt.

Aber auch der Markt für Kreditfinanzierung ist in Bewegung. So revolutionierte das Start-Up Loanboox innerhalb weniger Monate den Schweizer Markt für die Vermittlung von Kommunalkrediten und verzeichnete Mitte Juni 2017 bereits ein abgewickeltes Finanzierungsvolumen von drei Milliarden Schweizer Franken. Das Unternehmen wird in Kürze ebenfalls in Deutschland an den Start gehen und dort zusammen mit seinen Mitbewerbern wie Conmex oder Firstwire versuchen, Kommunen vom Einsatz einer Finanzierungsplattform zu überzeugen.

"Schönheitswettbewerb" wird intensiver

Vergleicht man unsere Befragung mit den Ergebnissen des aktuellen KfW-Panels, so ist, die Bedingungen der Kreditvergabe betreffend, eine Entspannung erkennbar. Allerdings bleibt offen, wie sich die verschärften Basel-III-Regularien und der Rückzug einiger Anbieter bei Konjunkturabkühlung, veränderter Zinslandschaft sowie erhöhtem kommunalen Finanzbedarf auswirken würden.

Ein durchaus realistisches Szenario bleibt aus unserer Sicht, dass sich deutsche Kommunen verstärkt einem "Schönheitswettbewerb" um die besten Konditionen stellen müssen und der Markt für alternative Finanzierungen weiter wachsen wird. Zu den alternativen Möglichkeiten in der Kommunalfinanzierung gehören Schuldscheindarlehen, kommunale Einzel- oder Gemeinschaftsanleihen, aber auch Bürgerkredite und andere "Crowdfunding"-Instrumente.

Schuldscheine und Anleihen häufiger genutzt

Gefragt nach den interessantesten alternativen Finanzierungsinstrumenten nannte die Mehrheit der Kämmerer das Schuldscheindarlehen. Wichtigste Vorteile des Schuldscheins zum Befragungszeitpunkt Ende 2014 waren für die Teilnehmer die günstigen Konditionen, verbunden mit längeren Laufzeiten sowie die Verbreiterung der Investorenbasis. Auch 90 Prozent der teilnehmenden Investoren hatten bereits kommunale Schuldscheine gezeichnet oder konnten sich eine Zeichnung vorstellen.

In der Zwischenzeit hat es eine Vielzahl kommunaler Schuldscheinemissionen gegeben. Zwar kann nach wie vor nicht von einer breiten Etablierung des Schuldscheins als klassisches Instrument der Kommunalfinanzierung gesprochen werden, aber es hat eine Professionalisierung aufseiten von Kommunen, vermittelnden Banken und Investoren stattgefunden und der Schuldschein wird vermehrt als echte Alternative zum Kredit angesehen.

Als Projektfinanzierungsinstrument sind Public Private Partnerships (PPP) in den deutschen Kommunen seit vielen Jahren üblich. So hatte unsere Befragung ergeben, dass trotz teilweise negativer (eigener) Erfahrungen die überwiegende Zahl der Teilnehmer PPP-Verfahren im Einzelfall und richtig angewendet für vorteilhaft erachtet. Ausschlaggebend sind dabei weniger mögliche Kostenvorteile bei Finanzierung, Planung, Bau und Betrieb als Zeit- und Effizienzgewinn.

PPP verliert an Bedeutung

Dennoch geht der Einsatz dieses Instruments kontinuierlich zurück. So zeigte sich in der Diskussion um die Gründung der Autobahngesellschaft des Bundes, wie ideologisch aufgeladen die Wahrnehmung von PPP-Projekten in der Öffentlichkeit ist, was den Einsatz erschwert. Gleichzeitig wurde erneut deutlich, wie hoch das Interesse privater und staatlicher Großinvestoren (Versicherungen, Pensionskassen et cetera) an Infrastrukturinvestments in Deutschland ist.

Hier wird es interessant sein, inwiefern sich dieses Interesse in Zukunft auf kommunaler Ebene angesichts vergleichsweise niedriger Investitionssummen niederschlagen wird. Auch die Umwandlung der ÖPP Deutschland GmbH in eine allein von der öffentlichen Hand getragene Gesellschaft zur Beratung von PPP-Organisations- und Investitionsvorhaben könnte einen erneuten Aufschwung dieses Finanzierungsinstruments nach sich ziehen.

Ebenfalls potenziell geeignet für eine Projektfinanzierung ist ein Bürgerkredit. Eine Mehrheit der befragten Kämmerer hielt 2014 diese Form des Crowdfunding für politisch sinnvoll, um die Bürger in kommunale Projektvorhaben einzubinden. So ist es wenig erstaunlich, dass diese Form der Finanzierung zwar immer wieder den Weg in die politische Diskussion findet. Gleichzeitig bewerteten zwei Drittel der Befragten einen Bürgerkredit als aus wirtschaftlicher Perspektive unattraktiv. Daher kommt es bei näherer Betrachtung der Wirtschaftlichkeit in den seltensten Fällen zur Umsetzung, weshalb diese Finanzierungsform weiter ein Exotendasein fristet und wohl auch in Zukunft nur in Einzelfällen Einsatz finden wird.

Kommunalanleihen: hoher Emissionsaufwand

Bereits 2015 konnte sich die Hälfte der befragten Kämmerer die Begebung einer Gemeinschaftsanleihe (Städteanleihe) vorstellen oder hatte bereits eine solche Emission durchgeführt. Kämmerer sehen hier den Vorteil, gemeinsam ein marktgängiges Volumen zu erreichen. Große Kommunen bevorzugen dagegen Einzelanleihen. Negativ zu Buche schlägt der hohe Aufwand für die Emission von Kommunalanleihen. Die befragten Investoren aus dem Sparkassenumfeld standen dem Instrument eher ablehnend gegenüber, während die befragten Großinvestoren offen für Investitionen in Kommunalanleihen waren.

Der Aufwand verringert sich jedoch mit steigender Erfahrung im Umgang mit Instrument und Investoren. Dies mag der Grund sein, weshalb mehrere Emittenten wiederholt den Kapitalmarkt nutzten, während andere Großstädte mit großem Finanzierungsbedarf weiter zögern. So wurde im April 2017 bereits die fünfte NRW-Städteanleihe platziert. Die Stadt Dortmund wählte nach der Beteiligung an der ersten NRW-Städteanleihe und mehreren erfolgreichen Schuldscheintransaktionen 2016 erstmals den Weg einer eigenen Anleiheemission und trat bereits im Frühjahr 2017 erneut als Anleiheemittent auf.

Somit spielen auch Anleihen eine wachsende Rolle im kommunalen Finanzierungsmix. Gerade Großstädte sehen hier offenbar eine gute Möglichkeit, große Kreditvolumina auf günstigere Zinsen und lange Laufzeiten umzuschulden und bestenfalls Platz im Haushalt für neue Investitionen zu schaffen. Für Investoren stehen vor allem Emissions- und Ordervolumen, Laufzeit und Rendite des Kommunalinvestments im Mittelpunkt. Die konkrete Finanzlage einer deutschen Kommune ist für Investoren kein Ausschlusskriterium, da Kommunen nach wie vor als Teil der föderalen Haftungskette wahrgenommen werden.

Aufgrund der geringen Zahl von Investitionsmöglichkeiten konnten kommunale Emittenten hier bisher "aus dem vollen Schöpfen". Aber bei veränderten Bedingungen werden sich Kommunen stärker den Informationsbedürfnissen der Investoren zuwenden müssen und Maßnahmen zur Erleichterung der Bonitätseinschätzung ergreifen - vom Ausbau der Finanzberichterstattung bis hin zur ungeliebten Beauftragung externer Ratings.

Weiteres Marktwachstum ist absehbar

Alternative Finanzierungen erweitern die Handlungsoptionen einer Kommune deutlich und den Kommunen steht in diesem Markt eine Vielzahl von Investoren mit großem Interesse an langfristigen, sicheren Investments gegenüber. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Markt für alternative Finanzierungen weiter und unter veränderten makroökonomischen Bedingungen auch schneller wachsen wird und sich Instrumente wie Schuldscheine als ergänzende Komponenten im Finanzierungsmix etablieren werden.

Allerdings wird bei einer wachsenden Zahl von Emittenten und Emissionen der Schönheitswettbewerb um die besten Konditionen weiter zunehmen und die Bewertung der Kapitalmarktfähigkeit einer Kommune künftig eine stärkere Rolle spielen. Deshalb ist aufseiten der Emittenten/Darlehensnehmer mehr Transparenz notwendig, damit Investoren in Einklang mit den jeweiligen Regularien die laufende Prüfung und Bonitätseinschätzung optimieren können. Zudem sollten Bund, Länder und Kommunen insgesamt einen klaren Grundsatzrahmen für alternative kommunale Finanzinstrumente etablieren und den interkommunalen Know-how-Transfer über alle Instrumente hinweg fördern, um Fehlentwicklungen zu verhindern, die der Gesamtwahrnehmung und Marktentwicklung alternativer Instrumente schaden würden.

2014/15 hatte die Befragung ergeben, dass sich die deutschen Kommunen gut aufgestellt sehen, um neue Finanzierungswege über den Kapitalmarkt zu erschließen. Fast drei Viertel der befragten Kämmerer hielten ihre Kommune für gut gerüstet. Dagegen beurteilten Investoren die Kapitalmarktfähigkeit vieler Kommunen zurückhaltend. Nur rund ein Drittel der befragten Investoren hielt deutsche Kommunen für grundsätzlich kapitalmarktfähig. Inwiefern sich dieses Bild bereits gewandelt hat, lässt sich an dieser Stelle nicht abschließend klären. Aber fest steht, es liegt nun vor allem an den bestehenden und neuen kommunalen Emittenten, diese Wahrnehmungslücke weiter durch gutes, aktives Finanzmanagement und professionelle Finanzkommunikation mit ihren Investoren zu schließen.

Die Autoren Florian Kirchmann, Senior Berater Investor Relations, IR.on AG, Köln und Jakob Fichtner, Director Syndication, IKB Deutsche Industriebank AG, Düsseldorf
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