WOHNEN IN DEUTSCHLAND

BAUEN DARF KEINE HERAUSFORDERUNG SEIN

Andreas Mattner Quelle: Anna-Lena Ehlers

Ob Mietpreisbremse, Wohnimmobilienkreditrichtlinie oder Energieeinsparverordnung - die regulatorischen Eingriffe der jüngeren Vergangenheit auf dem deutschen Wohnungsmarkt waren reichlich kontrovers. Kontrovers vor allem deshalb, weil die Instrumente eine kontraproduktive Wirkung im Kampf gegen den vielerorts akuten Wohnraummangel entfalteten. Der Autor benennt schonungslos die momentan vorherrschenden Missstände und erklärt, welche Maßnahmen zur Entspannung der Lage ergriffen werden müssten. Dabei plädiert er unter anderem für die Schaffung eines Immobiliengipfels, der alle relevanten Akteure an einen Tisch zusammenbringt. Dieser wäre ideal geeignet, die passenden Rahmenbedingungen abzustecken und den Maßnahmenkatalog für bezahlbares Wohnen und Bauen auch in konkrete Taten umzusetzen. Red.

In den vergangenen Jahren hat sich die Lage auf den Immobilienmärkten in den Großstädten und Ballungsregionen der Bundesrepublik Deutschland verschärft. Insbesondere die hiesigen Wohnungsmärkte sind geprägt von einer anhaltend hohen Nachfrage, während die Bevölkerungszahl in ländlichen Regionen stagniert oder sich teilweise sogar negativ entwickelt. Der hohen Nachfrage in den Städten steht an zahlreichen Stellen weiterhin ein zu geringes Wohnungsangebot gegenüber.

Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts lassen vorerst nicht auf eine Umkehr dieser Entwicklung hoffen. Denn die Anzahl der genehmigten Wohnungen in Deutschland ist in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres um sieben Prozent im Vorjahresvergleich zurückgegangen. Zwischen Januar und September 2017 wurden insgesamt 256 821 Wohnungen genehmigt, in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 waren es noch 276 297 Wohnungen. Zahlen, die belegen, dass das Thema bezahlbare Stadtentwicklung in den kommenden Jahren eines der zentralen politischen Handlungsfelder sein muss.

Der Immobilienwirtschaft kommt hierbei natürlich eine besondere Bedeutung zu. Sie entwickelt jene Lösungen, die zur Befriedigung dieser Nachfrage beitragen. Allerdings braucht sie die passenden Instrumente und Anreize, um das Credo "Bauen, Bauen, Bauen" in die Tat umsetzen zu können. In den vergangenen Jahren hat die Immobilienwirtschaft jedoch zahlreiche Eingriffe erleben müssen, die allesamt lediglich zur Verunsicherung von Investoren, aber keinesfalls zur Verbesserung der angespannten Immobilienmärkte beigetragen haben.

Die Mietpreisbremse ist gescheitert

Die Mietpreisbremse beispielsweise hat ihr ursprüngliches Ziel verfehlt: Die Mietpreise in den deutschen Groß- und Universitätsstädten sind weiter gestiegen. Die neue Bundesregierung sollte dieses Instrument evaluieren und nach Ablauf der Geltungsdauer endgültig auslaufen lassen.

Eine weitere Verschärfung ist nicht zielführend. Auch die Erweiterung des Betrachtungszeitraums zur Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete wäre eine regulatorische Maßnahme, die uns kein Stück weiterbringt. Stattdessen würde sie enorme wirtschaftliche Schäden bei kommunalen und privaten Wohnungsunternehmen anrichten.

Erschwerte Kreditvergabe für einzelne Käufergruppen

Der Bereich der Finanzmarktregulierung stand in den letzten Monaten ebenso häufig im Fokus regulatorischer Maßnahmen. Dabei ist die Immobilienwirtschaft als kapitalintensive Branche ganz besonders auf ein stabiles Finanzierungsumfeld angewiesen. Die jüngsten Verschärfungen des Gesetzgebers haben aber bewirkt, dass die Kreditvergabe für einzelne Käufergruppen verschlechtert wurde. Der Gesetzgeber sollte künftig mehr Augenmaß für das Finanzierungsumfeld aufbringen. Wir dürfen keine Preisblase durch neue Regulierungen herbeireden. Vor der Entwicklung neuer Instrumente für die Kapitalmärkte sollte deshalb geprüft werden, ob die bestehende Gesetzeslage nicht bereits ausreichend ist. Das deutsche Finanzierungs- und Bankensystem hat sich bewährt, das sollte auch die Bundesregierung wissen.

Für den Wohnungsmarkt von zentraler Bedeutung ist auch die anhaltende Grunderwerbsteuer-Rallye. Die Grunderwerbsteuer ist Ländersache, und das ist der Kern des Problems stetig steigender Steuersätze. Diese verteuern den Immobilienerwerb spürbar und rücken ihn damit - in Kombination mit steigenden Preisen und weiteren Erwerbsnebenkosten - für viele Kaufwillige in weite Ferne. Zur Entlastung der Mietwohnungsmärkte trägt dieser Umstand nicht bei.

In den vergangenen zehn Jahren haben 14 von 16 Bundesländern den Grunderwerbsteuersatz von ursprünglich 3,5 auf bis zu 6,5 Prozent angehoben. Ausnahmen bilden nur Bayern und Sachsen. Bei nahezu allen Parteien spukt daher die Idee einer neuen Eigenheimförderung in Form von Freibeträgen oder eines Baukindergelds herum.

Stolperstein Nebenkosten beseitigen

Diese Instrumente sind in Deutschland jedoch erst gar nicht notwendig, wenn der Gesetzgeber stattdessen auf eine Reduktion der Hemmnisse beim Immobilienkauf vor allem in Form hoher Erwerbsnebenkosten setzt. Nebenkosten sind für Immobilienkäufer nicht finanzierungsfähig und ein entsprechender Stolperstein. Durch die Senkung würde die Attraktivität von Wohneigentum steigen. Es könnte so seiner Funktion als wichtiges Standbein unserer Gesellschaft und sehr gutes Mittel zur persönlichen Altersvorsorge gerecht werden.

Zudem muss der Neubau endlich angekurbelt werden, dafür brauchen wir aber keine Subventionen. Es würde bereits ausreichen, Baugenehmigungsverfahren und mitunter sehr langwierige Grundstücksvergaben zu beschleunigen. Kommunen sind dafür auf neues Personal angewiesen, das den zusätzlichen Aufwand stemmen kann. Zudem gibt es nach wie vor eine einheitlich verbindliche Musterbauordnung in der Bundesrepublik und unterschiedliche Richtlinien für den geförderten Wohnungsbau. Das serielle Planen und Bauen und die stetige Schaffung von neuen Immobilien wird hierdurch ausgebremst. Jede regionale Umplanung von Projekten führt zu steigenden Kosten. Eine bundesweit einheitliche Planung könnte die serielle Bauweise im Wohnungssegment somit erheblich erleichtern.

Urbane Gebiete nur ein erster Schritt

Darüber hinaus muss die Anpassung der technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) an heutige Anforderungen des Städtebaus auf die politische Tagesordnung, damit das Ziel einer Stadt der kurzen Wege erreicht werden kann. So könnte beispielsweise die Berücksichtigung passiver Schallschutzmaßnahmen das Nebeneinander von Wohn- und Wirtschaftsimmobilien in urbanen Gebiete erheblich erleichtern.

Darüber hinaus sollte die Politik die Diskriminierung von Gewerbelärm gegenüber Verkehrslärm endlich abschaffen. Die Einführung des Gebietstypen "Urbanes Gebiet" kann also nur als ein erster Schritt gesehen werden, um die Immobilienmärkte zu entlasten. Weitere Maßnahmen sind in diesem Handlungsfeld notwendig.

Die verbesserte steuerliche Abschreibung - etwa in Form einer längst überfälligen Erhöhung der linearen AfA von derzeit zwei auf mindestens drei Prozent oder einer Abschreibung der energetischen Sanierung - gehört zu den weiteren Anreizen für neue Investitionen, die der Gesetzgeber einführen könnte. Eine solche steuerliche Abschreibung wirkt wie ein Konjunkturprogramm und beschleunigt zudem die Energiewende im Gebäudesektor rapide. Insbesondere in einer Zeit, in der der Bestand nachhaltig ertüchtigt werden muss und die Anforderungen an die Gebäudetechnik so hoch sind wie noch nie zuvor, wäre das ein wichtiges Signal für unsere Branche.

Technologieoffenheit im Sinne des Klimaschutzes

Der Bereich des Klimaschutzes spielt eine besondere Rolle, wenn es darum geht, bezahlbar bauen zu können. Insbesondere hier aber wurden der Immobilienwirtschaft in den vergangenen Jahren viele Steine in den Weg gelegt. Unsere Branche ist bereits seit vielen Jahren ein aktiver Partner der Bundesregierung, wenn es darum geht, die klimaschutzpolitischen Ziele zu erreichen. Zwischen 1990 und 2014 konnte beispielsweise der CO2-Ausstoß im Gebäudesektor von 209 auf 119 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden.

Um auch weiterhin einen solch positiven Trend bewirken zu können, benötigen wir aber ein passendes Umfeld. Bei sämtlichen neuen Ideen sollten die Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und Technologieoffenheit stets oberste Prämisse sein. Denn nicht das schärfste Ordnungsrecht ist das Beste, sondern das Intelligenteste. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2016 stellt für mehrere Nutzungsarten der Immobilienwirtschaft bereits die Grenze des heute technisch Möglichen dar. Allein diese hat zu einer Verteuerung von durchschnittlich acht Prozent im Wohnungssektor geführt.

Diese Verteuerung der Kosten muss ein Ende haben. Die aktuell geschäftsführende Bundesregierung hat dieses Problem erkannt und bestehende Diskussionen wie eine neue Verschärfung der EnEV gestoppt.

Ein unmöglicher Standard

Doch nach wie vor schwebt über der Immobilienwirtschaft das Damoklesschwert des Niedrigstenergiegebäudestandards. Dieser muss in der nun begonnenen Legislaturperiode definiert werden. Mehrere Politiker haben sich bereits dafür ausgesprochen, den aktuell gültigen KfW-55-Standard als Niedrigstenergiegebäudestandard festzulegen.

In einem Gutachten, das die Task Force Energie des ZIA in Auftrag gegeben hatte, wurde jedoch festgestellt, dass dieser KfW-55-Standard die baulichen Möglichkeiten bei bestimmten Gebäudetypen überschreitet. Dieser Standard wäre also nicht nur zu teuer, sondern auch unmöglich. Aus diesem Grund sollte die neue Regierung darauf setzen, die aktuelle EnEV 2016 als Niedrigstenergiegebäudestandard zu definieren.

Die Verbesserung der Ökobilanz kann dann durch wirtschaftlich sinnvolle, flexible und technologieoffene Maßnahmen erreicht werden. Die Task Force Energie des ZIA hat eigene Alternativmaßnahmen zur Ertüchtigung des Gebäudebestands in Deutschland entwickelt, mit denen der jährliche CO2-Ausstoß um schätzungsweise 56 Millionen Tonnen reduziert werden kann. Das entspricht einer Senkung des im Klimaschutzplan 2050 festgestellten Ausstoßes aus dem Jahr 2014 (119 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr) von fast 50 Prozent.

Der Gesetzgeber sollte diese Alternativvorschläge bei der Entwicklung weiterer klimaschutzpolitischer Maßnahmen zwingend berücksichtigen. Darin geht es unter anderem um die Berücksichtigung von nicht direkt am Gebäude erzeugten erneuerbaren Energien, die Abschaffung steuerlicher Hemmnisse bei der Erzeugung erneuerbarer Energien sowie die Betrachtung der Quartiers- statt der Gebäudeebene bei der CO2-Reduktion.

Die Zusammenlegung der EnEV, des EEWärmeG und EnEG kann zudem eine Vereinfachung der Gesetzeslage für unsere Branche herbeiführen. Diese wurde bereits in der aktuellen Legislaturperiode in Angriff genommen und sollte durch die neue Regierung endlich eingeführt werden.

Immobiliengipfel zur Erarbeitung gemeinsamer Lösungen

Zu Zeiten der Jamaika-Verhandlungen gab es erste positive Signale, dass wichtige Instrumente wirklich angepackt werden könnten. Dazu zählten insbesondere die Förderung der energetischen Gebäudesanierung, die Förderung des Mietwohnungsbaus und Verbesserungen bei der degressiven AfA.

Nun ist eine neue Regierung noch nicht in Sicht und wir müssen uns auf weitere Gesprächsrunden zwischen möglichen Koalitionen einstellen. Doch die Zeit drängt. Wir brauchen eine stabile und handlungsfähige Regierung, die die Herausforderungen auf den Immobilienmärkten stemmen kann und der Branche die Möglichkeit dazu gibt, ihren Teil hierzu beizutragen.

Vor uns liegen gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die wir nur gemeinsam lösen können. Ein Immobiliengipfel mit allen relevanten Akteuren wäre ideal dafür geeignet, die passenden Rahmenbedingungen abzustecken und den Maßnahmenkatalog für bezahlbares Wohnen und Bauen auch in konkrete Taten umzusetzen. Dieser sollte einberufen werden, sobald die neue Regierung steht.

DER AUTOR
Dr. Andreas Mattner, Präsident, ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V., Berlin
Dr. Andreas Mattner , Präsident , ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
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