Schwerpunkt Private Baufinanzierung

Bausparen und die Niedrigzinsphase

Hans-Peter Burghof

Die deutschen Bausparkassen leiden massiv unter der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Die deutsche Aufsicht sieht große Gefahren für ihre Ertragslage in der Zukunft. Die Politik der EZB alimentiert Banken, die sich am Kapitalmarkt flexibel refinanzieren können, bestraft zugleich Institute, die sich mit Einlagen refinanzieren. Die Bausparkassen leiden vor allem unter dem Problem, dass Kunden die bei Abschluss vertraglich zugesicherten hohen Anlagezinsen nutzen, ohne jemals den entsprechenden Kredit in Anspruch zu nehmen. Die Differenz zum aktuellen Zinsniveau kann im Extremfall bis zu fünf Prozent betragen und die Laufzeit und die Bedingungen der Zinsbindung für die angesparte Summe sind häufig nicht klar geregelt. Hier ist die Aufsicht gefordert, die Institute bei der "Regelung" dieser Altfälle zu unterstützen, da die sonst ewigen Lasten die Bausparkassen und damit letztlich auch den Erhalt eines funktionierenden und krisenresistenten wohnungswirtschaftlichen Finanzierungsmodells gefährden. Als mögliche Lösungsansätze bieten sich für die Institute, neben der Regelung der Altfälle, eine reglementierte Lockerung der Anlagevorschriften, die Zulassung der Vergabe von Immobilienkrediten (ohne Bausparbindung) sowie die Möglichkeit der Refinanzierung über Pfandbriefe an. Fusionen als Lösungskonzept der strukturellen Problematik erscheinen wenig sinnvoll. Red.

Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat für einlagenbasierte Kreditinstitute eine Reihe problematischer Auswirkungen und kann zu einer Homogenisierung des Bankensystems führen, die beim Auftreten einer Krise wie ein Brandbeschleuniger wirkt. Die Anpassungsprobleme stellen sich den Bausparkassen in verstärkter Form. Ihnen stehen nur begrenzte Gegensteuerungsmaßnahmen zur Verfügung.

Problemstellung

Da der staatlichen Gewalt auch im Rettungsmodus nicht jedes Mittel recht sein darf und die Allgemeinheit ein Interesse an der Erhaltung eines funktionierenden und krisenresistenten wohnungswirtschaftlichen Finanzierungsmodells hat, liegt es nahe, die besonderen Regularien für Bausparkassen infrage zu stellen. Die Aufsicht wird sich dazu mit den politischen Entscheidungsträgern ins Benehmen setzen müssen.

Das deutsche Finanzsystem ist durch eine Reihe von Besonderheiten gekennzeichnet, die es von anderen Finanzsystemen in Europa unterscheiden. Hier gibt es unverändert eine große Zahl rechtlich unabhängiger Einzelinstitute. Im Rahmen des Dreisäulenmodells konkurrieren Kreditinstitute miteinander, die in unterschiedlicher Rechtsform gänzlich unterschiedliche Ziele verfolgen. Daneben gibt es mit den Bausparkassen eine Besonderheit, die sich so nur in wenigen anderen europäischen Staaten und dort nur in Anlehnung an das deutsche Modell findet.

Diese Besonderheiten werden auf internationaler Ebene oftmals als Entwicklungsrückstand gewertet. Sehr deutlich macht diese Haltung noch 2010 die damalige europäische Wettbewerbskommissarin Nellie Kroes, die konstatierte, "das deutsche Dreisäulenmodell - also Privatbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen - ist überholt" und als Vorbild für eine sinnvolle Veränderung Österreich, Frankreich und Italien anführte. Die Realitäten der Finanzkrise führen diese Position ad absurdum. Dennoch bleibt auf europäischer Ebene das Unbehagen über die Abweichung von der Norm bestehen.

An dieser Diskrepanz zwischen dem vermeintlichen Wissen über den obsoleten Charakter des deutschen Bankensystems und der hohen Krisenresistenz gerade seiner im Mittelpunkt der Kritik stehenden Elemente scheint sich seit einiger Zeit etwas zu verändern. Sparkassen, Genossenschaftsbanken und auch Bausparkassen geraten in den besonderen Fokus der Bankenaufsicht. Auslöser des aufsichtlichen Interesses ist nicht die aktuelle, meist recht gute Geschäftslage. Die Aufsicht sieht große Gefahren für ihre Ertragslage in der Zukunft. Diese Bedrohung erwachse den Instituten aus einer Fortsetzung der aktuellen Niedrigzinsphase. Offenbar ist das Geschäftsmodell dieser Institute doch nicht krisenfest.

Soweit hier besondere Risiken bestehen, stellt sich die Frage: Kann das Bausparen als solches nicht am Markt bestehen, oder sind es staatliche Eingriffe in den Markt, die ein eigentlich marktkonformes Geschäftsmodell gefährden?

Bausparen aus ökonomischer Perspektive

Worin liegt der besondere ökonomische Wert des Bausparens, der es von anderen Bankkonzepten, aber auch von Investmentfonds oder Versicherungen unterscheidet? Ansparleistung und Kredit werden miteinander verknüpft, um Informationen über die personelle Kreditwürdigkeit zu erzeugen. Die dazu erforderliche langfristige Bindung wird gestützt durch eine Zinsoption für den Kunden, die ihn veranlasst, den Bausparkredit zu einem günstigen Zins in Anspruch zu nehmen, sowie durch ein Reputationsgleichgewicht, in dem die Bausparkasse bereit ist, den Kredit auch dann zu vergeben, wenn sie mit einer alternativen Geldanlage einen höheren Ertrag erzielen könnte.

Damit enthält Bausparen eine starke implizite Komponente. Vor allem das Verhalten der Bausparkasse ist nicht nur durch das bestimmt, was der Kunde auf der Grundlage des abgeschlossenen Vertrags gegenüber der Bausparkasse durchsetzen kann. Die Institution der Bausparkasse gewährleistet darüber hinaus ein konstruktives Verhalten vor allem bei der Kreditvergabe. Und, in Maßen, mag sich auch der Bausparer gebunden fühlen, sein Finanzierungsvorhaben dann im Rahmen des Bausparkollektivs zu verwirklichen. Grundsätzlich gilt, dass derartige langfristige Bindungen in Reputationsgleichgewichten das Spektrum möglicher vertraglicher Vereinbarungen erheblich erweitern und dadurch einen Mehrwert gegenüber einer nur auf durchsetzbare vertragliche Bestandteile reduzierten Kooperation erzeugen.

Bausparen ist ein gutes Beispiel für den Wert von langfristiger Bindung und Reputation. Ein anderes Merkmal solcher Reputationsgleichgewichte ist allerdings ihre Fragilität. Sie benötigen einen stabilen Rahmen, da die Treue zu den impliziten Vertragsbedingungen eben nicht eingeklagt werden kann. Es stellt sich die Frage, ob die Politik der Europäischen Zentralbank diesen in Deutschland bisher dem Bausparen zuträglichen Rahmen gefährdet.

Auswirkungen auf Kreditinstitute

Für Kreditinstitute lassen sich eine Reihe problematischer Auswirkungen einer dauerhaften Nullzinspolitik der Zentralbank ausmachen. Auch hier gilt, dass diese für Banken, die überwiegend am Kapitalmarkt refinanziert und investiert sind, noch relativ beherrschbar sind. Sie verdienen weiterhin ihre Marge, die - gemessen am oft sehr hohen Bilanzvolumen - gering ausfallen kann und auch darf, da sie in diesem Geschäft, gemessen am Volumen, nur geringe Kosten haben. Institute, die überwiegend mit Einlagen finanzieren, haben ganz andere Probleme. Sie werben die Einlagen bei ihren Kunden ein. Für den damit verbundenen Aufwand, zum Beispiel für das Betreiben ihrer Zweigstellen oder, im Fall der Bausparkassen, für ihre Vertreter, müssen sie eine Marge verdienen.

Sie können also nicht einfach wie die Kapitalmarktinstitute den von der Zentralbank vorgegebenen Nullzins als Refinanzierungssatz akzeptieren. Vielmehr müssten sie darüber hinaus noch einen Abzug vornehmen, der den kalkulatorischen Kundenzins deutlich negativ werden lässt. Bleiben die Zinsen so niedrig, haben sie die Wahl, eine massive Erosion ihrer Ertragslage hinzunehmen oder aber eine Destabilisierung ihrer Einlagenbasis durch einen Minuszins zu riskieren. Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank richtet sich somit unmittelbar gegen ihr Geschäftsmodell, aber damit auch gegen die Stabilität des Bankensystems.

Bausparkassen in der Niedrigzinsphase: Das Problem

Die Probleme der Anpassung an ein neues Zinsniveau stellen sich den Bausparkassen in verstärkter Form. Die komplexe Konstruktion des Gesamtvertrags und die aufsichtliche Genehmigungshürde bewirken, dass Tarife nicht beliebig rasch und häufig in Reaktion auf ein neues Zinsniveau geändert werden können.

Eine kundenseitige Bindungswirkung haben Bausparverträge nur, wenn die Kunden durch ihr Ansparen eine werthaltige Option auf einen späteren Kredit zu einem günstigen Darlehenszins erwerben können und damit sich das Produkt auch für den Anbieter rechnet, dafür recht niedrige Einlagezinsen in Kauf nehmen. Die Zinsmarge müsste in der Sparphase des Bausparvertrags gegenüber dem Kapitalmarktzins vergleichbarer Laufzeit also noch etwas höher ausfallen als bei normalen Sparprodukten.

Viele Bausparer wissen bei Vertragsabschluss nicht, ob sie jemals den Kredit in Anspruch nehmen werden, und manche verzichten auch darauf, weil sich dies aus ihrer Lebensplanung nicht so ergeben hat. Diese sogenannten "Freundsparer" sehen im Bausparen in erster Linie die Option und haben für diese schon immer einen impliziten Preis gezahlt. Im Bausparkollektiv waren sie als zusätzliche Finanziers willkommen, ermöglichten sie doch eine frühere Zuteilung der Bausparkredite. In manchen Bauspartarifen wurden sie sogar mit einem Bonuszins belohnt, wenn sie den Kredit nicht in Anspruch nahmen. Jetzt müssten sie diese Option explizit mit einem deutlichen Negativzins bezahlen, für die Vermarktung des Produktes nicht gerade eine Steilvorlage.

Zum Problem werden aber nicht "Freundsparer", die ihre Ansparleistung zügig erbringen und danach das Geld anderweitig verwenden oder anlegen. Gefährlich wird für die Bausparkassen, dass in den Verträgen offenbar lange nicht hinreichend eindeutig bestimmt war und zumindest teilweise wohl noch nicht ist, für wie lange und unter welchen Bedingungen die Zinsbindung für die angesparte Summe aufrecht erhalten werden muss. Altverträge mit deutlich höheren Zinsen werden dadurch zu einer Zinsfalle für die Bausparkasse: Die Kunden haben keinen Anreiz, aus dieser nun sehr lukrativen Geldanlage durch die Aufnahme eines Bausparkredits oder durch Beendigung des Sparvertrags auszusteigen.

Die Differenz zum aktuellen Zinsniveau kann im Extremfall, einschließlich eines Bonus für die Nichtinanspruchnahme des Bausparkredits, bis zu fünf Prozent betragen. Das heißt, in diesen Verträgen erwirtschaften die Bausparkassen eine negative Marge von bis zu fünf Prozent, die sie an irgendeiner anderen Stelle verdienen müssten. Dies ist natürlich ausgeschlossen.

An dieser Stelle rächen sich die hohe Flexibilität und starke implizite Dimension der Vertragsbeziehung. Die besonderen Regelungen für die Zuteilung von Bausparkrediten bewirken zwar, dass man diese mit der relativ geringsten Kapitalbindung erreicht, wenn man regelmäßig spart. Ein unregelmäßiges Ansparverhalten wurde aber auch akzeptiert und war auch nicht schädlich für die Solvenz der Bausparkassen, solange die Zinsen noch auf einem nennenswert positiven Niveau schwanken durften. Dass ein Teil der "Freundsparer" bei der Wahl des Abschlusszeitpunktes ihres Bausparvertrags Glück hatte und zumindest bis zum nächsten Zinshoch eine besonders attraktiv erscheinende Geldanlage genießen durfte, war für die Bausparkassen offenkundig verkraftbar. In der Summe profierten die Bausparkassen und mit ihnen die Kreditnehmer der Bausparkredite von der zusätzlichen Sparleistung.

Sinnvolles Wirtschaften auf Dauer unmöglich

Daher sah man es bis vor kurzem auch nicht für notwendig an, in den aufsichtlich genehmigten Tarifen explizite zeitliche oder sachliche Begrenzungen der Zinsbindung vorzugeben.

Mit Eintreten einer dauerhaften Niedrigzinsphase ist diese Position unhaltbar geworden. Altverträge mit hohen Einlagezinsen werden bei individuell-rationalem Kundenverhalten immer in der Ansparphase belassen. Die Bausparkassen würden aus diesen Verträgen für einen erheblichen Teil ihrer Refinanzierung mit einer Art ewigen Last beschwert, die ein sinnvolles Wirtschaften auf Dauer unmöglich macht. Die Verbraucherverbände formulieren recht aggressiv den Anspruch, dass auf diese Altverträge hohe Zinsen auf unbestimmte Dauer zu zahlen seien, und beraten ihre Kunden auch dahingehend. Eine rechtliche Würdigung dieser Haltung steht mir nicht zu. In ökonomischer Betrachtungsweise ist offenkundig, dass mit der Bereitschaft seitens der Bausparkassen, ein flexibles Ansparverhalten vertraglich zu akzeptieren, sicher nicht die Absicht verbunden war, sich damit auf eine quasi ewige Zinsbindung einzulassen.

Begutachter mit rechtswissenschaftlicher Ausbildung könnten in ihrer Bindung an das geschriebene Wort jedoch zu einem anderen Ergebnis gelangen. Dann stellt sich allerdings die Frage, wie die Aufsichtsbehörde derartige Tarife jemals hätte genehmigen dürfen. Denn in dieser rechtlichen Interpretation stellen sie bei einer Fortsetzung der Nullzinspolitik ein massives Risiko für die Bausparkassen dar. Es ist Aufgabe der Bankenaufsicht, die Entstehung derartiger Risiken zu verhindern. Unterstellt man ein konsistentes Handeln der Aufsichtsbehörden, müssten sie also schon bei der Genehmigung der Tarife die Position eingenommen haben, dass keine ewige Zinsbindung intendiert ist. Man kann also durchaus Verständnis dafür haben, wenn Vertreter der Bausparkassen die Bankenaufsicht in der Pflicht sehen, dieser Position nun auch in geeigneter Form Geltung zu verschaffen.

Aufsicht als neutraler Mittler

Dazu wird sie sich auch mit den politischen Entscheidungsträgern ins Benehmen setzen müssen, die einem entsprechenden Ansinnen, das nur von den Bausparkassen ausgeht, berechtigte Skepsis entgegensetzen dürften. Dies ist auch deshalb notwendig, weil eine Lösung einen rechtlich abgesicherten und fairen Interessenausgleich gewährleisten sollte. Dabei stehen neben den Belangen der Sparer mit hochverzinslichen Altverträgen auch die der anderen Mitglieder des Bausparkollektivs, aber auch das Interesse der Bausparkassen selbst an einer Fortsetzung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit und das der Allgemeinheit an der Erhaltung eines funktionierenden und krisenresistenten wohnungswirtschaftlichen Finanzierungsmodells einem massiven staatlichen Eingriff gegenüber.

Der Idee eines solchen fairen Interessenausgleichs liefe es allerdings auch ent gegen, wenn im Ergebnis die Deutungshoheit über die Verträge allein den Bausparkassen zugesprochen würde. Dies betont noch einmal die Rolle der Aufsicht, die als neutraler, im öffentlichen Interesse handelnder Mittler Art und Ausmaß der notwendigen Anpassungen festlegen oder genehmigen müsste.

Die Tatsache, dass Bausparer bei einem niedrigen Zins zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme auf den Bausparkredit verzichten, bei einem hohen Zinsniveau ihn dagegen in Anspruch nehmen, ist nicht neu. In dieser Möglichkeit der Zinsbegrenzung liegt ja gerade ein wesentlicher Kundennutzen des Bausparens. Aber früher war Bausparen in dieser Hinsicht eine von den Schwankungen des Zinsniveaus getriebene Mischkalkulation. Nun liegt das Zinsniveau aber möglicherweise für lange Zeit auf einem niedrigen Niveau. Für eine ganze Generation von Bausparkrediten ist damit die Kreditkomponente gefährdet.

Die Bausparkassen müssen zusehen, wie sie ihr Geld anderweitig anlegen, was durch ihre Geschäftsbeschränkungen im Anlagebereich zusätzlich erschwert wird.

Ist dieser Effekt dauerhaft oder entsteht nur ein einmaliger Schaden, den die Institute dann eben verkraften müssten? Nach Anpassung des Zinsniveaus in ihren Tarifen sollten die Bausparkassen ihr Geschäft doch eigentlich so weiterführen können wie bisher. Problematisch ist dabei, dass der Guthabenzins in Tarifen, mit denen dies möglich wäre, wahrscheinlich unter der Nulllinie liegen müsste. Verträge zu derartigen Tarifen wären am Markt kaum zu vertreiben. Andererseits verliert der Kunde allmählich das Interesse an einer Absicherung gegen hohe Zinsen durch die Bausparkasse. Diese Absicherung übernimmt nun scheinbar die Europäische Zentralbank, die zur Investitionsförderung langfristig niedrige Zinsen verspricht.

Die Vorstellung, dass er bei der nächsten Prolongation seines Hauskredits sieben Prozent oder mehr an Zinsen zahlen müsste, hat wohl kaum ein heutiger Kreditnehmer. Die Negierung der Marktschwankungen durch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank macht eben auch marktwirtschaftliche Lösungskonzepte zur Risikoabsicherung obsolet.

Bausparkassen in der Niedrigzinsphase: Lösungen

Die Bausparkassen stellen sich dieser Herausforderung auf unterschiedlichen Wegen. Zunächst intensivieren sie das sogenannte außerkollektive Geschäft. Dies sind Kredite, bei denen keine vorherige Ansparleistung erbracht wurde und die daher zu aktuellen Marktkonditionen vergeben werden können. Die Tilgung erfolgt dann oft wiederum durch einen Bausparvertrag, der nach der Ansparphase an die Stelle des ursprünglichen Kredits tritt. In diesem Feld sind Bausparkassen aufgrund der Kundennähe und Flexibilität ihres Vertriebs durchaus erfolgreich. Allerdings ist das Problem, wie die Bauspareinlagen unter den neuen Rahmenbedingungen gewinnbringend angelegt werden können, damit nur sehr eingeschränkt gelöst.

Schädigung der Allgemeinheit vermeiden

Weiterhin bemühen die einzelnen Bausparinstitute sich nach Kräften, aus den hochverzinslichen Sparverträgen durch Kündigung herauszukommen. Die Bausparkassen müssen diesen Weg gehen, wenn sie nicht die wirtschaftliche Existenz ihrer Institute gefährden und, in ihrem Selbstverständnis, das Bausparerkollektiv sowie, über ein mögliches Eintreten der Einlagenversicherung, auch die Allgemeinheit schädigen wollen. Neben den angesprochenen Rechtsrisiken ist hier vor allem ihre Reputation im Feuer. Das penible Abprüfen bestehender Verträge auf eine Kündigungsmöglichkeit passt so gar nicht zu der flexiblen Haltung, die sie traditionell in ihren Kundenbeziehungen an den Tag legen konnten.

Wenn all dies nicht ausreicht, liegt es nahe, angesichts der veränderten Rahmenbedingungen auch die besonderen Regularien für Bausparkassen infrage zu stellen.

So könnte man sich vorstellen, die Anlagevorschriften für Bauspareinlagen zu lockern, um ihnen höhere Erträge aus ihrem Anlagegeschäft zu ermöglichen. Flankierend dazu wäre es allerdings sinnvoll, Bausparkassen auf die Verfolgung einer portfolioorientierten, rein passiven Anlagestrategie zu verpflichten. Denn natürlich sollten sie keine riskanten Spekulationen mit dem Geld der Bausparer unternehmen dürfen. Wie sich dies in einer konkreten Regulierung umsetzen ließe, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Möchte man die Anlagevorschriften lockern, sollte man schon heute als weitere flankierende Regelung eine Verschärfung der Anlagevorschriften beziehungsweise idealerweise eine Reduktion des zulässigen Portefeuillerisikos bei zukünftig steigenden Zinsen festschreiben. Auch für diese flankierende Maßnahme gilt, dass die konzeptionelle Vorgabe nur sehr schwer in eine konkrete und wirksame Aufsichtsnorm umzusetzen sein dürfte.

Die Anlageform, die einer Bausparkasse am nächsten liegt, ist die des Immobilienkredits, und wenn nicht im Rahmen eines Bausparvertrags, dann eben ohne diesen. Bisher dürfen Bausparkassen für Baudarlehen, die nicht mit einem Bausparvertrag unterlegt sind, jedoch keine Bauspareinlagen einsetzen und müssen es anderweitig refinanzieren, was ihre Bilanz unnötig aufbläht. Warum also sollte man keine Bauspareinlagen für diesen Zweck einsetzen dürfen, zumindest soweit dadurch nicht die Interessen der Bausparer im kollektiven Geschäft etwa durch eine verzögerte Kreditzuteilung beeinträchtigt werden?

Pfandbriefe als ein Instrument der günstigen Refinanzierung am Kapitalmarkt könnten ebenfalls geeignet sein, die Zinsspanne der Bausparkassen zu verbessern. Mit der Einführung des Pfandbriefgesetzes 2005 wurde diese Möglichkeit für alle Kreditinstitute geöffnet, bis auf die Bausparkassen, denen dies nicht zugestanden wurde. Insofern wäre eine entsprechende Deregulierung zunächst eine Gleichstellung, die allerdings auch einen Übergang in ein alternatives Geschäftsmodell der Baufinanzierung darstellt.

Fusion als grundlegendes Lösungskonzept ein Irrweg

Die Erleichterung von Fusionen schließlich kann durchaus helfen, mögliche Krisen einzelner Institute besser in den Griff zu bekommen und auch die für die jeweilige Bausparkasse erstrebenswerte Unternehmensgröße zu erreichen. Ob allerdings ein schlichtes Größenwachstum zu einer höheren Effizienz führt, sei dahingestellt. So sinnvoll ein Unternehmenszusammenschluss im Einzelfall also durchaus sein kann: Die Fusion als grundlegendes Lösungskonzept einer strukturellen Problematik in einer Branche hat sich oftmals als ein Irrweg herausgestellt.

Sollte sich die Niedrigzinsphase fortsetzen, werden die verfügbaren Reserven benötigt. Dazu zählt auch der Fonds zur bauspartechnischen Absicherung, der als eine besondere Rücklage für spezifische Risiken des Bauspargeschäfts dient. Die Schöpfer dieses Konstruktes hatten dabei Hochzinsphasen im Auge, in denen es aufgrund der Regularien im Bausparkollektiv zu einer verzögerten Zuteilung von Bausparkrediten kommen kann. Es stellt sich die Frage, welchen Haftungsrang die Position im Gesamtzusammenhang der Passivseite der Bausparkassenbilanz hat und in welcher Form man diese Position auch zu einer Stabilisierung der Situation des Bausparkollektivs in einer Niedrigzinsphase nutzen könnte. Dass eine dauerhafte Niedrigzinsphase ebenfalls ein spezifisches Risiko des Bauspargeschäfts darstellt, dürfte deutlich geworden sein.

Fasst man die Überlegungen zusammen, gibt es also keinen Königsweg aus der sich abzeichnenden Krise für den Fall einer fortgesetzten Nullzinspolitik. Viele der angedachten Maßnahmen haben unerwünschte Nebenwirkungen, aus denen heraus das Geschäftsmodell der Bausparkassen Schaden nimmt. Dies ist keine Absage an Anpassungsmaßnahmen, die sehr sinnvoll sein können, um den Schaden zu begrenzen. Aber es ist festzuhalten, dass das deutsche Bausparsystem für die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank einen hohen Preis zahlt.

Wie wertvoll ist unter diesen Bedingungen ein Geschäftsmodell noch, das den Kunden Planungssicherheit hinsichtlich des Zinsniveaus, aber auch der bedarfsgerechten Verfügbarkeit der Finanzierung verspricht? Aus Kundensicht sind beide Dimensionen des Bausparens unverändert wertvoll, um seine wohnungswirtschaftlichen Vorhaben ohne unvertretbare Risiken realisieren zu können. Es besteht allerdings die Gefahr, dass dies bei einer langandauernden Phase unbegrenzter Liquidität und einem dauerhaft niedrigem Zinsniveau in Vergessenheit gerät.

Damit ist der Zeitpunkt, zu dem die Europäische Zentralbank ihre extreme Position verlässt, von ganz ausschlaggebender Bedeutung für das Ausmaß an notwendigen Anpassungsmaßnahmen und auch der Gefährdung des Geschäftsmodells der Bausparkassen. Sobald die Zinsen deutlich steigen, gewinnt das Motiv der Zinsabsicherung, aber auch das der Verfügbarkeit von Krediten für wohnungswirtschaftliche Vorhaben angesichts knapperer Liquidität und attraktiver Anlagealternativen für die Banken auch im Kundenbewusstsein wieder an Bedeutung. Darüber, wann dies der Fall sein wird, kann man allerdings mit Blick auf die heutigen Entwicklungen der europäischen Politik und Wirtschaft keine Prognose wagen.

Geschäftsmodell oder staatlicher Eingriff: Wer ist schuld?

Seit nunmehr acht Jahren folgt die europäische Politik einer Art Rettungsdogmatik. Über alldem steht das etwas vage Oberziel der Rettung des Euros. Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank ist ein Teil dieser Rettungspolitik - allerdings nicht ohne massive Nebenwirkungen.

Allerdings darf einer staatlichen Gewalt auch im Rettungsmodus nicht jedes Mittel recht sein. Hier gelten ähnliche Regeln wie in der medizinischen Notfallversorgung bei Katastrophen: Gerade weil man sich in einem Staatsnotstand gefangen sieht, ist ein Handeln nach sinnvollen Prioritäten und eine klare Vorstellung über die dieses Handeln bestimmenden Zeitpräferenzen erforderlich. Denn in einer derartig umfassenden Belastungssituation kann man nicht alles retten. Und angesichts der massiven Nebenwirkungen der eingesetzten Maßnahmen sollte man sich ganz klar darüber sein, wie viel an zukünftigen Chancen und Möglichkeiten oder, wie im vorliegenden Fall, sinnvollen bestehenden Strukturen man einer oft nur kurzfristigen Verbesserung der aktuellen Situation opfern möchte.

Hinter der Niedrigzinspolitik lassen sich Prioritäten und eine Zeitpräferenz ausmachen, die in klarem Konflikt mit den Interessen der deutschen und, bei vielleicht etwas gemildertem Kurzfristdenken, auch der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft sind. Die Gefährdung des Geschäftsmodells der Bausparkassen in Europa ist dafür symptomatisch.

Die Niedrigzinspolitik entfaltet im Bankenbereich eine asymmetrische Subventionswirkung. Große, international vernetzte und überwiegend über den Kapitalmarkt finanzierte Institute profitieren zumindest vorübergehend, können aber auch in Zukunft mit dem dauerhaft niedrigen Zinsniveau leben. Regionale, überwiegend über Einlagen finanzierte Banken profitieren von der Zinssenkung, geraten dann aber in Schwierigkeiten, bis hin, wie im Fall der Bausparkassen, zur Infragestellung ihres Geschäftsmodells. Der aggregierte Wettbewerbseffekt dieser Politik, ob nun intendiert oder nicht, stellt eine zusätzliche staatliche Unterstützungsmaßnahme für die Großinstitute dar.

Die Rettungspolitik greift zugleich massiv in die Freiheit des Marktes ein, selbst zu determinieren, welches Geschäftsmodell für Banken wirtschaftlich tragfähig ist. Dies führt zu einer Verarmung der im Markt vorzufinden Bankmodelle.

Sowohl unter Effizienz- als auch Stabilitätsgesichtspunkten ist der Gesamteffekt dieser Politik damit negativ. Bezüglich des Bausparens ist festzuhalten, dass ein von einer Bausparkasse angebotener Bausparvertrag ein effizienter Finanzierungsvertrag sein kann. Diese Effizienz entsteht aus der besonderen Monitoringtechnologie sowie der langfristigen Bindung durch explizite und auch implizite Vertragselemente. Der wirtschaftliche Nutzen aus dieser besonderen Vertragsform ginge bei einer Zerstörung des Geschäftsmodells der Bausparkassen verloren. Daneben würde ein Ausscheiden der Bausparkassen als Sonderform aus dem Markt eine noch stärkere Homogenisierung des Bankensystems bewirken.

Gleiches lässt sich auch hinsichtlich der Effizienz und des Beitrags zur Diversität des Finanzsystems von einigen weiteren Banktypen sagen, die typischerweise auch auf sehr spezifische langfristige Kundenbeziehungen mit deutlichen impliziten Vertragselementen setzen und deren Geschäftsmodelle durch die Niedrigzinspolitik ebenfalls infrage gestellt werden. Auch hier entsteht ein Effizienzverlust durch die Zerstörung langfristiger Kunde-Bank-Beziehungen. Und eine weitere Homogenisierung des Bankensystems, noch dazu im Sinne des oben beschriebenen kapitalmarktlastigen Bankentyps, würde bei Auftreten einer Krise wie ein Brandbeschleuniger wirken.

Den eigentlichen Markttest für ihr Geschäftsmodell haben die deutschen Bausparkassen in der Vergangenheit immer wieder bestanden. Ob dies ihnen auch in Zukunft angesichts des raschen technologischen und gesellschaftlichen Wandels gelingen wird, steht dahin. Der Test, dem sie sich heute ausgesetzt sehen, ist jedoch ein ganz anderer. Können sie gegenüber einem massiven und vor allem dauerhaften staatlichen Eingriff in die Preisbildung am Kapitalmarkt bestehen oder müssen sie ihr besonderes Geschäftsmodell als Kollateralschaden dieser Zentralbankpolitik aufgeben?

Damit verschiebt sich die Problemstellung auf eine politische Ebene. Ist es Deutschland zuzumuten, für die Unterstützung maroder Banken und Staatsfinanzen sowie für eine Belebung der Konjunktur wesentliche Elemente seines Bankensystems in Frage zu stellen? In einer Wohlfahrtsabwägung dürfte der langfristig wirksame Vorteil funktionierender Institutionen in einem Finanzsystem die doch eher kurzfristigen Gewinne aus der auch in ihrer anderweitigen Wirksamkeit durchaus zu hinterfragenden Maßnahmen der Europäischen Zentralbank wohl überwiegen.

Fussnote

Der Beitrag wurde vor der Ankündigung der Bundesregierung, das Bausparkassengesetz zu reformieren, erstellt und geht damit nicht explizit auf die geplanten Änderungen ein.

Der Autor Prof. Dr. Hans-Peter Burghof - Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen, Universität Hohenheim, Stuttgart
Prof. Dr. Hans-Peter Burghof , Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen , Universität Hohenheim, Stuttgart
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