Offene Immobilienfonds

Comeback eines Totgesagten

Michael Schneider

Offene Immobilien-Publikumsfonds haben einige schwierige Jahre hinter sich, in denen sie mehrfach Negativschlagzeilen machten. Doch das Blatt scheint sich gewendet zu haben. Nach Regulierungen und Behebung der gravierendsten Schwachstelle, der Fristeninkongruenz, präsentiert sich der offene Immobilien-Publikumsfonds nun wieder als eine Anlagemöglichkeit für langfristig orientierte und risikoscheue Privatinvestoren - trotz eines gewissen Flexibilitätsverlusts. Die ersten neuen Fonds nach der aktuellen Rechtslage sind bereits aufgelegt, einige Fondspioniere stehen mit kleineren und fokussierteren Strategien in den Startlöchern. Offene Bestandsfonds sind umgestellt und viele sammeln wieder Anlegergelder ein. Doch Vorsicht: Zwar ist die Gefahr eines unkontrollierten Abflusses liquider Mittel durch die Regulierung gebannt, dafür gilt es nun, einem zu starken Mittelzufluss entgegenzutreten, da eine zu hohe Liquidität im Fonds angesichts des Niedrigzinsumfelds die Rendite belasten würde. Red.

Die offenen Immobilien-Publikumsfonds sind immer noch eines der Schwergewichte am Immobilien-Investmentmarkt in Deutschland. Die in der Statistik des Fondsverbands BVI berücksichtigten 40 Fonds kamen Ende März 2015 zusammen auf ein Netto-Fondsvermögen in Höhe von 81,6 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Marktkapitalisierung der im Immobilienindex Dimax enthaltenen Immobilien-AGs beläuft sich nach aktuellen Daten auf 46,1 Milliarden Euro. Auch wenn eine Eins-zu-Eins-Gegenüberstellung beider Kennzahlen nicht möglich ist, zeigt sich an ihnen doch die unverändert große Bedeutung der offenen Immobilien-Publikumsfonds für private Anleger.

Zur Wahrheit gehört, dass von gut 82 Milliarden Euro knapp ein Fünftel auf Produkte entfällt, die sich als Ergebnisse der Fondskrise derzeit in Abwicklung befinden. Dennoch steht der Sektor bei Privatanlegern wieder hoch im Kurs. Auf der Suche nach attraktiven Renditen legen Investoren ihr Geld wieder verstärkt in offenen Immobilien-Publikumsfonds an, um von den boomenden Immobilienmärkten zu profitieren. Das belegen die hohen und steigenden Netto-Mittelzuflüsse in den vergangenen Monaten. Nach Erhebungen des BVI stiegen sie bereits im ersten Quartal 2015 auf 1,2 Milliarden Euro, nach 260 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.

Konstruktionsfehler behoben

Das zurückgewonnene Vertrauen der Privatanleger ist nicht zuletzt das Ergebnis der umfassenden Neuregulierung des Sektors, die mit der Einführung des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) ihren vorläufigen Abschluss fand. Die wesentliche Schwachstelle - manche sprachen auch von Konstruktionsfehler - des Vehikels wurde dadurch behoben: Nämlich die Fristeninkongruenz innerhalb des Produkts, die sich aus dem der Natur nach eher langfristigen Investment in Immobilien auf der einen und der Möglichkeit, Anteilscheine täglich zurückgeben zu können, andererseits ergab. Letzteres war wesentlich dafür, dass offene Immobilien-Publikumsfonds von zahlreichen großen Investoren als ein jederzeit liquides Produkt mit vergleichsweise attraktiver Verzinsung angesehen wurden: Die perfekte Alternative zum Geldmarkt, bei der sich überschüssige Liquidität kurzfristig parken ließ.

Unabhängig von der Antwort auf die Frage, was genau letztlich den Ausschlag dafür gab, dass Anleger im großen Stil Mittel aus den Fonds abzogen, ist klar, dass dieses Modell auf Dauer so nicht funktionieren konnte. Durch die bei diversen Fonds erforderliche zeitweise Aussetzung der täglichen Anteilscheinrücknahme wurden die Vehikel zwar zunächst stabilisiert und eine unkontrollierte Abwicklung einschließlich möglicher Notverkäufe abgewendet. Doch für die Initiatoren ergab sich daraus dennoch ein Problem, wurde doch die tägliche Kapitalverfügbarkeit seitens der Anbieter gerne im Vertrieb und Marketing nach vorne gestellt. Dieses Vertriebsversprechen war nicht mehr zu halten.

Bereits mit dem 2011 beschlossenen Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz wurde durch die Einführung von Mindesthalte- und Kündigungsfristen für die Anleger in offenen Immobilien-Publikumsfonds das Problem der Fristeninkongruenz gelöst. Die Regelungen wurden auch in das KAGB übernommen. So müssen Investoren ihre Anteile mindestens 24 Monate nach Erwerb halten und können sie zudem nur mit einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten zurückgeben. Die Anmeldung der Rückgabe kann allerdings bereits während der Mindesthaltedauer eingereicht werden, sodass eine Rückgabe der Anteile nach zwei Jahren möglich ist.

Erhöhter Schutz, geringes Risiko

Diese Fristen verschaffen den Emittenten Handlungsspielraum, um auf etwaigen erhöhten Kapitalbedarf rechtzeitig reagieren zu können. Für die avisierten Zielkunden bedeuten diese Neuerungen zwar einen gewissen Verlust an Flexibilität. Wer offene Immobilien-Publikumsfonds allerdings als das sieht, was sie dem Wesen nach sind, dürfte dieses Manko als nicht allzu gravierend betrachten, denn die Halte- und Kündigungsfristen tragen dem Charakter des Vehikels als langfristige Anlage in Immobilien für private Investoren Rechnung. Zudem erhalten die Anleger dadurch einen erhöhten Schutz und ein geringeres Risiko, dass der Fonds geschlossen wird und/oder Bestandsobjekte mit hohem Zeitdruck - und somit vermutlich auch mit Renditeeinbußen - verkaufen muss.

Lange Zeit sah es so aus, dass vor allem die von Initiatoren aus dem Verbund der Banken mit großem Retail-Geschäft aufgelegten offenen Immobilien-Publikumsfonds den Markt bestimmen werden. Alleine Deka (Sparkassen) und Union Investment (Genossenschaftliche Finanzgruppe) bündeln 41,8 Milliarden und damit etwas mehr als die Hälfte des Fondsvermögens von offenen Immobilien-Publikumsfonds. Auf den Plätzen folgen die Deutschen Asset und Wealth Management (Deutsche Bank) und die Commerz-Real (Commerzbank). Die Vertriebskraft ihrer Muttergesellschaften sichert ihnen den direkten Zugang und auch kontinuierlichen Zufluss von Anlegergeldern, so ein Argument.

Neue Fondspioniere

Mittlerweile mehren sich aber die Zeichen, dass sich die Anbieter- und Produktlandschaft künftig wieder bunter gestalten könnte. So stammt der erste offenen Immobilien-Publikumsfonds, der nach der Neuregulierung an den Start ging, von einem Anbieter ohne direkte Anbindung an ein engmaschiges Retail-Banken-Netz. Kanam Grund ging im vergangenen Jahr mit dem Leading Cities Invest an den Start. Der Fonds investiert weltweit in Immobilien aus verschiedenen Sektoren in Städten, die durch das Fondsmanagement mittels eines eigenen Scoring-Modells als besonders zukunftsfähig eingestuft wurden. Zum Jahresende 2014 hielt der Fonds sieben Objekte, das Immobilienvermögen wurde mit 34,8 Millionen Euro angegeben. Mittlerweile hat mit der zur Deutschen Bank gehörenden RREEF Investment einer der großen Anbieter mit einem neuen Fonds nachgezogen; weitere Anbieter stehen dem Vernehmen nach in den Startlöchern.

Die im Vergleich zu den "Dickschiffen" eher kleinen Dimensionen der Fondspioniere geben einen Hinweis darauf, wie die Fonds neuer Prägung insgesamt aussehen könnten: eher kleiner und mit einer stärker spezialisierten beziehungsweise fokussierten Strategie. Geeignete Immobilien zu finden, ist dabei auch für die offenen Immobilien-Publikumsfonds im gegenwärtigen Marktumfeld die größte Herausforderung, während der Zufluss neuer Mittel gewährleistet zu sein scheint.

Gefahr des zu starken Mittelzuflusses

Die Liquiditätssteuerung ist also weiterhin ein zentrales Thema bei offenen Immobilien-Publikumsfonds. Nur, dass sie im Vergleich zur Krise der Jahre 2005 folgende unter genau umgekehrten Vorzeichen steht: Die Gefahr eines unkontrollierten Abflusses liquider Mittel ist durch die Regulierung gebannt. Vielmehr gilt es nun offenbar, einem zu starken Mittelzufluss entgegenzutreten. Denn eine zu hohe Liquidität im Fonds belastet angesichts des Niedrigzinsumfelds die Rendite. Ein Faktor, mit denen nahezu alle Initiatoren zu kämpfen haben. Auch in Gesprächen mit Asset Managern, die über die Auflage eines neuen Fonds nachdenken, ist dieser Punkt stets ein wichtiges Thema.

Dabei sind Kapitalflüsse in den Fonds hinein seitens des Anbieters besser steuerbar. Ein Weg, den dem Vernehmen nach viele Anbieter gehen, sind Kontingente für den Vertrieb von Anteilen, bei deren Erreichen der Verkauf von Fondsanteilen gestoppt wird. Das Management des Leading Cities Invest operiert mit sogenannten Cash-Calls. Dabei wird offenbar stets nur so viel Geld von Anlegern eingesammelt, wie für den Erwerb eines bereits in der Ankaufspipeline befindlichen Objekts erforderlich ist. Ist dieser Wert erreicht, wird der Verkauf weiterer Anteile gestoppt. Auf diese Weise soll nach Darstellung des Anbieters verhindert werden, dass zu viel ungenutzte Liquidität die Rendite drückt.

Hohe Aufwendungen für die KVG

Aus Perspektive der Privatanleger stehen auch die neuen offenen Immobilien-Publikumsfonds für die Möglichkeit, flexibel und mit geringem Aufwand in Immobilien zu investieren. Und sie können trotz der Mindesthalte- und Kündigungsfristen relativ einfach aus ihrem Investment wieder aussteigen. Das gilt im Vergleich zur Direktanlage, aber auch gegenüber anderen Alternativen wie dem Weg über geschlossene Fonds. Die bessere Risikostreuung, die sich aus der Größe der Portfolios ergibt, und die Schutzwirkung des Sondervermögens im Falle der Insolvenz des Initiators kommen als weitere Vorteile hinzu.

Anbieter wiederum profitieren bei offenen Fonds von eingespielten und standardisierten Prozessen - auch mit der BaFin. Die tendenziell kleineren Volumina der "Neuen" bedeuten allerdings auch, dass die Aufwendungen für Steuerung, Risikomanagement und Reporting aus den Erträgen eines kleineren Immobilienportfolios heraus getragen werden müssen. Effizienz in den Prozessen und Strukturen werden damit besonders wichtig. Zwar bewegten sich offene Immobilien-Publikumsfonds auch schon vor dem KAGB in einem regulierten Umfeld, doch die Anforderungen an Reporting und Verwaltung haben sich noch einmal erhöht.

Neben der laufenden Berichterstattung an die Anleger muss unter anderem die Verwahrstelle regelmäßig mit Dokumenten versorgt werden und das interne Risikomanagement erfordert umfangreiche Analysen und Berichte. All das stellt hohe Anforderungen an eine KVG - von der IT-Infrastruktur über abgestimmte Prozesse bis hin zum entsprechenden Know-how im Unternehmen. Der Weg, den Fonds über die Plattform einer Service-KVG aufzulegen und administrieren zu lassen, bietet sich analog zur Situation bei Immobilien-Spezial-AIF somit als Alternative an.

Das Service-KVG-Konzept im Immobilienbereich bietet Vorteile für alle Beteiligten, da die einzelnen Partner sich auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen konzentrieren können. Die Anleger wiederum profitieren von ausgewiesenen Immobilienspezialisten für ihre Fonds und mit der KVG von einem unabhängigen Dritten, der die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und das Reporting sicherstellt.

Geringer Kapitaleinsatz, attraktive Rendite

Bei überschaubarem Risiko bieten die offenen Immobilien-Publikumsfonds Privatanlegern die Möglichkeit, auch mit geringem Kapital in ein diversifiziertes Immobilienportfolio zu investieren und damit eine vergleichsweise attraktive Rendite zu erzielen. Eine neuerdings eingeschränkte Fungibilität scheint - bei den sonst nicht fungiblen Alternativen - somit kein Hinderungsgrund zu sein.

Noch gibt es nur wenige neue Anbieter am Markt, aber einige Akteure stehen bereits in den Startlöchern. Ähnlich wie im institutionellen Geschäft ist zu erwarten, dass sukzessive eine breit gefächerte Landschaft mit mehreren spezialisierten Anbietern und einer Vielzahl von Produkten entstehen wird. Und das ist doch eine gute Nachricht für private Anleger.

Der Autor

Michael Schneider Geschäftsführer, IntReal International Real Estate Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, Hamburg

Michael Schneider , Geschäftsführer , IntReal International Real Estate Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, Hamburg
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