Immobilienwirtschaft 4.0

Digitale Prozesse sparen Wohnungsunternehmen Zeit und Geld

Holger Hentschel COO, LEG Immobilien AG, Düsseldorf

Die Digitalisierung macht auch vor der Wohnungswirtschaft nicht Halt. Der Autor des folgenden Beitrags gewährt einen tiefgründigen Einblick in die digitale Strategie eines der größten deutschen Wohnungsunternehmen. Dort wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Initiativen ergriffen, um bislang analoge Kernprozesse nach und nach durch digitale zu ersetzen. Dazu zählen unter anderem die Einführung einer elektronischen Mieterakte, ein cloudbasiertes Dokumentenmanagement sowie ein digitaler Rechnungsverkehr. Die Grundlage des Wohnungsbestandsmanagements bildet dabei eine integrierte Bewirtschaftungsplattform. Laut Autor birgt der eingeschlagene Weg im Übrigen nicht nur für die Unternehmen selbst großes Potenzial. Auch Mietern könnten dank digitaler Prozesse schnellere und simplere Verfahren geboten werden. Red.

Die digitale Welt wird von der LEG Immobilien AG dazu genutzt, um die Produktivität zu erhöhen, Mieterzufriedenheit herzustellen und Prozesse miteinander zu verzahnen. Dabei werden digitale Abläufe wie elektronische Mieterakte oder webbasierte Vermietungstools genauso eingesetzt wie Apps und Online-Plattformen als moderne Kommunikations- und Informationsverfahren. Die Digitalisierung hat längst auch die professionelle Wohnungswirtschaft erreicht. Moderne Kommunikationsprozesse und die Digitalisierung bestimmen bereits mehr und mehr den Arbeitsalltag in den Immobilienunternehmen. Mit digitalisierten Verfahren lassen sich Prozesse in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen beschleunigen und auch kostengünstiger abwickeln.

Dabei wurde sehr früh mit der Digitalisierung der Prozesse begonnen. Angefangen hat die umfassende Digitalisierungsstrategie mit der Umstellung auf ein modernes, SAP-basiertes ERP-System. Somit konnte die LEG bereits 2013 für den Einsatz eines IT-gestützten Steuerungssystems für das Kundenbeziehungsmanagement den DW Zukunftspreis der Immobilienwirtschaft gewinnen, der unter dem Motto "Web 2.0 - Digitalisierung in der Wohnungswirtschaft" stand. Mit dem Gewinn wurden die Bestrebungen unseres Unternehmens, interne und externe Prozesse mithilfe fortschrittlicher IT-Instrumente zu digitalisieren, honoriert. Seither wurden sowohl im administrativen, personellen und auch wohnungswirtschaftlichen Bereich viele Verfahren auf eine digitale Basis gestellt.

Integrierte Plattform zur Hebung von Effizienzen

Die LEG bewirtschaftet 130 000 Wohnungen in Nordrhein-Westfalen. Der Bestand wird über eine integrierte Bewirtschaftungsplattform gemanagt, das bedeutet, dass auf Basis eines einheitlichen IT-Systems, einer einheitlichen Prozesslandschaft und durch intelligente Schnittstellen Effizienzen im Unternehmen gehoben werden. Dazu zählen beispielsweise:

- Um Prozesse zu verschlanken und Informationen standardisiert zur Verfügung stellen zu können, wurde bereits Anfang 2014 eine elektronische Mieterakte (ElMa) konzernweit eingeführt. Dafür wurden zunächst im SAP Blue-Eagle-System die entsprechenden technischen Voraussetzungen geschaffen. Die Einführung von ElMa hatte zum Ziel, alle Schriftdokumente, die im Zusammenhang mit den Mietern des Immobilienunternehmens stehen, zu digitalisieren und konzerneinheitlich in SAP zu integrieren. So wurde durch ElMa eine schnelle digitale Dokumentenverfügbarkeit erreicht. Natürlich wurden die Mitarbeiter, die mit mietvertragsrelevanten Daten arbeiten, entsprechend von uns geschult.

- Seit 2015 wird das gesamte digitale Archiv des Immobilienunternehmens auf der cloudbasierten Dokumentenmanagement-Plattform "Doku@web" von Datasec gespeichert. Mit der Auflösung des digitalen Inhouse-Archivs der LEG hat Datasec die revisionssichere Langzeitspeicherung übernommen und zeichnet seither für die Pflege und Verwaltung sämtlicher Dokumente verantwortlich. Die Datasec-Information-Fctory erfasst und klassifiziert für die LEG die gesamte Eingangspost, die in den jeweiligen Standorten des Unternehmens digitalisiert wurde, und stellt sie den Mitarbeitern über die elektronische Mieterakte bereit.

- In Verbindung mit der Einführung des Doku@web wurde gleichzeitig auch der Rechnungsverkehr digitalisiert. LEG-Rechnungen aller Art wie für Instandhaltungen, für Sach- und Verwaltungskosten sowie seit Anfang 2016 auch für Betriebskosten werden seit 2015 an ein zentrales Postfach versendet. Von dort aus werden sie direkt an den Scan-Dienstleister des Unternehmens weitergeleitet und entlasten damit das Dokumentenvolumen des Unternehmens. Die Einführung dieser neuen zentralen Adresse und die anschließende Digitalisierung des Schriftverkehrs hat Vorzüge wie eine verkürzte Zeit des Rechnungsausgleichs oder die direkte Zuordnung der Rechnungen zum Auftraggeber und zur Kostenstelle. Damit wurde der Bearbeitungsaufwand für alle Beteiligten gesenkt und ein reibungsloser Austausch von Rechnungsdokumenten sichergestellt.

- Mit der Einführung von i-Pads und i-Phones wurden die Voraussetzungen geschaffen, LEG-weit bei allen möglichen Prozessen eine mobile Unterstützung zu nutzen. Die LEG hat unter anderem ihre Hauswarte frühzeitig mit Tablets ausgestattet. Mit der Hilfe dieser Geräte können Prozesse, wie Wohnungsabnahmen oder die Verkehrssicherung digital aufgenommen und die erfassten Daten gleich weiterverarbeitet werden. Auch Vermieter wurden (für mehr Mobilität) mit digitalen Endgeräten ausgestattet.

- Zur Entlastung unserer Mitarbeiter wurde mit P2P ("Purchase to Pay") ein System eingeführt, dessen Ansatz es ist, Investitionsprozesse vom Bedarf bis hin zur Abrechnung digital abzubilden. Die papierlose Abwicklung schafft eine hohe Transparenz und entlastet die Mitarbeiter - zum Beispiel bei Materialbestellungen.

- In einem Pilotprojekt testet die LEG zurzeit den Einsatz von virtuellen Wohnungsbegehungen mithilfe von "Immoviewer".

Verschlankung von Prozessen

Im Bereich der Leerwohnungssanierung wurde der Prozess vollständig digitalisiert. Wohnungen, deren Mieter gerade ausgezogen sind und die einen Sanierungsbedarf haben, verursachen, je länger sie nicht vermietbar sind, hohe Kosten. Deswegen wurden auch in diesem Bereich analoge Prozesse nach und nach durch digitale ersetzt. So kommt seit 2016 nach Eingang eines Wohnungskündigungsschreibens und dessen Verarbeitung über die SAP-Unternehmenssoftware die Handwerkermanagementplattform Doozer ins Spiel.

Wurden in der Vergangenheit notwendige Instandhaltungen von den zuständigen Hauswarten noch in einer persönlichen Begehung händisch erfasst und später aufwendig ins SAP-System eingespeist, macht Doozer diese Prozesse schneller und zum Teil automatisiert. 2016 wurde das gleichnamige Startup Doozer von Aareon unter Vertrag genommen und die Plattform in das bestehende SAP-System der Düsseldorfer integriert.

Vor der Nutzung der Plattform haben Faktoren wie eine ungenügende Verzahnung der verschiedenen Softwarekomponenten oder die mitunter aufwendige Suche nach Handwerksfirmen viel Zeit gekostet. Mit Doozer können mittlerweile Prozesse, die früher Wochen beansprucht haben, innerhalb einer Stunde veranlasst werden. Damit ist die Plattform ein logischer Schritt auf unserem eingeschlagenen Weg der Digitalisierung unserer Kernprozesse. Sie optimiert nicht nur Prozesse, sie bietet auch den Mietern den Vorteil, dass leergezogene Wohnungen schneller neuvermietet werden können.

Die Hauswarte begehen mit der installierten Doozer-Version auf ihrem Tablet leerstehende Wohnungen und können direkt über die Plattform anstehende Sanierungsprozesse beauftragen. Dabei berechnet das Programm die Flächen mit Hilfe intelligenter Algorithmen anhand weniger Parameter wie zum Beispiel der Gesamtfläche und der Deckenhöhe automatisch.

Im Anschluss können gewünschte Leistungen analog zur Handhabung eines Onlineshops per "Drag and Drop" ausgewählt und in den Warenkorb gelegt werden. Ausgesucht werden können so zum Beispiel Malerpakte, Bodenbelagsarbeiten oder Badsanierungen. Für eine übersichtliche Kalkulation sorgen festgelegte Preispakete, die nach der Konfiguration in der Bestellschein-Übersicht zusammenfassend dargestellt werden.

Eine neue Form des Freigabemanagements

Das System hat Freigabe-Strategien hinterlegt, die per Infomail automatisch die jeweils Verantwortlichen ansteuern. Dabei wird unterschieden, wie komplex der Freigabeprozess, angepasst an die jeweils georderten Leistungen, sein muss. So reicht für eine einfache Fensterreparatur, die ein Hauswart aufnimmt, die Freigabe des jeweiligen Vermieters. Komplexere Maßnahmen gelangen über die Plattform automatisch an die entsprechende Freigabestelle. Die durch Doozer optimierten Prozesse haben für die LEG eine hohe Bedeutung. Umso schneller leergezogene Wohnungen wieder in einem ordnungsgemäßen Zustand sind, umso schneller können wir sie wieder in die Vermietung geben und umso schneller sind sie für potentielle Mieter wieder auf dem Markt verfügbar. Darüber hinaus haben die Hauswarte mehr Zeit gewonnen, die sie für andere Belange unserer Mieter einsetzen können.

Ein weiterer Vorteil: In Zeiten, in denen Fachkräfte oft Mangelware sind, geben die im System hinterlegten Generalunternehmen die Sicherheit, dass ausstehende Aufträge auch zeitnah erledigt werden. So übernimmt die Lösung die für die Leerstandsbehebung relevante Terminplanung, wobei die gesamte Terminkoordination automatisch abläuft. Ergänzend wirkt hier ein sogenannter Aktivierungsrechner, der Informationen zur Aktivierbarkeit der ausgewählten Sanierungsmaßnahmen beinhaltet. Ein weiteres nützliches Tool ist der Vermietungsrechner, der Hintergrundinformationen zur Vermietbarkeit einer Wohnung - beispielsweise bestehende Mietpreisbremsen oder Vergleichsmieten des jeweiligen Postleitzahlengebiets - bereithält. Weil jede neue Lösung in der Praxis Verbesserungspotenzial zeigt, arbeiten die LEG, die LEG-eigene IT-Gesellschaft LCS und Doozer in einem kontinuierlichen Prozess an weiteren Optimierungen.

Digitale Angebote für Mieter

In naher Zukunft wird die Digitalisierung auch für unsere Mieter schnellere und simplere Verfahren bieten. So sind Messengerdienste wie Whatsapp oder der Facebook-Messenger bei vielen digitalen Smartphone- und auch Tablet-Nutzern eine sehr beliebte Kommunikationsform. Um diesen Nutzungsgewohnheiten entgegen zu kommen, arbeiten wir zurzeit an einer Messengerapp, die es unseren Neukunden ermöglichen wird - analog zur beliebten, privaten Whatsapp-Kommunikation - sich schnell und unkompliziert über für sie interessante Mietangebote zu informieren. Zukünftig werden sie von der Anwendung bis zur Vereinbarung eines Besichtigungstermins geführt, ab da übernimmt ein persönlicher Gesprächspartner.

Auch für die Bestandskunden arbeitet die LEG an digitalen Innovationen. So wird der Internetauftritt zukünftig um ein Mieterportal und eine dazugehörende Mieter-App ergänzt werden. Darüber erhalten Bestandskunden, nachdem sie sich registriert haben, noch schneller Einblicke zum Beispiel in ihr persönliches Mieterkonto. Aber auch weitere Anliegen, wie das Herunterladen von mieterrelevanten Formularen, der Zugriff auf seine persönlichen Daten und die Aufnahme und Weiterleitung von Fragen werden darüber möglich sein. Und schließlich können eventuelle Schadensmeldungen aufgenommen und direkt an unseren Dienstleister TSP weitergeleitet und die Reparatur unmittelbar veranlasst werden.

Portal und App sind weitere Meilensteine auf unserem Weg zu einer Verbesserung des Kundenservices. Mithilfe der App können Mieter bald unabhängig von Zeit und Raum sowie rund um die Uhr mit uns Kontakt aufnehmen. Darüber hinaus wird derzeit in Monheim mit einem digitalen "Schwarzen Brett" eine weitere Innovation getestet, die den Mietern bald zugutekommen könnte. Durch diese Technik gelangen für Mieter relevante Informationen auf schnellstem Wege direkt in ihre Hausflure.

Beschleunigte Prozesse im Personalbereich

Auch im Personalbereich wurden im Laufe der Jahre viele ehemals analoge Prozesse in einen digitalen Workflow übernommen. So hat die LEG Mitte 2014 konzernweit eine elektronische Arbeitszeiterfassung eingeführt. Daten wie Arbeitsbeginn und -ende, aber auch Urlaubsanträge oder Gleittage werden seither über das "Self-Service-Portal" erfasst. Dies ist - wie die bereits eingangs beschriebenen digitalen Prozesse - ebenfalls an die von dem LEG-Vertragspartner Aareon speziell für das Wohnungsunternehmen entwickelte SAP-Lösung angebunden.

Seit Anfang dieses Jahres werden auch die Kosten für Reisen und Fahrten über dieses Portal elektronisch erfasst. Der Vorteil der digitalen Prozessoptimierung liegt darin, dass die Weiterleitung der Daten nicht mehr auf dem Papierwege, sondern elektronisch erfolgt, gleiches gilt für die Reisefreigabe.

Die Wohnungswirtschaft verändert sich Schritt für Schritt und unaufhaltsam. In den Bereichen Prozessautomatisierung, neue Gebäude- und Wohntechniken sowie bei digitalen Services werden immer neue Ideen entwickelt und auch umgesetzt. Die Digitalisierung ist in diesen Bereichen heute schon nicht mehr wegzudenken.

Und in Zukunft werden Weiterentwicklungen wie zum Beispiel Systeme mit "künstlicher Intelligenz" oder "Virtual Reality" Einzug in die Branche halten und die wohnungswirtschaftlichen Massenprozesse und das Kundenmanagement revolutionieren. Dazu bietet die systematische Digitalisierung der Wohnungswirtschaft den Einstieg in neue Geschäftsmodelle, die eine Partizipation der Branche an Mehrwerten zusammen mit digitalen Partnern möglich macht.

Um den digitalen Wandel in unserem Unternehmen rasant weiter voranzutreiben, wurde dieses Thema unter anderem dem neu gegründeten Bereich "Innovationsmanagement" übertragen.

Der Autor Holger Hentschel COO, LEG Immobilien AG, Düsseldorf
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