Immobilienwirtschaft 4.0

Digitales Gebäudemanagement für gesunde Kommunalhaushalte

Uwe Hehl, Geschäftsbereichsleiter, Gebäudewirtschaft Mainz, Mainz

Für mehr digitale Aufgeschlossenheit bei der Immobilienverwaltung von Kommunen in der digitalen Welt wirbt der Autor dieses Beitrages. Als Beispiel zieht er die Stadt Mainz heran, die ihre Immobilienkosten von derzeit 50 Millionen Euro mittels Digitalisierung senken möchte. Und zwar durch die Einführung einer SAP-Software in Zusammenarbeit mit der Berliner Promos Consult. Das Aufgabenspektrum umfasse neben den klassischen Facility-Management-Dienstleistungen auch die Planung und Ausführungssteuerung für Neubauten und Modernisierungsmaßnahmen. Zu den Software-Nutzern zählen demnach nicht nur die Fachabteilung der Stadtverwaltung, sondern auch die vor Ort zuständigen Angestellten wie Hausmeister oder Schulsekretäre. Insbesondere in der Verwaltung sei das Optimierungspotenzial enorm. Ausführlich wird auch auf die technischen Abläufe der Prozesse eingegangen. Red.

Je größer eine Kommune ist, desto höher ist die Bereitschaft für eine Digitalisierungsstrategie. 70 Prozent der deutschen Städte über 20 000 Einwohner beschäftigen sich derzeit aktiv mit einer Umstellung ihrer Arbeitsprozesse auf digitale Plattformen. Ein maßgeblicher Bereich hierbei ist das kommunale Gebäudemanagement. Die Stadt Mainz setzt bei der kontinuierlichen Reduzierung ihrer laufenden Immobilienkosten von jährlich 50 Millionen Euro auf SAP-Software in Zusammenarbeit mit der Berliner Promos Consult. Mithilfe der Vernetzungsplattform Easysquare ist zuletzt eine Lösung für die Verknüpfung von stationären und mobilen Arbeitsprozessen gefunden worden.

Die Abkehr von analogen Arbeitsprozessen ist ein unaufhaltsamer Vorgang mit erheblichem Umwälzungspotenzial. Zwar ist der wesentliche Treiber dieser Entwicklung die Privatwirtschaft, die nach einer repräsentativen Umfrage von Pricewaterhouse-Coopers (PwC) Deutschland allein bis 2020 40 Milliarden Euro in die Digitalisierung investieren wird. Doch die Öffentliche Hand kann unter ihren spezifischen Bedingungen einen ebenbürtigen Beitrag für schlankere Strukturen und höhere Prozesseffizienz leisten.

Einen Schwerpunkt der Digitalisierung in den Gemeinden stellt natürlicherweise die öffentliche Verwaltung dar. Die deutschen Kommunen mit einer eigens formulierten Digitalisierungsstrategie haben laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) mit über 90 Pro zent die Verwaltung als Segment mit dem größten Effizienzpotenzial identifiziert, gefolgt von den Sektoren Bildung und Verkehr. Ein maßgeblicher und kos ten trächtiger Faktor innerhalb der Kommunalverwaltung ist die Gebäudebewirtschaftung. Denn weiterhin sind die öffentlichen Institutionen der größte Immobilien-Bestandshalter des Landes. Zum Portfolio zählen zudem Liegenschaften, Denkmäler, Straßen und Plätze.

Aufstockung des kommunalen Immobilienportfolios

Mit ihren 210 000 Einwohnern befindet sich die Stadt Mainz im Mittelsegment der deutschen Städte. Die Lage in der Metropolregion Rhein-Main und die Hauptstadtfunktion in Rheinland-Pfalz haben in den vergangenen Jahren zu wirtschaftlichem Wachstum und Bevölkerungszuwachs geführt. Damit verbunden ist eine Aufstockung des kommunalen Immobilienportfolios. Die Bandbreite der Gebäude im städtischen Eigentum reicht von Schulen, Museen, Sporthallen, Behördensitzen über Schwimmbäder bis hin zu Feuerwehrgebäuden. Wohnhäuser fallen in die Zuständigkeit der städtischen Wohnungsunternehmen. In der Gesamtheit verantwortet die Gebäudewirtschaft Mainz rund 600 Objekte, die sich auf eine Bruttogeschossfläche von 725 000 Quadratmetern verteilen.

Seit Jahresbeginn 2016 umfasst das Aufgabenspektrum neben den klassischen Facility-Management-Dienstleistungen auch die Planung und Ausführungssteuerung für Neubauten und Modernisierungsmaßnahmen. Pro Jahr fallen Bewirtschaftungskosten von 49,5 Millionen Euro an, bis 2018 ist ein Investitionsvolumen von 160 Millionen Euro vorgesehen. Die städtischen Immobilien liegen damit in der Spitzengruppe der kommunalen Ausgabeposten.

Innerhalb eines vom Deutschen Städteund Gemeindebund um das Jahr 2 000 initiierten Prozesses begann die Digitalisierung der Immobilienbewirtschaftung mit einer Bestandsaufnahme. Die Benennung der einzelnen Objekte mit einer individuellen ID samt Kategorisierung ist das grundlegende Fundament jedes Digitalisierungsprozesses. Für die Erlangung eines aussagekräftigen Datenbestands gilt es daran anschließend, jeden objektbezogenen Vorgang zu dokumentieren und die auf verschiedenen Kanälen gesammelten Informationen im zentralen IT-System zusammenzuführen.

Die Konzentration von energetischen Messdaten, Nutzermeldungen oder Instandhaltungsmaßnahmen führt zu einer Datenfülle, die ein eigenes ERP-System (Enterprise-Ressource-Planning) unabhängig von anderen kommunalen Verwaltungssegmenten unabdingbar macht. Dies gilt unabhängig davon, ob das Gebäudemanagement in einer Amtsabteilung oder einer städtischen Gesellschaft gebündelt wird. Vier von fünf kommunalen Unternehmen greifen bei der Einrichtung und Vernetzung eines ERP-Systems und der damit verbundenen Planungssoftware auf externe Dienstleister zurück. Seit 2007 arbeitet die Stadt Mainz im Immobilienmanagement mit dem Berliner Unternehmen Promos Consult zusammen, das sich auf SAP-Systeme für immobilienbezogene Anwendungsfelder spezialisiert hat. Die Software-Lösungsbibliothek Promos.GT bietet den Vorteil, einzelne Bausteine je nach Bedarf auszuwählen und sie in ein einheitliches Gewand gemäß den Corporate Design-Richtlinien zu kleiden.

Transparenz und intuitive Anwendbarkeit entscheidend

Digitales Gebäudemanagement muss zwei Hauptkriterien erfüllen, um zur effektiven Arbeits- und Kostenentlastung zu führen: Transparenz im Sinne einer vollständigen Dokumentation der mit dem Objekt verbundenen Prozesse und intuitive Anwendbarkeit für eine nahtlose Aufgabenzuordnung an neue Mitarbeiter. Denn zu den Software-Nutzern zählen nicht nur die Fachabteilung der Stadtverwaltung, sondern auch die vor Ort zuständigen Angestellten wie Hausmeister oder Schulsekretäre. Für die Datenübertragung vom Objekt in das zentrale IT-System sind Tablets im Einsatz: Aufträge gelangen per Push-Nachricht in den Posteingang, die objektbezogenen Informationen stehen in synchronisierter Fassung sowohl im ERP als auch im mobilen Endgerät zur Verfügung.

Die in immobilienwirtschaftlichen SAP-Lösungen üblicherweise mit Mietern identifizierten technischen Plätze entsprechen im kommunalen Gebäudemanagement aufgrund einer vergleichsweise geringen Mieterzahl dem jeweiligen Objekt. Mit einem 2015 etablierten standardisierten Ticket-Prozess werden Aufträge unterschiedlicher Herkunft nach einem identischen Muster abgewickelt.

Für die verschiedenen Anfragen liegen vordefinierte thematische Kategorien vor. So können beispielsweise per Telefon, E-Mail, Brief oder persönlich eingetroffene Schadensmeldungen von allen verknüpften Mitarbeitern über das FM-Prozess-Cockpit Tickets mit Easysquare Workflow erfasst werden. Daraufhin wird ein sogenannter Mutterprozess - die Störmeldung - ausgelöst, der festen Kategorien zugeordnet ist und sich bereits in der digitalen Objektakte befindet.

Der daran anschließende Schritt differenziert zwischen interner und externer Ausführung. Dies setzt voraus, dass auch die Dienstleister wie Handwerksunternehmen mit Easysquare verknüpft sind. In einem dritten Schritt kann die Auftragsvergabe revidiert beziehungsweise an weitere Dienstleister delegiert werden. Durch die Vernetzung mit den Dienstleistern ist auf der Basis hinterlegter Rahmenverträge eine sofortige Kostenkalkulation der bevorstehenden Maßnahme möglich.

Jeder Mitarbeiter verfügt über einen persönlichen Arbeitskorb, in dem die anstehenden Aufgaben nach Priorität und Fristen geordnet vorliegen. Von Prozessbeginn bis zum Abschluss fungiert eine Ampel als Statusanzeige für den jeweiligen Arbeitsstand, die Zuständigkeit ist durch die namentliche Angabe des jeweiligen Mitarbeiters ersichtlich.

Flächendeckend mit Tablets ausgestattet

Durch Links ist innerhalb des Prozess-Cockpits die Historie des jeweiligen Objekts ersichtlich. Neben den unveränderlichen Stammdaten sind Vertragsdokumente, erfolgte Instandhaltungsmaßnahmen, Nutzerkorrespondenzen und Rechnungen einsehbar. Ebenso lassen sich relevante gesetzliche Bestimmungen hinterlegen. Sie umfassen laut einer Untersuchung von Rödl & Partner aus dem Jahr 2012 allein für das Facility Management der Öffentlichen Hand rund 2 000 Regularien. Mittels einer Schlagwortsuche können benötigte Informationen der Objektakte rasch gefiltert werden.

Es ist naheliegend, dass die meisten Vorgänge rund um ein Objekt ihren Ursprung vor Ort haben. Die flächendeckende Ausstattung der Objektbetreuer mit einem Tablet ist daher unabdingbar. Mit den für die GWM konzipierten mobilen Formularen in der Easysquare Mobile App ist es nun möglich, Schäden oder Zählerstände mit der Tabletkamera zu dokumentieren und an das zentrale ERP-System zu senden, von wo die Daten Eingang in die Objektakte finden.

Zu den wichtigsten Aktivitäten im Objekt zählt das Energiemonitoring. Moderne Sensorik leistet ihren Beitrag zu exaktem Datenmaterial im Heiz- und Kühlungsverhalten oder dem Stromverbrauch. Im Sinne des "Internet der Dinge" ist hierbei noch viel Potenzial zu heben, doch entscheidend ist die Datenerhebung vor Ort samt unmittelbarer Integration in die Objektakte ohne Schnittstellenprobleme. Die von Promos entwickelte native App ist auch offline funktionsfähig, erst für die Versendung an die Zentrale bedarf es einer Internetverbindung. Für die gesamte Easysquare Plattform besteht ein Firewall-Schutz, die Datenübertragung vom mobilen Endgerät erfolgt als HTTPS-Codierung.

Kein Grund für digitale Vorbehalte

Kommunen sollten bestehende Bedenken bezüglich einer umfassenden Digitalisierung ihrer Angebote aufgeben. Hierbei wurden nach Angaben der GfK aus dem Jahr 2016 insbesondere die niedrige Priorisierung (75 Prozent der befragten Kommunalspitzen) und die fehlende Expertise in der eigenen Verwaltung (70 Prozent) benannt. Wie jede Innovation ist die Einführung einer unterstützenden Software mit finanziellen und zeitlichen Investitionen verbunden.

Ihre Rentabilität kann sich gleichwohl bereits nach kurzer Zeit einstellen: Denn die zentral vorliegende Datenfülle mit Angaben zu Bedarfen und Nutzungseffizienz gibt erst das sichere Fundament für Entscheidungen zu Umbauten zwecks besserer Flächenauslastung, energetischen Sanierungen, Refurbishment oder Desinvestitionen.

Für die Belegschaft muss Digitalisierung eine Erleichterung der Arbeitsabläufe darstellen: Dabei empfiehlt es sich, auf spezialisierte Partnerunternehmen zurückzugreifen, die ihre Lösungen indi viduell nach Kundenwünschen konfigurieren, die Installation und Wartung übernehmen sowie in Schulungen eine frühzeitige Nutzerintegration erreichen.

Die aktive, kontinuierliche Beteiligung der Mitarbeiter am Digitalisierungsprozess bleibt auch nach der Software-Einführung essentiell. Ihre Rückmeldungen, Ideen und Verbesserungsvorschläge sind eine entscheidende Komponente für die bessere Adaptierung des Produkts. Kommunale Digitalisierungsstrategien im Immobiliensektor sind durch die Vielfalt der beteiligten Parteien daher notwendigerweise Teamprozesse zwischen den Fachabteilungen IT und Finanzen, sämtlichen Nutzern und Dienstleistern.

Der Autor Uwe Hehl Geschäftsbereichsleiter, Gebäudewirtschaft Mainz, Mainz
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