Immobilienwirtschaft 4.0

Digitalisierung und Finanzierung - zwei Parallelwelten?

Hans-Peter Trampe, Mitglied des Vorstands, Hypoport AG, Berlin, und Mitglied des Vorstands, DR. KLEIN Firmenkunden AG, Lübeck

Wie ist es um die digitale Innovationsfähigkeit von Banken hinsichtlich ihrer Kundendienstleistungen bestellt? Nach Ansicht des Autors nicht zum Besten: Die Banken nutzen ihm zufolge die zahlreich vorliegenden Daten ihrer Kunden nur unzureichend, obwohl daraus ein Mehrwert sowohl für die Bank selbst als auch für den Kunden entstehen könnte. Was theoretisch möglich wäre, veranschaulicht er unter Verweis auf eine relativ simpel gestrickte App zur Analyse von Weinen. Insgesamt diagnostiziert er im Bereich der Digitalisierung noch "großen Nachholbedarf" für die Kreditinstitute. Dass Digitalisierung und Finanzierung dennoch nicht zwangsläufig Parallelwelten sein müssen, zeige beispielsweise der Erfolg der digitalen Devisenhandelsplattform 360T und des internetbasierten Finanzmarktplatzes Europace. Red.

Um die - zugegebenermaßen etwas provokante - Frage der Überschrift zu beantworten, lohnt sich zunächst einmal ein Blick in die Vergangenheit. Als in den achtziger Jahren in Deutschland das Online-Zeitalter mit Bildschirmtext (quasi ein lokaler Vorreiter des Internets) begann, waren es vor allem drei Branchen, die diesen Dienst kommerziell nutzten: Versandhäuser, die Reiseindustrie wie Lufthansa oder Deutsche Bahn und Banken mit ihren ersten Angeboten zum Online-Banking. Wenn man heute das Angebot dieser drei Branchen im Internet betrachtet, muss man bei der unüberschaubaren Vielfalt von Reiseoder Shoppingportalen zwangsläufig den Eindruck bekommen, dass sich die Banken vergleichsweise nicht wirklich weiterentwickelt haben.

Zahlreiche Erkenntnisse auf Basis eines Fotos

Oder sind die Prozesse von Bankdienstleistungen einfach nicht dazu geeignet, diese zu digitalisieren? Auch hier lohnt sich der Blick über den Tellerrand. Kennen Sie die App "Vivino"? Durch das Fotografieren eines Weinetiketts erhält der Nutzer dieser App Informationen zum Preis des Weins, wo er diesen Wein bestellen kann, wie die Internet-Community den Wein bewertet, wann die beste Trinkreife ist, zu welchem Essen der Wein am besten passt und bei einem Cuvée sogar, aus welchen Rebsorten der Wein besteht. Basis für die Vielzahl dieser Informationen ist häufig nur einzig die Bezeichnung des Weins. Obwohl der Nutzer dieser App nur ein Minimum an Daten zur Verfügung stellt, bekommt er sämtliche relevante Informationen geliefert.

Wie könnte eine vergleichbare App in der Bankenwelt aussehen? Der Bankkunde fotografiert eine Rechnung ab, die die Banking-App in eine Überweisung umwandelt. Nach entsprechender Legitimation beauftragt der Kunde die Überweisung. Das immerhin gibt es bei den ersten Banken inzwischen.

Aber denken wir doch mal weiter: Die App schlägt dem Kunden vor, doch erst nach Monatsultimo beziehungsweise entsprechendem Gehaltseingang die Überweisung auszuführen, da sonst das Konto überzogen wird und erhöhte Zinsen zu zahlen wären. Parallel bietet die App an, die Kontokorrentlinie zu erhöhen, da das ansonsten zuverlässige Zahlungsverhalten des Kunden durch die automatische Analyse der Kontobewegungen dokumentiert ist. Oder es wird gleich ein Ratendarlehen angeboten, um unnötig hohe Zinsen zu vermeiden.

Gegebenenfalls notwendige Unterlagen, wie zum Beispiel ein aktueller Gehaltsnachweis, können über die App per Handy-Foto geliefert werden. Aber das ist nur selten notwendig, denn durch die smarte Auswertung der Kontodaten kennt die Bank in der Regel nicht nur die Gehaltseingänge der vergangenen Jahre und kann den Kunden so deutlich besser einschätzen, als es durch die Einreichung der letzten Gehaltsnachweise möglich ist.

Banken nutzen Informationen nur unzureichend

Der Bank liegen also viel mehr Daten vor, als sie benötigt. Sie nutzt sie aber nicht sinnvoll, dabei könnte daraus ein Mehrwert sowohl für die Bank als auch für den Kunden entstehen.

Und obwohl auf einer Rechnung weit mehr Daten zur Verfügung stehen als auf einem Weinetikett, diese in der Regel auch einfacher zu erkennen sind (schwarzer Text auf weißem Grund) und den Banken von ihren Kunden schon eine Vielzahl ergänzender Daten zur Verfügung stehen, nuten viele Banken diese Informationen nicht oder nur rudimentär.

Ob man den technischen Fortschritt seit den achtziger Jahren betrachtet oder aber eine innovative App mit den digitalen Angeboten von Banken vergleicht, so muss leider festgestellt werden, dass im Bereich Digitalisierung noch großer Nachholbedarf besteht. Gleichwohl gibt es Beispiele, wie (Finanzierungs-)Prozesse in der Bankenwelt erfolgreich digitalisiert wurden.

Erfolgreiche Digitalisierung des Devisenhandels

Eines dieser Beispiele, in der ein in der Bankenwelt fest verankerter Prozess durch Digitalisierung ersetzt wurde, ist die Devisenhandelsplattform 360T. Das Unternehmen wurde im Jahr 2000 von vier ehemaligen Bankmitarbeitern mit einem Startkapital von 6,5 Millionen Euro gegründet. Die Initiatoren hatten die Idee, Devisen nicht mehr, wie damals üblich über das Telefon, sondern über eine Plattform digital im Internet zu handeln. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 200 Mitarbeiter, das tägliche Handelsvolumen beträgt rund 100 Milliarden Euro und die Plattform wird unter anderem von nahezu allen Dax-Unternehmen genutzt. Im Jahr 2015 kaufte die Deutsche Börse AG 360T für 725 Millionen Euro und machte es damit zum wertvollsten Fintech-Unternehmen Deutschlands.

Ein weiteres, wenn auch in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckendes Beispiel für Digitalisierung im Finanzbereich ist das Crowdfunding. Mit einem Finanzierungsvolumen von insgesamt 63,8 Millionen Euro im Jahr 2016 in Deutschland ist diese Finanzierungsform ohne Frage noch eine kleine Nische. Doch diese Betrachtungsweise alleine greift zu kurz. Zum einen erfährt Crowdfunding schon jetzt erhebliche Wachstumsraten: Allein im ersten Quartal 2017 wurden schon 36,8 Millionen Euro über Crowdfunding finanziert - und damit mehr als die Hälfte des gesamten Vorjahres.

Weltweit betrachtet wurden im Jahr 2015 34,4 Milliarden US-Dollar (2014: 16,2 Milliarden US-Dollar) über Crowdfunding finanziert. Doch nicht nur die Entwicklung des Crowdfunding in Deutschland oder weltweit sollte Anlass sein, sich intensiv mit dieser Finanzierungsoption auseinanderzusetzen.

Immobilien-Crowdfunding gewinnt an Bedeutung

Auch die Investitionen, die heute in Deutschland über Crowdfunding finanziert werden, lassen aufhorchen. Waren bis zum Jahr 2014 vor allem Unternehmensfinanzierungen dominant, so betrug im ersten Quartal 2017 der Anteil an Immobilienfinanzierungen schon rund 80 Prozent. Gerade für Projektentwickler, denen die letzten 10 oder 20 Prozent Eigenkapital fehlen, kann Crowdfunding hoch interessant sein. Der durchschnittlich bei sechs Prozent liegende Zins mag auf den ersten Blick hoch erscheinen. Doch relativiert er sich im Vergleich zu den gegenwärtig erzielbaren Margen und vor allem zu gezahlten Zinssätzen im Mezzanine-Bereich.

Auch aus Bankensicht müsste Crowdfunding eigentlich eine attraktive Ergänzung des Angebots sein. Doch welche Bank bietet ihren Kunden aktiv Crowdfunding an oder kooperiert mit einer der Crowdfunding-Plattformen? Die Untätigkeit der Banken machen sich freie Finanzierungsmakler wie die Dr. Klein Firmenkunden AG zunutze, die erst kürzlich Kooperationen mit den beiden zurzeit größten Anbietern am deutschen Markt für Immobilien-Crowdfunding, Exporo und Zinsland, verkündet hat.

Ein weiteres Beispiel, bei dem die Zusammenarbeit zwischen digitaler Welt und der Finanzierungswelt seit Jahren erfolgreich funktioniert, ist die Kreditplattform Europace. Dieses 1999 von fünf Wirtschaftsinformatik-Studenten und ihrem Professor gegründete, voll integrierte System vernetzt mittlerweile mehr als 400 Partner aus den Bereichen Banken, Bausparkassen, Versicherungen und Finanzvertriebe.

Die hoch automatisierten Prozesse des Finanzmarktplatzes führen zu deutlichen Kosten- und Geschwindigkeits-Vorteilen für alle Partner. Mehrere tausend Nutzer wickeln so monatlich etwa 35 000 Transaktionen mit einem Volumen von rund 45 Milliarden Euro über Europace ab. Der internetbasierte Finanzmarktplatz wird von der Europace AG und ihren Schwestergesellschaften Genopace (für den genossenschaftlichen Bankensektor) und Finmas (für die Sparkassen-Finanzgruppe) betrieben und damit von allen Banksegmenten genutzt. Es handelt sich somit um die größte deutsche Transaktionsplattform für Immobilienfinanzierungen, Bausparprodukte und Ratenkredite.

Die beiden Welten können voneinander lernen

Sind Digitalisierung und Finanzierung nun zwei Parallelwelten? Nicht zwangsläufig, wie neben dem Beispiel von 360T vor allem das von Europace zeigt. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Plattform war, dass innerhalb der Hypoport-Gruppe die hohe Kreativität eines Start-ups mit der Marktmacht des seit Jahrzehnten erfolgreichen Finanzvertriebes Dr. Klein zusammenkam.

Nach dieser "Blaupause" können beide Welten voneinander lernen und erfolgreich agieren: Die digitale Welt, in der viele kreative Start-ups zuhause sind, und die Welt der Finanzierung, die über notwendige Marktmacht verfügt, um kreative Ideen im Markt erfolgreich zu etablieren.

Der Autor Hans Peter Trampe, Mitglied des Vorstands, Hypoport AG, Berlin, und Mitglied des Vorstands, DR. KLEIN Firmenkunden AG, Lübeck
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