Immobilienmärkte

Digitalisierung am US-Immobilienmarkt: Was Investoren lernen können

Thomas Gütle, Geschäftsführender Gesellschafter, US Treuhand Verwaltungsgesellschaft für US-Immobilienfonds mbH, München

Fast ein Jahr ist Donald Trump mittlerweile Präsident der Vereinigten Staaten. Vieles hat sich seitdem verändert, die US-Immobilienmärkte blieben davon bislang jedoch weitgehend unberührt. Dank guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen entwickeln sich diese weiter robust und erfreuen sich auch bei Investoren großer Beliebtheit. Einen viel größeren Einfluss als der neue Präsident scheint dort aktuell die Digitalisierung auszuüben. Nach Ansicht des Autors sind die US-Immobilienmärkte und die Gesellschaft im Allgemeinen diesbezüglich ein gutes Stück voraus. Im folgenden Beitrag beschreibt er die wichtigsten digitalen Trends für die Assetklassen Büro, Wohnen, Einzelhandel und Logistik. Außerdem erklärt er, worauf sich Immobilieninvestoren infolgedessen einstellen müssen. Red.

In Zeiten von Niedrigzinsen und Rekordständen an den Aktienmärkten erhöhen viele langfristig orientierte Anleger ihre Immobilienquoten. Neben einer möglichst breiten Streuung des Portfolios auf Länder und Regionen sowie verschiedene Immobiliensegmente sollten Investoren fundamentale Veränderungen des gesamten Immobiliensektors genau im Auge behalten.

Die Digitalisierung ist zweifellos eine solche fundamentale Veränderung. Mehr noch, sie ist ein epochaler Umbruch, der unser Leben und Arbeiten umfassend und dauerhaft auf den Kopf stellt. Und davon bleibt selbstverständlich auch die Immobilienbranche nicht verschont.

Die Umbrüche dort beschränken sich nicht nur auf das Naheliegende wie die technische Ausstattung der Objekte oder eine gute Anbindung an schnelle Datennetze. Der digitale Wandel ist struktureller Natur, er ist unaufhaltsam und wird die Welt der Immobilien und langfristig die Struktur unserer Städte nachhaltig verändern.

Europa hinkt hinterher

Doch in Sachen Digitalisierung hinken Deutschland und Europa hinterher. "Wir haben den Anschluss verloren", konstatierte vor einiger Zeit Günther Oettinger in seiner damaligen Funktion als EU-Digitalkommissar zu Recht. Anders die Vereinigten Staaten, die zu den absoluten Vorreitern gehören. Die Gründe dafür sind vielfältig, ein gewichtiger ist die risikofreudigere und Neuem gegenüber aufgeschlossenere Mentalität.

Einer Umfrage von Etventure und GfK zufolge fühlen sich in den USA nur sechs Prozent der Arbeitnehmer von den digitalen Umbrüchen und ihren Auswirkungen auf die Arbeitswelt verunsichert. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 37 Prozent.

Im Zusammenspiel mit der technologischen Entwicklung kommt der Generation der "Millennials", die mit dem Internet aufgewachsen ist, eine Schlüsselrolle zu. In den USA stellt sie mit ihren rund 80 Millionen "Digital Natives" inzwischen die größte Gruppe der arbeitenden Bevölkerung und treibt die Digitalisierung dort wenig zögerlich voran. Doch die Richtung des Digitalisierungszuges ist auf beiden Seiten des Atlantiks dieselbe. Die Lokomotive der Amerikaner hat sich an die Spitze gesetzt, die Waggons der Europäer zockeln etwas später hinterher.

Vor den Unwägbarkeiten und möglichen Risiken durch die digitale Revolution am US-Immobilienmarkt sollte jetzt aber niemand zurückschrecken. Stattdessen sollten die Umbrüche soweit möglich antizipiert und in der Investmentstrategie zum Vorteil genutzt werden - gegebenenfalls mithilfe der Expertise regionaler Partner.

US-Immobilien zur Diversifikation geeignet

In den Vereinigten Staaten können Immobilieninvestoren schon heute beobachten und erfahren, was ihnen in Deutschland und Europa wahrscheinlich erst noch bevorsteht.

Aus Gründen der Diversifikation sollten US-Immobilien ohnehin in keinem breiter gestreuten Portfolio institutioneller Anleger fehlen, denn der US-Immobilienmarkt ist nicht nur der größte, sondern auch sehr transparent und hat eine niedrige Korrelation mit Europa. Der digitale Wandel umfasst alle Immobiliensektoren. Den einzelnen Segmenten drückt er jeweils einen eigenen Stempel auf, gleichzeitig sorgt er dafür, dass die Grenzen zwischen ihnen zunehmend verschwimmen - so wie sich die Lebens-, Arbeits- und Freizeitwelten immer weniger klar voneinander abgrenzen lassen.

Büronutzer mit steigenden Ansprüchen

Zunächst die aus Investorensicht überwiegend gute Nachricht: Das Arbeiten im Büro wird keinesfalls durch die Digitalisierung verdrängt, auch nicht in den USA. Homeoffice spielt nach wie vor nur eine begrenzte Rolle. Stattdessen erhöhen sich die Ansprüche der Büronutzer an die Qualität ihrer Arbeitsstätte, und zwar nicht nur in puncto technische Ausstattung. Vom Arbeitsplatz selbst werden Kosten- und Energieeffizienz erwartet sowie eine flexible und modulare Büroraumgestaltung. Errungenschaften wie Coworking und Desktop-Sharing wären ohne den digitalen Fortschritt der vergangenen Jahre undenkbar.

Die Attraktivität des Arbeitsumfelds und ein gewisser Wohlfühlfaktor werden ebenfalls immer wichtiger, wie die Nähe zum Wohnort oder zu Freizeit- und Einkaufsangeboten. Das Schlagwort der Stunde heißt "Amenities". Gemeint sind damit Ausstattungsmerkmale, die das Arbeiten angenehmer machen.

Als besonders "amenity-rich" darf der neue Apple Park im kalifornischen Cupertino gelten. Der nagelneue, ringförmige Konzernsitz mit 461 Meter Durchmesser - und immerhin einer Verglasung aus Deutschland - bietet Platz für mehr als 12 000 Beschäftigte, aber auch für Cafés, Fitness-Center, ein Auditorium und großzügige Parks. Solche supermodernen Zentralen der großen Silicon-Valley-Konzerne sind sicher keine Blaupausen für jeden Betrieb, zeigen jedoch wie durch ein Brennglas, in welche Richtung die Reise geht.

Zu den Folgen für Investoren zählen ein leicht rückläufiger Flächenbedarf und ein mitunter hoher, aber lohnenswerter Investitionsbedarf in Bestandsobjekte. Die höhere Flexibilität findet zudem in immer kürzeren Laufzeiten der Mietverträge ihren Niederschlag. Doch gleichzeitig wächst die Nachfrage nach hochwertiger Bürofläche - übrigens nicht zuletzt von den Technologiefirmen selbst, die in den USA bereits rund ein Fünftel der Mietgesuche stellen, in einigen Großräumen wie Boston oder Seattle sogar gut zwei Drittel.

Smart Home gewinnt an Bedeutung

Im Bereich der Wohnimmobilien zeigen sich die Auswirkungen der Digitalisierung zunächst langsamer und weniger offensichtlich. Ihren deutlichsten Ausdruck finden sie in der rasant wachsenden Nachfrage nach Smart-Home-Lösungen. Damit wird in diesem Jahr allein in den USA 15 Milliarden Dollar Umsatz erwartet, 2020 bereits 30 Milliarden.

Für die Generation der "Millennials" ist die ständige Verfügbarkeit von schnellstmöglichem Internet in den eigenen vier Wänden natürlich unerlässlich. Sie legen zugleich mehr Wert auf eine günstige Energiebilanz und auf kürzere Wege bis hin zu "Bikeability" oder besser noch "Walkability".

Für Investoren bedeutet eine bessere technische Ausstattung zunächst einen gewissen Modernisierungsbedarf. Das Ergebnis lässt sich dann natürlich als Wettbewerbsvorteil vermarkten. Für die Verwaltung von Wohngebäuden stecken in der Digitalisierung zugleich erhebliche Effizienzpotenziale, wenn etwa Onlinetools administrative Prozesse oder das Abrechnungswesen erleichtern.

Radikale Veränderung des Konsumverhaltens

Im Einzelhandel sind die Folgen der Digitalisierung schon über den längsten Zeitraum und am deutlichsten zu erkennen. Das Internet hat das Einkaufsverhalten radikal verändert. Die Konsumenten kaufen immer mehr online und sie sind immer besser informiert. Den stationären Einzelhandel setzt das auf beiden Seiten des Atlantiks stark unter Druck.

Doch die Lage ist nicht aussichtlos. Das Zauberwort heißt Omnichannel: Durch eine sinnvolle Verbindung von physischer Präsenz vor Ort und umfangreichem Angebot im Internet lassen sich weiterhin Konsumenten in die Läden locken. Im Mittelpunkt steht dabei nicht mehr nur die Ware, sondern immer mehr das Einkaufs- und Freizeiterlebnis.

Der Bedarf an reiner Verkaufsfläche sinkt, gleichzeitig wird die Aufenthaltsqualität umso entscheidender. Big Data eröffnet Einzelhändlern zudem die Möglichkeit, ihre Angebote schneller und genauer auf die Kundenbedürfnisse einzustellen. Besonders gut lässt sich das an den für die USA so typischen Shoppingmalls beobachten. Fast jede dritte der etwa 1 200 Malls wird in den nächsten Jahren von der Schließung bedroht sein.

Ältere Objekte in schlechter Lage, mit fehlenden oder schlechten Marketing-Konzepten und ohne eine passende Onlinestrategie werden kaum eine Chance haben. Moderne High-End-Malls hingegen, die aus dem Einkauf ein Erlebnis machen und mit attraktiven zusätzlichen Freizeitangeboten punkten, sind nach wie vor Publikumsmagneten.

Zugleich gibt es auf der anderen Seite des Einzelhandelsspektrums Bewegung: Gerade die "Millennials" schätzen die Nahversorgung durch Läden in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihrem Wohnort. Für Investoren bietet das Einzelhandelssegment also durchaus Chancen. Es empfiehlt sich aber eine selektive Vorgehensweise.

Die Logistik ist ein stark von der Digitalisierung betroffenes Immobiliensegment und zugleich der große Profiteur des E-Commerce. In den USA wird dort schon mehr als jeder zehnte Einzelhandelsdollar umgesetzt. Standen dabei zu Beginn die großen Verteilzentren von Amazon und Co. auf der grünen Wiese im Vordergrund, rückt in jüngster Zeit zunehmend die "letzte Meile" zum Kunden in den Fokus von Logistikern und Immobilieninvestoren. Kleinere innerstädtische Logistikstandorte kommen dem Wunsch nach immer schnelleren Lieferzeiten entgegen.

Dieser Trend wird sich noch verstärken, sollte auch der Onlinehandel mit Lebensmitteln an Schwung gewinnen. Wie der Wettbewerb mehrerer US-Städte um die Ansiedlung von Amazon-Lieferzentren zeigt, ist die Zeit der großen Logistikzentren noch nicht vorüber.

Logistik als großer Profiteur des E-Commerce

Insgesamt wachsen Logistik und Einzelhandel immer mehr zusammen. Zwar sind es vor allem Einzelhändler, die den Weg ins Internet suchen. Die Übernahme der Biosupermarktkette Whole Foods durch Amazon zeigt aber, dass diese Entwicklung keine Einbahnstraße ist. Die Auswirkungen der Digitalisierung sind in der Logistikbranche nicht nur durch den rasant wachsenden E-Commerce zu spüren.

Die Industrie optimiert auf digitalem Wege ihre Lieferketten, Roboter und Warenmanagement verändern zudem das Innere von Lagerhallen. Investoren bietet sich in der "letzten Meile" derzeit eine gute Gelegenheit, davon zu profitieren. Die Möglichkeit einer alternativen Nachnutzung sollte dabei allerdings vorsichtshalber nicht außer Acht gelassen werden.

Die Digitalisierung hinterlässt tiefe Spuren in der Immobilienbranche, und zwar segmentübergreifend - in den USA schneller und radikaler als in Europa. Wie immer bei disruptiven Veränderungen offenbaren sich Investoren dadurch Chancen und Risiken. Regionale Partner mit intensiver Marktkenntnis können dabei helfen, die großen Potenziale frühzeitig zu ergreifen und gefährliche Klippen zu umschiffen.

Der Autor Thomas Gütle, Geschäftsführender Gesellschafter, US Treuhand Verwaltungsgesellschaft für US-Immobilienfonds mbH, München
Thomas Gütle , Managing Partner, PrimeraAdvisors GmbH, München
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