IMMOBILIE ALS ASSET

EUROPÄISCHE IMMOBILIENAKTIEN: WO DIE GRÖSSTEN CHANCEN LIEGEN

Vincent Bruyère Quelle: Degroof Petercam AM

Direkte Investments in europäische Wohn- und Gewerbeimmobilien sind infolge der vielerorts weit fortgeschrittenen Immobilienzyklen mittlerweile ziemlich teuer. Automatisch rücken deshalb indirekte Formen der Immobilienanlage in den Fokus der Anleger. Dazu gehören auch Unternehmen, deren Immobilienportfolios börsengelistet sind: REITs aus Europa liefern laut der Analyse des Autors seit Jahren attraktive risikoadjustierte Renditen. Im folgenden Beitrag erörtert er die vielfältigen Vorzüge dieser Anlageklasse, die in Deutschland auch zehn Jahre nach Einführung des REIT-Gesetzes immer noch ein Schattendasein fristet. Darüber hinaus beleuchtet er die Aussichten auf wichtigen europäischen Immobilienmärkten und gibt Einblicke in die Investmentstorys vielversprechender REITs. Red.

Die Immobilienmärkte in Europa boomen. Zum einen, weil die Bevölkerungszahlen in vielen europäischen Ländern steigen und damit der Bedarf an Wohnraum - besonders in den Ballungsräumen. Zum anderen führt die gute wirtschaftliche Verfassung in Europa zu einer weiter steigenden gewerblichen Immobiliennachfrage in den Segmenten Einzelhandel, Büro, Industrie und Logistik. Der Immobilienzyklus schreitet in Europa weiter voran. In einzelnen Märkten schneller wie anderen. Jeder Immobiliensektor und jede Region beziehungsweise Stadt folgt dabei ihrem eigenen Rhythmus.

REITs liefern dringend benötigte Erträge

Bei den meisten europäischen Immobilienmetropolen handelt es sich um bereits reife Märkte mit seit vielen Jahren kontinuierlichen Wertsteigerungen. Investoren sind deshalb gut beraten, sehr selektiv bei der Auswahl ihrer Investments vorzugehen. Die gute wirtschaftliche Lage und der daraus resultierende Nachfrageüberhang bei Wohn- und Gewerbeobjekten führen dazu, dass bei den Mieten mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen ist. Vor allem auch deshalb, weil in den vergangenen Jahren die Mieten langsamer gestiegen sind als die Immobilienbewertungen. Von dem positiven Umfeld an den Immobilienmärkten und der Suche der Investoren nach Rendite in einem weiterhin extremen Niedrigzinsumfeld profitieren Immobiliengesellschaften, deren Portfolios als börsennotierte REITs gelistet sind. Denn REITs bieten attraktive risikoadjustierte Erträge. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen aufgrund solide wachsender Dividendenrenditen. Diese liegen derzeit bei etwa fünf Prozent pro Jahr. Zum anderen sind Immobilienaktien deutlich günstiger und liquider als Direktinvestitionen in Immobilien.

Darüber hinaus tragen die gesunden Bilanzen europäischer REITs zu einer Risikominimierung des Immobilieninvestments bei. Die Loan-to-Value-Kennzahl, also das Verhältnis von Krediten zum Marktpreis einer Immobilie, liegt auf einem Mehrjahrestief. Bei europäischen REITs ist davon auszugehen, dass der Gesamtertrag für Anleger, der sich aus Dividendenrendite und dem Wachstum der Nettoinventarwerte zusammensetzt, bis 2019 bei jährlich 8,5 Prozent liegt. Rückenwind kommt derweil von der Zinsseite. Die Finanzierungskosten für Immobilienunternehmen sollten in den kommenden Jahren weiterhin niedrig bleiben. Somit wird der Abstand zwischen den Immobilienrenditen und den Finanzierungskosten nach wie vor erheblich bleiben.

Nachdem in den Vereinigten Staaten bereits erste Schritte in Richtung höherer Zinsen unternommen wurden, mehren sich auch in Europa die Anzeichen für möglicherweise bald wieder steigende Zinssätze. Immobilienanleger hierzulande sollte dies aber nicht beunruhigen. Denn üblicherweise haben Zinssteigerungen nur kurzfristige Auswirkungen auf Immobilienaktien, während die langfristigen Effekte in der Regel überschaubar bleiben.

Steigende Anleiherenditen haben zwar kurzfristig häufig Kursverluste bei Immobilienaktien zur Folge. Diese Effekte verflüchtigen sich aber umso mehr, je länger der betrachtete Zeitraum ist. Untersuchungen im Markt für US-REITs zeigen, dass sich schon bei einem mittleren Zeithorizont die Korrelation zwischen Anleiherenditen und der Entwicklung von REITs bei null einpendelt. Das Korrelationsverhalten von Immobilienaktien im kurz- beziehungsweise mittel- bis langfristigen Bereich bietet sich also dazu an, temporäre Marktrücksetzer für den Aufund Ausbau von Positionen zu nutzen.

EZB-Politik ohne nennenswerte Risiken

Seitens der EZB sieht es derzeit nicht nach schnellen Zinserhöhungen, sondern vorerst einer sukzessiven Rückführung der quantitativen Maßnahmen aus. Auf die Cashflows börsennotierter Immobilienunternehmen sollte dies nur sehr begrenzte Auswirkungen haben. Alles deutet darauf hin, dass die Finanzierungskosten sogar noch sinken können. Durch das niedrige Zinsniveau der vergangenen Jahre konnten die Fremdkapitalkosten stetig gesenkt werden. Viele Gesellschaften haben die Situation genutzt, um teure Langfristfinanzierungen umzuschulden.

Überhaupt haben Europas Immobiliengesellschaften ihre Finanzierungsstrukturen in den vergangenen Jahren deutlich optimiert und damit die Sensitivität für einen Zinsanstieg signifikant reduziert. Das lässt sich auch am Leverage ablesen, also an der Nettoverschuldung auf das Immobilienportfolio. Sie lag im Jahr 2017 bei europäischen Immobiliengesellschaften durchschnittlich bei 37 Prozent. Außerdem sind die Risikoaufschläge bei europäischen REITs weiterhin hoch. Die Dividendenrendite abzüglich des risikofreien Zinses befindet sich mit etwa drei Prozentpunkten auf einem 4-Jahres-Hoch.

Europa steckt voller Chancen

Manager aktiv gemanagter Immobilienaktienfonds sollten sich eher darauf konzentrieren, die tatsächlich guten börsennotierten Immobiliengesellschaften vom Mittelmaß zu unterscheiden. Denn es ist längst nicht alles Betongold, was im europäischen REIT-Universum glänzt.

Vor allem kommt es darauf an, sich das Management der einzelnen Unternehmen anzuschauen, denn es sind die handelnden Personen, die in den meisten Fällen den Unterschied machen. Neben diesem Investmentkriterium sind bei der Immobilienaktienselektion weitere qualitative Merkmale wichtig, wie die Qualität und Diversifikation des Immobilienportfolios sowie die Finanzierungstrukturen. Darüber hinaus müssen quantitative Kennzahlen wie Cashflow- und Dividendenrenditen und der Zinsdeckungsgrad stimmen.

Wenngleich Immobilienaktien in Europa noch nicht so populär sind wie in den Vereinigten Staaten, bietet der "alte" Kontinent aktiven Stock-Pickern eine große Fülle an Gelegenheiten in den verschiedenen Immobiliensektoren. Besonders attraktiv sind derzeit Logistikobjekte, solange sie in den europäischen Logistikzentren angesiedelt sind. Insbesondere der starke Boom im Onlinehandel treibt die Nachfrage in diesem Segment. Anfangsrenditen bezogen auf die Anschaffungskosten zwischen sieben und acht Prozent sind bei guten Logistikimmobilien realistisch.

Die deutsche VIB Vermögen kann derzeit als das interessanteste von insgesamt nur vier börsengelisteten Logistikimmobilienunternehmen in Europa angesehen werden. Attraktiv sind in Deutschland auch Wohnimmobilien. Insbesondere der soziale Wohnungsbau sowie Pflegeheime sind vielversprechend. Aufgrund des hohen Bedarfs im Zuge steigender Bevölkerungszahlen sowie der demographischen Überalterung dürfte die Nachfrage das Angebot dauerhaft übersteigen. Außerdem ist bei diesen Immobilien die Visibilität der Cashflows besonders stark.

Bei Immobilienaktien aus dem Einzelhandelssegment kommt es vor allem auf eines an: Topqualität. Durch den wachsenden E-Commerce haben B-Qualitäten bereits Probleme. Investoren sollten sich auf die absoluten Topplayer konzentrieren. Dazu zählt der französische Shoppingcenterriese Klépierre. Die Gesellschaft agiert global mit dem Ziel, den Konsumenten wahre Shoppingerlebnisse zu vermitteln. Immobilienaktien-Perlen finden sich auch in Spanien. Weniger positiv gestaltet sich die konjunkturelle Lage in Italien. Dennoch bieten sich im Rahmen der aktiven Einzeltitelauswahl auch dort gute Investmentmöglichkeiten. Zum Beispiel mit Coima. Die Gesellschaft managt und entwickelt Immobilienprojekte in den Wirtschaftszentren Italiens und könnte in 2018 mit einem überzeugenden Management und einem restrukturierten Portfolio für positive Überraschungen sorgen.

Vorzeigebeispiel Aroundtown

Starke Finanzkennzahlen, eine diversifizierte Schuldenstruktur und die Fähigkeit, bei Transaktionen schnell zu sein, zeichnet Aroundtown aus. Das S-Dax-Unternehmen konzentriert sich auf hochqualitative Wohn-, Hotel- und Büroimmobilien in bevölkerungsreichen Regionen in Deutschland und den Niederlanden. Erhebliches Mietsteigerungspotenzial bei den Bestandsobjekten sowie weit unterdurchschnittliche Leerstände lassen weitere Ergebnissteigerungen des Unternehmens in den kommenden Jahren erwarten.

Die hohe Cashquote und schnell liquidierbare Assets ermöglichen dem Konzern Wettbewerbsvorteile bei attraktiven Zukäufen. Die Finanzierungsstruktur ist mit Aktienemissionen, klassischen Anleihen sowie Wandelund Daueranleihen sehr ausgeglichen.

Augen auf in Großbritannien

Kritisch sehen viele Immobilienmarktakteure derzeit den britischen Markt. Anlässlich des bevorstehenden Brexits durchaus zurecht. Allerdings sind Pauschalurteile bei der Einschätzung von Chancen und Risiken wenig zielführend, Immobiliensektoren und Standorte sollten vielmehr im Einzelnen untersucht werden. Sicherlich ist ein EU-Austritt Großbritanniens für den Wachstumsausblick negativ zu werten. Der Londoner Büromarkt bekommt dies bereits flächendeckend durch sinkende Mietpreise zu spüren, ebenso landesweit Einzelhandelsobjekte.

Immobilien mit langfristig abgeschlossenen Mietverträgen zeigen sich bislang unerwartet stabil - nach diesen Objekten geht eine hohe Nachfrage von asiatischen Investoren aus. Hingegen muss beim Thema "Wohnen" auf der britischen Insel genau hingeschaut werden. Sehr hochwertige Objekte sind wenig aussichtsreich, während gut gelegene Wohnimmobilien, die zu erschwinglichen Preisen vermietet werden, für die Portfolios börsengelisteter Immobilienunternehmen durchaus sehr attraktiv sind.

DER AUTOR VINCENT BRUYÈRE Senior-Portfoliomanager European Listed Real Estate, Degroof Petercam AM, Brüssel
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