Architektur

Fluch und Segen des wiederbelebten Bauhausstils

Prof. Dr. Friedrich Thießen, Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, Technische Universität Chemnitz.

In dem vorliegenden Beitrag werden Immobilien im sogenannten Bauhausstil untersucht, die derzeit in hohem Maße im Bereich Wohnimmobilien errichtet werden. Der Autor hat gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern zwei Fragen untersucht: Entspricht der Bauhausstil mit seinen kargen Fassaden den Präferenzen der Bürger? Und: Beeinflusst der Bauhausstil den Wert von Immobilien, insbesondere auch den Wert anderer Immobilien in der Nachbarschaft von Häusern im Bauhausstil? Die Ergebnisse lassen sich im Kern so zusammenfassen: Schlichte und karge Fassaden des Bauhausstils werden im Vergleich mit Fassaden in anderen Baustilen nur von einer Minderheit präferiert. Darüber hinaus werden schräge Dächer und farbliche Vielfalt geschätzt. Dies gelte es bei den Bauplanungen zu berücksichtigen. Red.

Ein Bauboom zeichnet sich, was die Bauästhetik anbetrifft, dadurch aus, dass zu viele Häuser einer bestimmten Sorte gebaut werden, nämlich der Sorte, die gerade in Mode ist. Diese Häuser dominieren dann das Erscheinungsbild der Städte für lange Zeit, selbst wenn sich die Mode längst gewandelt hat und andere Baustile gefragt sind. Die Häuser erleiden dann Wertverluste. Sie müssen mit Zusatzkosten vorzeitig modernisiert oder ganz entfernt werden. Unter Umständen werden Straßen und ganze Stadtviertel, in denen sie besonders zahlreich anzutreffen sind, unmodern und rutschen ab.

In deutschen Wohnsiedlungen werden derzeit besonders häufig Häuser im sogenannten Bauhausstil errichtet. Die Massenhaftigkeit, mit der heute Häuser im Bauhausstil in jede Baulücke gesetzt werden, war Anlass für eine Forschung, welche die Zustimmung oder Ablehnung der Menschen für diesen Baustil ermittelte. Außerdem sollte untersucht werden, welche Wirkungen ein Haus im Bauhausstil auf die umliegenden Immobilien ausübt. Erleben diese Immobilien eine Wertsteigerung durch ein Bauhaus in ihrer Nähe oder eher eine Wertminderung?

Die Ergebnisse der Untersuchungen sind für unterschiedliche Gruppen am Immobilienmarkt relevant:

- Privaten Bauherren kann ein Hinweis auf eine vorteilhafte Gestaltung ihrer Immobilien gegeben werden, die den späteren Wiederverkaufswert steigert.

- Für Vermieter und Bauträger ist es wichtig zu wissen, welche Gestaltungselemente einer Immobilie eine positive Zahlungsbereitschaft der Mieter beziehungsweise Käufer auslösen beziehungsweise die Wiedervermietbarkeit erhöhen.

- Für die kommunale Stadtplanung können Hinweise auf die Formulierung von Gestaltsatzungen gegeben werden.

Ein Gebäude im Bauhausstil wird heute anhand seiner puristischen Form, der farblichen Gestaltung und den verwendeten Baumaterialien bestimmt. Kennzeichnend sind eine strenge kubische Form des Baukörpers mit einem Flachdach, schnörkellose Grundrisse, asymmetrische, sich um Ecken ziehende Fenster, die rahmenlos in die Wände integriert sind. Farblich sind sie meist sehr schlicht und eintönig gehalten. Häufig wird weiß gewählt.

Neuer Baustil ist stark umstritten

Häuser im Bauhausstil gelten als schick und edel. Sie knüpfen an das Renommee des staatlichen Bauhauses an, das als einflussreichste Ausbildungsstätte des 20. Jahrhunderts für Architektur, Kunst und Design gilt. Aber nicht allen gefällt der Bauhausstil. Die Zeitschrift Brigitte eröffnete ein Internetforum zum Thema "Moderne Architektur ist hässlich". Darin findet man Äußerungen wie diese: "Die nüchternen Bauhausstil-Häuser finde ich alles andere als schön." 1) Wenn in einem traditionellen Wohnviertel ein homogenes Gebäudeensemble mit einem Bauhaus gestört wird, äußern die meisten Menschen ihr Missfallen.2)

Diese Dichotomie, also einerseits das enorm positive Renommee des Bauhauses und andererseits aber die spürbare Ablehnung von Häusern im Bauhausstil, war Anlass für eine Forschung, die den Wert des Bauhausstils und seine Wirkung auf Immobilien in der Umgebung zu ermitteln suchte. Solche bewertenden Stiluntersuchungen haben eine lange Tradition vor allem im angelsächsischen Bereich.3) Die vorherrschende Forschungsmethode besteht darin, Umfragen bei Probanden durchzuführen, die nach ihren Präferenzen und Zahlungsbereitschaften befragt werden. Dies war auch die Methode der vorliegenden Studie.

Stilbruch wird von Befragten negativ gesehen

Um die Validität der Ergebnisse zu erhöhen, wurden zwei unabhängige Untersuchungen durchgeführt.4) Sie greifen auf die Vorgehensweise von Mader (2010) und Küster (2014) zurück.5) Es wurden 256 Personen persönlich befragt (keine Online Befragung, um die Abbruchquote zu verringern). Die Probanden wurden nach Geschlecht, Alter, Einkommen und Bildungsgrad der Gesamtbevölkerung entsprechend geschichtet, sodass allgemeine Aussagen möglich sind. Im Folgenden wird ein Auszug aus umfangreicheren Forschungsergebnissen präsentiert. Zunächst wurde der Immobilienkontext thematisiert. Dabei wurde eine heute im Bauboom alltägliche Situation betrachtet. Angenommen, es liegt eine Baulücke vor. Wie reagieren Menschen, wenn diese Lücke mit Häusern im Bauhausstil gefüllt wird?

Demzufolge wird die Füllung von Baulücken mit Häusern im Bauhausstil nur von einer Minderheit präferiert (16 bis 22 Prozent). Dies ist ein über die Zeit stabiles Untersuchungsergebnis. Bereits Mader (2010) hatte dieses Ergebnis erzielt. Gleichlautende Ergebnisse erhielten auch die oben zitierten angelsächsischen Autoren. Das Phänomen tritt bei allen Bevölkerungsschichten (Geschlecht, Alter, Bildung, Einkommen) völlig gleichermaßen auf. Die Durchbrechung eines homogenen Bauensembles mit einem abweichenden Baukörper im Bauhausstil ist demzufolge ein negativ bewerteter Faktor.

Es fragt sich, welchen monetären Wert dieser negative Faktor hat. Dazu wurde die Zahlungsbereitschaft auf folgende Weise getestet: Es wurde ermittelt, wie viel mehr Miete ein Proband bezahlen würde, wenn er in ein von ihm präferierten Bauensemble, das heißt ohne ein störendes Bauhaus, einziehen würde.

Etwa die Hälfte der Probanden hat keine Zahlungsbereitschaft. Die andere Hälfte ist bereit, durchschnittlich 23 Eurocent/Quadratmeter dafür zu bezahlen.6) Dies bedeutet, dass zwei bis drei Prozent des Mietpreises nur dafür ausgegeben werden, in einem homogenen Bauumfeld ohne störendes Gebäude zu wohnen. Das ist ein starkes Signal. Zu beachten ist, dass von den Präferenzen der Menschen nicht nur das jeweils störende Haus betroffen ist, sondern auch der Altbestand von Gebäuden, der durch das unpassende Gebäude im Wert gemindert wird.

Fassaden sollten attraktiv gestaltet sein

Insgesamt kann gesagt werden, dass es von einer großen Mehrheit abgelehnt wird, wenn eine homogene Gebäudesituation durch ein im Stil abweichendes Bauhaus gestört wird. Die Stadtplanung sollte dafür sorgen, dass Inhomogenität von Immobilien-Ensembles möglichst vermieden wird. Als nächstes wurden verschiedene Fassadengestaltungen im Detail getestet. Lieben Menschen üppiger verzierte Fassaden oder fühlen sie sich eher von kargen, frugalen Fassadengestaltungen, wie sie Häuser im Bauhausstil aufweisen, angezogen?

Dies wurde auf vier verschiedene Weisen getestet. Zunächst wurden allgemeine Vorlieben für Fassadengestaltungen getestet. Dann wurden für Häuser im Bauhausstil unbekannte, untypische Fassadengestaltungen getestet. Zum Dritten wurden bekannte Stilelemente gewählt. Abschließend wurden weitergehende Veränderungen an den Gebäuden vorgenommen. Die vollständigen Untersuchungsergebnisse sind bei den Verfassern erhältlich.

Zunächst einmal zeigt der sehr geringe Anteil indifferenter Aussagen, dass die Fassadengestaltung für die Menschen ein wichtiges Thema darstellt: Fast niemand ist indifferent. Zum Zweiten zeigt sich, dass die Menschen kargen, ungestalteten, nackten Fassaden nichts abgewinnen können. Eine überwältigende Mehrheit bevorzugt attraktiv gestaltete Fassaden, bei denen die Gebäudeflächen durch Gestaltungselemente gegliedert und Tür- und Fensteröffnungen durch Umrahmungen verziert werden.

Menschen bevorzugen ein sich öffnendes Straßenbild

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Menschen bei untypischen Gestaltungselementen und Verzierungen vorsichtig sind. Man möchte sich nicht zu weit vom gesellschaftlich anerkannten "Mainstream" entfernen, den man vielleicht sogar als Norm empfindet. Aber auch in diesen Fällen sind es letztlich weniger als 50 Prozent, welche die ursprüngliche Form präferieren. Dezente Fassadenverzierungen sind den "nackten" Originalen überlegen.

Als nächstes wurden Fassaden von Häusern im Bauhausstil mit bekannten, verbreiteten Stilelementen verändert. Als solche wurden Holzverkleidungen und Steinsockel ausgewählt. Die Befragungen zeigen, dass die so veränderten Häuser mit großer Mehrheit den Originalen mit ihren kargen Fassaden vorgezogen werden. Für die ursprünglichen Fassaden kann sich jetzt nur noch etwa ein Viertel der Menschen erwärmen.

Schließlich wurden noch weitergehende Veränderungen getestet. Es wurden in Darstellungen große Fenster zur Straßenseite eingefügt und schräge Dächer aufgesetzt. Auch diese Varianten werden mit großer Mehrheit den Originalen vorgezogen. Die Ergebnisse belegen, dass die aktuelle Vorliebe der Architekten, Hausfassaden zur Straßenseite wie im Mittelalter mauerartig abzuschließen, nicht den Präferenzen der Bürger entspricht. Ein sich zur Straße öffnendes Haus wird präferiert. Insgesamt ergibt sich, dass Menschen mit den schlichten, kargen Häusern im Bauhausstil mehrheitlich unzufrieden sind. Es reichen wenige Veränderungen aus, um einen Umschwung weg von den Originalen zu induzieren.

Betrachtet man abschließend die Zahlungsbereitschaft, dann bestätigt sich der oben bereits angedeutete Befund: Etwa die Hälfte der Probanden zeigt für die von ihnen präferierten Lösungen keine Zahlungsbereitschaft. Dieses Ergebnis hatte bereits Mader (2010) erzielt. Die übrigen Probanden verteilen sich über ein relativ großes Spektrum von Beträgen.

Um nicht in einem inhomogenen Viertel mit einem störenden, stilabweichenden Bauhaus wohnen zu müssen, sind rund 50 Prozent der Probanden bereit, wie oben bereits erwähnt, zwei bis drei Prozent der Bausumme auszugeben.

Für einzelne Stilelemente ergeben sich folgende Zahlungsbereitschaften jeweils bezogen auf alle Befragten: Stuckartige Verzierungen an Fenstern würden 86 Prozent begrüßen und die dafür anfallenden Kosten tragen. Bei der Holzfassadenverkleidung sind es 45 Prozent und bei einer Steinfassadenverkleidung 56 Prozent. Bei Fassadenverzierungen in Form von Bemalungen würden 82 Prozent die Kosten tragen. Die Kosten für ein Schieferwalmdach statt eines bauhaustypischen Flachdaches würden 64 Prozent bezahlen.7) Für üppiger gestaltete Türrahmen würden 74 Prozent die Kosten tragen.

Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die schlichten, kargen Fassaden des Bauhausstils werden im Vergleich mit Fassaden in anderen Baustilen nur von einer Minderheit präferiert. Menschen in Deutschland wollen mit großer Mehrheit üppiger verzierte und ornamentierte Fassaden. Die Antwortalternative "indifferent" wird häufig gar nicht (0 Prozent) oder nur mit ganz wenigen Prozentpunkten gewählt. Das zeigt, wie wichtig den Menschen das Thema des Stils von Fassaden und Gebäuden ist.

Häuser mit schrägen Dächern sind beliebter

Die weiße Farbe ist absolut kein Muss. Andere Farben werden genauso geschätzt. Flachdächer werden überwiegend abgelehnt. Häuser mit schrägen Dächern werden bevorzugt. Fassaden, die mit Holz oder Natursteinen verkleidet sind, werden gegenüber den kargen Originalen mit großer Mehrheit bevorzugt. Bei untypischen, nicht verbreiteten Elementen an Fassaden sind die Menschen vorsichtig. Sie möchten soziale Kritik vermeiden und wählen im Zweifel das Bekannte. Deshalb entscheiden sie sich für sehr dezente Verzierungen, wenn die ursprüngliche Fassade zu langweilig und karg gestaltet ist. Für solche dezente Verzierungen reicht die Zahlungsbereitschaft aus.

Die von den Menschen bevorzugten Mittel der dezenten Fassadengestaltungen (wie aufgesetzte Rahmen, Leisten, farbliche Absetzungen) sind nicht teuer und können standardisiert hergestellt werden, sodass der dringende Rat an Architekten, Bauherren und Bauträger gegeben werden kann, mehr für eine gestaltungsreichere Fassade zu tun. Weiterhin kann der Rat an Stadtverwaltungen gegeben werden, das Instrument der Gestaltsatzung stärker zu nutzen und das Entstehen inhomogener Bauensembles zu verhindern.

Fußnoten

1) Vgl. Brigitte Community, Internetforum von Brigitte Digital, Hamburg (16.3.2017).

2) Vgl. Rauterbach, 2012, Und davon soll ich träumen? Deutschland hat ein Eliten- und ein Architektenproblem, in: Die Zeit, Nr. 28 vom 5.7.2012, S. 45.

3) Asabere, Hachey, Grubaugh, 1989, Architecture, Historic Zoning and the Value of Homes, in: Journal of Real Estate Finance and Economics, Vol. 2, Heft 3, 181-195. Moorhouse, Smith, 1994, The Market for Residential Architecture: 19th Century Row Houses in Boston´s South End. In: Journal of Urban Economics, Vol. 35, Heft 3, S. 267-277. Stamps, Nasar, 1997, Design review and public preferences: Effects of geographical location, public consensus, sensation seeking, and architectural styles, in: Journal of Environmental Psychology, Vol. 17, S. 11-32. Stamps, 2000, Psychology and the aesthetics of the built environment, Norwell.

4) Günther, Tony, 2016, Wert von Immobilien - Der Wert von Immobilien in Abhängigkeit von seinem Baustil und seiner Ästhetik, Wissenschaftliche Forschungsstudie an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der TU Chemnitz, Chemnitz; Hellwig, Sabine, 2016, Schönheit um jeden Preis? Einflussfaktor Ästhetik in der Immobilienbranche, Wissenschaftliche Forschungsstudie an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der TU Chemnitz, Chemnitz.

5) Küster, Nicole, 2014, Schönheit und Wert von Immobilien, Dissertation an der Technischen Universität Chemnitz, Chemnitz; Mader, N.A., 2010, Der Wertbeitrag von Stil bei Immobilien, Lößnitz.

6) Vgl. Günther, 2016, S. 70. Es sei angemerkt, dass die Untersuchung in Sachsen mit Mietpreisen von 7 bis 8 Euro/m2 durchgeführt wurde.

7) Vgl. Hellwig, 2016, S. 78ff.

Der Autor Prof. Dr. Friedrich Thießen Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Technische Universität Chemnitz
Prof. Dr. Friedrich Thießen , Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, Technische Universität Chemnitz
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