Immobilienmärkte in Ballungszentren - das Beispiel Rhein-Main

Gemeinsam bezahlbaren Wohnraum schaffen

Abbildung 1: Programme und Konditionen

In Kürze wird das hessische Umweltministerium unter der Leitung von Priska Hinz die Ergebnisse der umfassenden Wohnungsbedarfsprognose vorlegen. Dann wird endlich klar sein, wie viele Wohnungen in Hessen und speziell dem Ballungsraum Rhein-Main fehlen. Die Wohnungsbauministerin erhofft sich davon wichtige Erkenntnisse für die künftigen wohnungspolitisch notwendigen Schritte. Dabei gehe es keineswegs nur um die Politik, denn der Wohnraummangel könne nur unter Beteiligung aller Akteure bekämpft werden. Von daher sind in den hessischen Förderprogrammen auch die Zuschüsse für den Bau sozialer Wohnungen erhöht worden, nicht nur die Förderung selbst. Das scheint Früchte zu tragen: Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden in Hessen mehr als 1 500 neue bezahlbare Wohnungen angemeldet. Red.

Die Situation auf dem hessischen Wohnungsmarkt ist ernst: In vielen Städten gibt es seit Jahren zu wenig bezahlbaren Wohnraum, und zwar nicht erst durch die zusätzlich zu uns kommenden Flüchtlinge. Ob junge Familien, Studierende, Bürgerinnen und Bürger mit geringem oder mittlerem Einkommen, Rentnerinnen und Rentner oder Menschen mit Beeinträchtigungen - sie alle suchen angemessenen und damit auch bezahlbaren Wohnraum. Das gilt vor allem im Ballungsraum Rhein-Main und in den Universitätsstädten wie Darmstadt, Wiesbaden, Kassel, Gießen oder Marburg. Zugleich nimmt die Abwanderung aus ländlichen Gebieten in die Städte zu. Wir erwarten in den kommenden Jahren eher eine Verstärkung dieses Trends.

Neue Diskussionsgrundlage

Wie viel Wohnraum tatsächlich fehlen wird, das können wir kaum vorhersagen. Keiner kann in die Zukunft schauen. Wir können aber anhand statistischer Daten und Auswertungen eine Prognose wagen. Derzeit analysiert das IWU (Institut Wohnen und Umwelt) im Auftrag des Umweltministeriums die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt. Diese Analyse erlaubt einen Blick in die Zukunft: Mit der Wohnungsbedarfsprognose, die wir in Kürze der Öffentlichkeit vorstellen werden, verfügen wir dann über eine neue Diskussionsgrundlage, mit der wir klarer und realistischer einschätzen können, wie hoch der Bedarf in den kommenden Jahren sein könnte. Natürlich ist auch dies eine statistische Berechnung, eine Prognose auf der Basis mathematischer Modelle. Aber ich bin mir sicher, dass sie uns helfen wird, unsere Wohnungsbaupolitik noch genauer und zielgerichteter auf die Bedarfssituation am Wohnungsmarkt auszurichten.

Die hessische Landesregierung arbeitet bereits seit 2014 mit Hochdruck an einem wohnungspolitischen Gesamtpaket, das die Situation schon heute und morgen aber vor allem langfristig entspannt. Denn das Problem ist vielfältig: Der Bedarf an Wohnungen steht einem Mangel an verfügbarem Bauland gegenüber und auf den wenigen freien Flächen konkurrieren frei finanzierter und staatlich geförderter sozialer Wohnungsbau. Schließlich kann jedes Grundstück nur einmal bebaut werden.

Erfreulich ist, dass die aktuelle Niedrigzinsphase dazu führt, dass vermehrt in Immobilien investiert wird - auch in den Neubau. Das ist eine gute Nachricht, denn natürlich brauchen wir privates Engagement, um genügend Wohnungen bereit zu stellen. Dazu gehören auch frei finanzierte Miet- und Eigentumswohnungen. Dabei dürfen die Anliegen des sozialen Wohnungsbaus aber nicht geopfert werden. Denn Quadratmeterpreise von 25 Euro und mehr helfen den Bürgerinnen und Bürgern mit mittleren Einkommen gar nicht - weder dem Krankenpfleger, Facharbeitern und Erzieherinnen noch der Polizistin im mittleren Dienst.

Gefahr der Verdrängung

Was ich damit sagen will: Der Wohnungsmarkt darf nicht zu einer Verdrängung und sozialen Spaltung führen, sodass in den Städten nur noch Einkommensstarke leben können und alle anderen in die Außenbezirke gedrängt werden. Dies würde den vielfältigen städtischen Raum nachhaltig und nicht zum Positiven verändern - dem stellt sich die Landesregierung ganz klar entgegen.

Daher wollen wir eine integrierende Wohnungspolitik in Hessen und setzen untern anderem auf umfangreiche, zielgerichtete Förderprogramme zu wirtschaftlich attraktiven Rahmenbedingungen sowie einen offenen Dialog mit allen relevanten Akteuren über die Herausforderungen am Markt.

Bei der Förderung von bezahlbarem Wohnraum kommt es nicht nur auf die Höhe des zur Verfügung stehenden Geldes an, sondern auch auf die Ausgestaltung der Programme. Das heißt: Wer darf in den entstehenden Wohnungen leben, wie hoch darf die Miete sein und welche energetischen Standards werden angelegt? Vor allem für Investorinnen und Investoren sowie die Immobilien- und Kreditwirtschaft ist damit die wirtschaftliche Attraktivität von sozialem Wohnungsbau verbunden.

Hessen hat die Mittel für die Wohnraumförderung kräftig aufgestockt und damit unter anderem auf den zusätzlichen Bedarf durch Flüchtlinge reagiert. Allein durch das Kommunale Investitionsprogramm, kurz KIP, stehen zusätzliche 230 Millionen Euro zur Verfügung. Davon profitieren vor allem Städte und Gemeinden abseits des Ballungsraums, da mit den Geldern aus dem KIP Wohnungen und Häuser im ländlichen Raum gekauft und modernisiert werden können. Das betone ich ganz bewusst: Bezahlbaren Wohnraum muss es überall in Hessen geben.

Darum haben wir die Fördermittel bis 2019 auf insgesamt eine Milliarde Euro aufgestockt und spezielle Programme für verschiedene Zielgruppen aufgelegt (siehe Abbildung 1). Damit können 10 000 neue Wohnungen für 30 000 Menschen gebaut werden.

Bau von sozialem Wohnraum muss sich auch lohnen

Ein Beispiel: Für Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrem Einkommen über der Grenze für Sozialwohnungen liegen und trotzdem auf moderate Mieten angewiesen sind, haben wir ein eigenes Förderprogramm für mittlere Einkommen geschaffen. Auch die Förderung von Wohnungen für Studierende haben wir mit neuem Leben erfüllt. 2013 hat das Land dafür gut drei Millionen Euro investiert - 2015 waren es 28 Millionen Euro, also fast das Zehnfache.

Neben den bekannten Förderdarlehen gibt das Land außerdem wieder Zuschüsse, um den Bau günstiger Wohnungen auch für die Wohnungswirtschaft attraktiver zu machen. Denn eines ist klar: Wer Wohnungen baut, möchte sie auch zu einem angemessenem Preis verkaufen oder vermieten. Damit der Bau von sozialem Wohnraum wirtschaftlich mit frei finanzierten Wohnungen konkurrieren kann, bietet Hessen für jedes Förderdarlehen einen Finanzierungszuschuss von zehn Prozent (bei Neubau) und fünf Prozent (bei Modernisierung) an, der nicht mehr zurückgezahlt werden muss.

An fehlenden Fördermitteln wird der Wohnungsbau jedenfalls nicht scheitern: Seit diese Regierung im Amt ist, wurde noch kein einziger Förderantrag aus Geldmangel abgelehnt. Dass die Förderprogramme im Land ankommen, zeigen auch die aktuellen Anmeldezahlen. Allein in den vergangenen vier Monaten wurden mehr als 1500 neue bezahlbare Wohnungen angemeldet. Viele weitere sind in der Planung. In diesem Tempo kann es gerne weitergehen. Das meine ich ausdrücklich als Appell an alle, die in der Immobilienwirtschaft tätig sind und so ihr Geld verdienen.

Und da bin ich auch schon bei einem weiteren, wichtigen Teil unserer Wohnungspolitik: Um die angespannte Situation am Wohnungsmarkt langfristig in den Griff zu bekommen möchten wir uns mit allen Akteuren regelmäßig austauschen und an einen Tisch setzen.

Regelmäßiger Austausch

Der Landesregierung ist nicht nur wichtig, mit den Kommunen zusammenzuarbeiten und gemeinsam zu analysieren, in welchen Städten der Bedarf besonders stark steigt und mögliche Lösungswege zu suchen. Wir brauchen darüber hinaus auch ein Bündnis aller relevanten Akteure: der Kommunen, der Wohnungswirtschaft, der Mieterverbände und vieler mehr.

Genau deshalb habe ich Mitte 2015 die Allianz für Wohnen gegründet. Hier können drängende Fragen wie zum Beispiel das fehlende Bauland diskutiert werden. Ende März hat die Allianz für Wohnen getagt und erste Maßnahmen beschlossen, die nun nach und nach umgesetzt werden sollen.

Zunächst sollen Hürden für den Wohnungsbau beseitigt werden. Wir werden eine Beratungsstelle für alle Fragen des Wohnungsbaus schaffen, die erste Informationen zur Verfügung stellt und bei Bedarf an Fachleute vermitteln kann. Außerdem werden wir einen Wissenstransfer organisieren, damit rechtliche Regelungen zur Schaffung neuer Wohnungen führen und dies nicht verhindert - etwa bei der Aufstockung von Gebäuden nach der Hessischen Bauordnung. Einige Mitglieder erarbeiten gerade Anleitungen für die Konzeptvergabe von Flächen.

Die Bekämpfung der Wohnungsnot ist und bleibt eine der großen Aufgaben der kommenden Jahre. Die Landesregierung hat Rahmenbedingungen geschaffen, mit denen es gelingen kann, diese Aufgabe zu bewältigen. Erste Erfolge können wir bereits vorweisen. Fest steht aber: Die Politik kann diese Aufgabe nicht alleine stemmen. Wir schaffen das nur gemeinsam und nur unter Beteiligung aller Akteure der Wohnungswirtschaft.

Die Autorin

Priska Hinz Hessische Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Wiesbaden

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