Sozialer Wohnungsbau

Gestaltungsmöglichkeiten bei Kooperationen von öffentlicher Hand und privaten Rechtsträgern

Dr. Barbara Buhr, Rechtsanwältin, KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München/Nürnberg

Quelle: KPMG

In Deutschland klafft eine Baulücke von etwa einer Million Wohnungen. Eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Kommunen oder in Form öffentlich-privater Partnerschaften könnte da Abhilfe schaffen. Insbesondere bei Letzteren ist laut Autorin aber eine differenzierte Gestaltung der Kooperationsvereinbarungen notwendig. Auch Entscheidungskompetenzen müssten angemessen berücksichtigt werden, um das Zusammenwirken auf lange Zeit fruchtbar werden zu lassen. Bei der Auftragsvergabe plädiert die Autorin für gesamthafte Vergabemodelle. Denn dies führe zu verkürzten Bauzeiten. Alternative Materialien und Bauweisen könnten hier ebenfalls zu einer spürbaren Kostenentlastung führen. Der Bewerberkreis sollte darüber hinaus eher weit gefasst werden, um nicht bereits auf der Stufe des Teilnahmewettbewerbs den Interessentenkreis zu weit einzuschränken. Red.

Investitionen in den sozialen Wohnungsbau sind zu Recht ein Dauerbrenner für öffentliche und private Wohnungsunternehmen, Investoren und Wohnungssuchende. Auch wenn in der letzten Zeit vielerorts von einem Rückgang von Flüchtlingszahlen zu lesen ist, so hat das Thema sozialer Wohnungsbau nicht an Bedeutung und Brisanz verloren. Dies gilt insbesondere in den Ballungsräumen, die nach wie vor einen Bevölkerungszuwachs verzeichnen. Wohnungssuchende sind dabei neben Angehörigen der einheimischen Bevölkerung sowohl Personen, die aufgrund des Arbeitsplatzes oder des Studienortes in einen städtischen Großraum zuziehen, als auch die eingangs erwähnten geflüchteten Menschen nach dem Durchlaufen eines Anerkennungsverfahrens.

So hat eine aktuelle Prognos-Studie "Wohnungsbautag 2017" in Deutschland eine Wohnungsbaulücke von rund einer Million Wohnungen ermittelt. Neben den geschilderten Ursachen für den hohen Bedarf an Wohnungen werden vor allem die knappe Verfügbarkeit von Grundstücken, langwierige Vergabeprozesse und die fehlende Investitionsbereitschaft potenzieller Investoren in den sozialen Wohnungsbau für den Mangel an kurzfristig zur Verfügung stehendem Wohnraum vorgebracht. So vielfältig wie die einzelnen Aspekte, welche die Ursachen für die Ist-Situation beschreiben, so vielfältig müssen auch die Lösungsansätze sein, die sich nicht ausschließen sollten, sondern durch ein Zusammenwirken und einen Einsatz an geeigneter Stelle zu Verbesserungen in der Realisierung des sozialen Wohnungsbaus beitragen.

Erste Hürde für die Realisierung von Bauvorhaben ist vielerorts die Verfügbarkeit von Grundstücken, begründet in der bereits bestehenden hohen Verdichtung in den Städten und der daraus resultierenden Wettbewerbssituation. Hier konkurrieren öffentliche Wohnungsunternehmen mit einer Vielzahl von privaten Investoren am freien Markt.

Umnutzung von Gewerbeflächen notwendig

Von besonderer Bedeutung ist es daher, vorhandene Brachflächen für den Wohnungsmarkt verfügbar zu machen. Als Lösungsansatz ist hierfür die Umnutzung von bisher gewerblich genutzten Flächen zu nennen, sofern diese für den Wohnungsbau grundsätzlich geeignet sind. Lage, Bodenbeschaffenheit und infrastrukturelle Anbindung sind dabei wesentliche Kriterien, die bestimmte Mindestanforderungen erfüllen müssen, um den Wohnungsbau zu ermöglichen. Andernfalls können die mit der Nutzbarmachung des Grundstücks verbundenen Kosten zu hoch sein und sich auf die Gesamtwirtschaftlichkeit des Projektes niederschlagen. Eine größere Anzahl an verfügbaren Flächen trägt jedoch für sich genommen zur Entspannung am Grundstücksmarkt bei.

Innovative Aspekte für die bauliche Nutzung sind die Aufstockung vorhandener Bausubstanz und die Überbauung vorhandener Flächen, die zu einer Flächenmehrung für den Wohnungsbau führen können. Grundvoraussetzung hierfür ist, dass die vorhandene Bausubs tanz unter statischen Gesichtspunkten eine Aufstockung zulässt und planerisch-architektonische Gestaltungsanforderungen vorliegen, welche für eine angemessene Wohn- und Aufenthaltsqualität erforderlich sind. Letztendlich gilt es hier, in Zusammenarbeit mit Planern und Architekten tragfähige Konzepte zu entwickeln, die Grundlage für spätere konkretisierende Planungen sind und als Bestandteil einer ganzheitlichen Stadtentwicklungsaufgabe begriffen werden.

Interkommunale und öffentlich-private Kooperationen

Nicht zuletzt stellen Kooperationen eine Möglichkeit dar, den Zugriff auf Flächen zu erweitern. Hierfür kommen sowohl öffentlich-öffentliche Kooperationsformen als auch öffentlich-private Zusammenschlüsse in Betracht, um die Akquisition von Grundstücken zu erleichtern. Die Instrumente der interkommunalen Zusammenarbeit sind dabei ein gesetzlich vorgesehenes und bekanntes Instrumentarium, um eine gemeinsame Aufgabe zu realisieren. Eine Kooperation kann dabei aber nur gelingen, sofern für alle Beteiligte eine Win-Win-Situation besteht. Insbesondere im Falle von Kooperationen, bei denen kleinere Gebietskörperschaften mit größeren Kommunen kooperieren, bestehen von den vermeintlich kleineren Partnern diesbezüglich häufig zunächst Vorbehalte. Hierzu gilt es, durch eine differenzierende Gestaltung der Kooperationsvereinbarungen die Leistungsanteile der einzelnen Partner sowie die notwendigen Entscheidungskompetenzen angemessen zu berücksichtigen, um eine auf Dauer angelegte Zusammenarbeit zu ermöglichen.

Dies schließt ein, dass die zuständigen kommunalen Gremien in die Vorbereitung der Kooperation angemessen einbezogen werden, um die vorhandenen Interessenlagen zu berücksichtigen und in für einer für alle Beteiligten akzeptablen Weise abbilden zu können.

Gestaltungsspielräume in Vergabeprozessen nutzen

Ein wesentliches Element, um die Umsetzung von Bauvorhaben zu beschleunigen, ist die Nutzung von gesamthaften Vergabemodellen. Dies kann sowohl die Zusammenfassung von Planungselementen als auch die von Planungs- und Bauleistungen, sogenannten Generalunternehmer- beziehungsweise Generalübernehmervergaben, beinhalten. Eine zusammengefasste Vergabe kann erheblich zu Verkürzungen der Bauzeiten, zur Risikominimierung aufseiten der öffentlichen Auftraggeber und zu organisatorischen Vereinfachungen aufseiten der öffentlichen Auftraggeber führen. Durch gesamthafte Vergabemodelle lässt sich der bei gewerkeweisen Vergaben anfallende hohe Koordinierungsaufwand vermeiden, der zum einen personelle Ressourcen bindet. Zum anderen kann der Auftraggeber auf diese Weise Schnittstellenrisiken zwischen den Gewerken auf den Generalunter/übernehmer, beispielsweise Abgrenzung der Verantwortlichkeit für Gewerke oder Kettenreaktionen bei Verzögerungen, übertragen, da der Generalunter/übernehmer eine einheitliche Leistung schuldet.

Selbstverständlich sind hierfür die vergaberechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beinhaltet für die Durchführung von Beschaffungen den Grundsatz der Losvergabe (vergleiche § 97 Abs. 4 GWB), der insbesondere den Mittelstandsschutz im Fokus hat. Die Zulässigkeit, Lose zusammenzufassen beziehungsweise gesamthaft zu vergeben, ist aus vergaberechtlicher Sicht immer eine Frage des Einzelfalls. Die Spruchpraxis der Vergabekammern und die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte haben sich jedoch in einer Vielzahl von Entscheidungen mit dem Grundsatz der Losvergabe beschäftigt und Abweichungen bei entsprechender Sachverhaltskonstellation und Begründung zugelassen. Besonderes Augenmerk ist dabei immer anzuwenden, wenn Fördermittel für das Vorhaben eingesetzt werden. Um die Reduzierung oder den Verlust von Fördermitteln zu vermeiden, sind gesamthafte Vergaben im Vorfeld mit den Fördermittelgebern zwingend abzustimmen.

Innovative Einbindung modularer Bauweisen

Innovative Ansätze für den sozialen Wohnungsbau bieten auch alternative Materialien und Bauweisen. Auch hier gilt die Grundannahme, dass die gesetzlichen Vorgaben an energetische Anforderungen, Brand- und Schallschutz und weitere einzuhalten sind. Inwieweit die Lockerung dieser Vorgaben zur Reduzierung von Baukosten führen und damit einen weiteren Aspekt zur Beförderung des sozialen Wohnungsbaus darstellen kann, soll nicht Gegenstand dieses Beitrages sein. Im Rahmen der Planung von Einzelvorhaben sowie im Zuge der Erarbeitung von baulichen Leitlinien für den sozialen Wohnungsbau kann jedoch die Zulassung modularer Bauweisen ein weiteres Instrument sein, das zur Beschleunigung in der Umsetzung der einzelnen Vorhaben führt.

Um den Qualitätsanforderungen und -ansprüchen des öffentlichen Auftraggebers zu genügen, bedarf die Beschreibung der modularen Bauweise aber in jedem Fall einer detaillierten Darstellung in der Leistungsbeschreibung der Vergabeunterlagen. Abgrenzungen zu Containerbauweisen et cetera sind ebenfalls darzustellen, um den Beschaffungsgegenstand einzugrenzen. Dieses Recht steht dem öffentlichen Auftraggeber als Herr des Vergabeverfahrens auch zu.

Besonderes Augenmerk ist bei der Einbindung alternativer Bauweisen darauf zu richten, ob die Vergleichbarkeit in der Wertung der Bieterangebote im Vergleich zu herkömmlichen Ausführungsweisen gegeben ist. Auch hier ist eine detaillierte baufachliche Beschreibung erforderlich.

Um weiterhin die Attraktivität für die Teilnahme an Vergabeverfahren zu erhöhen, sollten öffentliche Auftraggeber sowohl im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs darauf achten, durch angemessene Eignungskriterien und möglichst flexible vergabeprozessuale Regelungen den Bewerberkreis eher weit zu fassen, um nicht bereits auf der Stufe des Teilnahmewettbewerbs den Interessentenkreis zu weit einzuschränken.

Hohe Mindestanforderungen an Umsatz- oder Mitarbeiterzahlen schließen tendenziell kleinere, gegebenenfalls aber hochspezialisierte Bewerber von vornherein aus. Im Einzelfall ist zu entscheiden, welche Hürden an Erfahrungen und Referenzen aufgestellt werden sollen. Denn auch hier können enge Vorgaben dazu führen, dass sich interessante Bewerber nicht am Verfahren beteiligen. Letztlich ist eine Abwägung zwischen den Bedürfnissen des Auftraggebers an die Eignung der Bewerber und an einer Breite des Bewerberkreises vorzunehmen.

Externe Beteiligungsanreize schaffen

Sofern die Projekte nicht über die Inanspruchnahme von Fördermitteln kofinanziert werden können, stellt sich auch die Frage nach einer geeigneten externen Finanzierung.

Inwieweit Finanzierungsleistungen Teil des Ausschreibungsprozesses sein müssen, ist anhand des konkreten Falls zu klären. Die Vergabegesetze sehen im Einzelfall Ausnahmen für die Vergabepflicht für Finanzierungsleistungen vor. Insbesondere für institutionelle Anleger wie Pensionskassen oder Versicherungen können Investitionen in den sozialen Wohnungsbau dabei von Interesse sein, da hierbei langfristige Renditeobjekte generiert werden können.

Kooperationen von öffentlicher Hand und privaten Rechtsträgern bergen Potenziale, um einen Betrag zur Linderung der Wohnungsnot zu leisten. Auch die interkommunale Zusammenarbeit lässt sich ausschöpfen.

Bei der Projektrealisierung sollten die vorhandenen vergaberechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden. Für den öffentlichen Auftraggeber können gesamthafte Vergaben und die Öffnung in Richtung externer Finanzierungsmodelle hier zusätzliche Impulse liefern. Als Herr des Verfahrens kann er dabei die Anforderungen an den Beschaffungsbedarf, die aus seiner grundsätzlichen strategischen Ausrichtung resultieren, einzelfallbezogen einbinden.

Die Autorin Dr. Barbara Buhr, Rechtsanwältin, KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München/Nürnberg
Dr. Barbara Buhr , Partnerin und Expertin für öffentliches Bau und Vergaberecht , KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Nürnberg
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