Immobilienwirtschaft 4.0

Herausforderungen und Chancen des digitalen Wandels

Kai Zimprich, Head of Digital Services, Jones Lang LaSalle Deutschland, Frankfurt am Main

Nein, es reiche nicht, bei der Digitalisierung lediglich nach der richtigen Software und der Implementierung zu fragen - man müsse auch Fragen nach dem "Warum" beantworten. Der Autor des vorliegenden Beitrages weiß, wovon er spricht, denn er ist in seinem Unternehmen für die Umsetzung digitaler Strategien verantwortlich. Das Vertrauen bei den Mitarbeitern solle durch Change Management- und Kommunikationsmaßnahmen aufgebaut werden. Auf diese Weise könne das Verständnis für die Notwendigkeit der digitalen Transformation spürbar steigen. Bei der Umsetzung dieser Aufgabe solle man auch nicht davor zurückschrecken, sich externe Partner mit entsprechender Erfahrung und Spezialisierung - beispielsweise aus der Proptech-Szene - zu suchen, um digitale Herausforderungen gemeinsam zu gestalten. Red.

Daten sind die neue Währung unserer Zeit. Die stetige Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien hat neue digitale Business-Modelle ermöglicht. Online-Marktplätze bieten Immobilien-Angebote und steigern die Informationstransparenz. Mit dem gleichen Ziel oder um die Potenziale von Big Data zu kapitalisieren, streben Daten- und Daten-Management-Anbieter auf die Märkte. Proptech-Start-ups stellen in kurzer Zeit neue Produkte und Tools zur Verfügung. Allen gleich sind die Professionalität im Umgang mit digitalen Technologien und Prozessen sowie das Infragestellen tradierter Geschäftsmodelle und -prozesse.

Nicht nur in der Immobilienwirtschaft verbinden viele Unternehmen mit Digitalisierung in erster Linie neue Informations- und Kommunikationstechnologien. Sie beschäftigen sich daher vor allem mit hierfür "passenden" Anwendungen oder Tools und gegebenenfalls noch mit deren Integration in die Geschäftsprozesse. Aus unserer Sicht ist es wichtiger, nicht mit Antworten auf die Fragen nach dem Was bei Software oder dem Wie der Implementierung zu starten, sondern Antworten auf das Warum zu formulieren. Warum fordern uns digitale Geschäftsmodelle heraus? Warum gewinnen Daten zunehmend an Bedeutung? Warum beeinflusst der digitale Wandel die Nachfrage am Markt oder die Bedarfe und Anforderungen unserer Kunden an uns? Die Antworten hierauf sind als Teil der gesamten Unternehmensstrategie zu verstehen und nicht als Teil der IT-Strategie. Ändern müssen sich nicht nur die technischen Voraussetzungen, sondern vor allem Einstellungen, Arbeitsmodelle und Prozesse.

Digitalisierung als innovatives Geschäftsmodell

Damit verstehen wir unter Digitalisierung das Verständnis von einem innovativen Geschäftsmodell, einer Strategie und/oder einer Zukunftsorientierung, das auf dem Einsatz und der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien basiert. Die durch gängige Vernetzung aller Bereiche des Unternehmens sowie die Anpassung der Beteiligten (Mitarbeiter, Kunden, Dienstleister) an die neuen Gegebenheiten der Informations- und Kommunikationstechnologie bilden den "digitalen Wandel" ab.

Geschäftstätigkeiten sowie der Umgang zwischen Unternehmen, Kunden und Dienstleistern verlagern sich zusehends von der realen in die virtuelle Welt. Hierdurch erhalten Virtualisierung und Vernetzung genauso eine neue und wesentliche Bedeutung wie der Kunde, der in den Vordergrund der Betrachtung rückt. Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und damit verbunden digitale Innovationen haben unser Verhalten und damit die Bedarfe eines jeden signifikant verändert. Insbesondere aufgrund des Internets erwartet jeder, privat wie beruflich, Informationen in Echtzeit. Dies natürlich in bester Qualität und angereichert mit zusätzlichen Informationen oder Inhalten - neudeutsch "Content".

Dieser digitalen Erwartungshaltung müssen sich Unternehmen stellen. Der Kunde erhält damit eine zentrale Rolle im eigenen Digitalisierungsprozess (Customer Journey). Es gilt, die Bedarfe des Kunden zu analysieren, bevor man in Aktionismus verfällt. Der Kunde erwartet einen Mehrwert, der über die Informationen hinausgeht, die er sich selbst über das Internet frei verschaffen kann. Auch hier geht es somit weniger um neue Tools oder Softwarelösungen, die man zur Verfügung stellen könnte - die technische Welt ist für viele schon verwirrend genug.

Es geht um die durchgängige Vernetzung aller wesentlichen Bereiche des Unternehmens. Nur so lassen sich rasch Antworten auf neue Kundenbedarfe, erweiterte Informationen oder verbesserte Services zur Verfügung stellen. Veränderte Kundenbedürfnisse helfen somit ebenfalls, überkommene Dienstleistungsstrukturen aufzubrechen und interne Silos zu reduzieren.

Proptechs schließen Dienstleistungslücken

Proptechs, also Unternehmen, die Immobiliendienstleistungen durch technische Lösungen anreichern oder verändern, forcieren den digitalen Wandel in der Immobilienwirtschaft. Sie zielen auf Effizienzsteigerung durch Standardisierung und Automatisierung oder auf die Einführung neuer Ansätze, Produkte oder Dienstleistungen mit Hilfe neuer Informations- und Kommunikationstechnologien ab. Häufig schließen sie Lücken im Dienstleistungsbereich, optimieren und beschleunigen Prozesse oder liefern beispielsweise neue Daten, Inhalte oder Analysemöglichkeiten. Alleine damit fordern sie bereits Immobilienunternehmen heraus. Zusätzlich sind sie deutlich flexibler und damit dynamischer in ihrer Umsetzung. Sie agieren unabhängig von bestehenden Systemen und auch "Gewohnheiten" am Markt und stellen "tradierte" Herangehensweisen in Frage. Gleichzeitig nutzen sie im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien agile Entwicklungsmethoden, die vor allem die interne Flexibilität erhöhen und somit schneller neue Dienstleistungen, Produkte oder Tools liefern können.

Der Systemwandel ist bereits voll im Gange. Über das Internet kann man heute bereits frei und kostenlos auf einen sehr großen Fundus unterschiedlichster Datenquellen, Informationen und Angebote zurückgreifen. Der Ansatz von BIM (Building Information Modeling) kann dazu beitragen, immobilienbezogene Daten von der Gebäudekonzeptionierung über die Realisierung, Vermietung und Bewirtschaftung bis hin zum Gebäudeabriss in neuer und damit auch transparenter Art bereitzustellen.

Mithilfe von künstlicher Intelligenz und Machine Learning werden stetig mehr und vor allem "unbekannte" Daten aus unterschiedlichsten Quellen extrahiert und in neue (Immobilien-)Zusammenhänge überführt. Das Einzeldatum verliert zunehmend an Bedeutung. Dieses große Ganze gilt es zu verstehen und in seine eigenen Geschäftsmodelle und -strategien zu integrieren. Daher stellt sich weniger die Frage, ob man für den Systemwandel bereit ist, sondern wie man sich diesem stellt und ihn in seine Unternehmensstrategie integriert.

USA ist bei der Digitalisierung schon weiter

Allgemein betrachtet, mag es in diesem Zusammenhang richtig sein, dass die Digitalisierung in den USA weiter vorangeschritten ist als in Deutschland, da von dort viele digitale Innovationen stammen. Das liegt alleine schon darin begründet, dass die Bereitstellung von Venture Capital (VC) in den USA eine ganz andere Tradition als in Europa oder Deutschland hat und viele Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückreicht.

Nach der Dot.Com-Blase zu Beginn dieses Jahrtausends hat es fast eine Dekade gedauert, bis die Risikobereitschaft in Deutschland zurückgekehrt ist, wieder in Start-ups investiert. Und das ist von elementarer Bedeutung. Denn Schnelligkeit, Flexibilität und Agilität sind grundsätzlich wichtige Erfolgsfaktoren. Das zeigen uns nicht zuletzt die Entwicklungen innerhalb der Start-up-Szene: Auf Basis von "proof of concepts" werden dort Ideen und Ansätze im Kleinen ausgerollt, überprüft, adjustiert oder gar komplett verworfen und neu aufgesetzt, bevor es um die Finalisierung des Endprodukts geht. Die Immobilienbranche kann hier viel von den Ansätzen und Methoden der Start-ups lernen, wenn es insbesondere um das Aufsetzen und die Einführung neuer Produkte, Tools oder gar Dienstleistungen gilt.

Was Digitalisierung, den digitalen Wandel und die damit einhergehenden Herausforderungen in der Immobilienbranche betrifft, bestehen in diesem Zusammenhang keine wesentlichen Unterschiede zwischen Deutschland und den USA. Die Notwendigkeit zur Veränderung ist unabhängig vom geografischen Standort. Oder anders ausgedrückt: Der digitale Wandel ist kein angelsächsisches, chinesisches oder deutsches Thema, sondern ein globales.

Das wichtigste Kapital eines Unternehmens sind die Mitarbeiter. Die Diskussionen über Standardisierung und Automatisierung verdrängen mitunter, dass wir es nicht nur mit digitalen Daten, sondern immer mit Menschen zu tun haben - sowohl auf Kunden- als auch auf Mitarbeiterseite.

Es gilt, die Belegschaft eines Unternehmens in den Prozess des digitalen Wandels einzubinden, sie abzuholen und mitzunehmen. Hierfür sind Wertesysteme notwendig, in denen sich jeder einzelne Mitarbeiter wiederfindet und die von oben, also dem Topmanagement, der Geschäftsführung oder der Board-Ebene (vor-)gelebt werden. Durch Change Management- und Kommunikationsmaßnahmen, in denen stets auch das "Warum" erläutert wird, wird Vertrauen aufgebaut. Dies fördert das Verständnis für die Notwendigkeit der digitalen Transformation spürbar. Und nur so lassen sich die beste Beratungsleistung und damit ein Kundenmehrwert realisieren.

Bei der Digitalisierung und dem digitalen Wandel handelt sich nicht um ein Projekt mit Start- und Endpunkt, sondern um einen Prozess. Dieser findet nicht in einer Parallelwelt statt, sondern muss als Bestandteil der Unternehmensstrategie in die DNA eines Unternehmens integriert sein. Wer hierzu bereits heute in der Lage ist, hat gute Chancen, sich auch in der Zukunft von der Konkurrenz abzuheben - egal ob tradiertes oder Proptech-Unternehmen. Darüber hinaus werden diejenigen Unternehmen von der Digitalisierung profitieren, die sich an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Noch besser werden diejenigen dastehen, die selbst (digitale) Innovationen liefern und damit den digitalen Wandel mitgestalten.

Belegschaft in den Wandel mitnehmen

Die Digitalisierung und den damit verbundenen digitalen Wandel kann und sollte man nicht ignorieren. Es gilt, als Teil der Unternehmensstrategie aktiv Antworten auf die Herausforderungen zu formulieren. Die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen kann man sicherlich versuchen, selbst zu gestalten. Allerdings läuft man Gefahr, das "Rad neu zu erfinden". Effizienter wäre es, sich Partner mit entsprechender Erfahrung und Spezialisierung zu suchen - zum Beispiel aus der Proptech-Szene -, um digitale Herausforderungen gemeinsam zu meistern und in eine Win-Win-Situation zu wandeln.

Der Autor Kai Zimprich Head of Digital Services, Jones Lang LaSalle Deutschland, Frankfurt am Main
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