Schwerpunkt Unternehmensimmobilien

Die Immobilienwirtschaft der katholischen Kirche

Dirk Wummel, Leiter der Hauptabteilung Finanzen, Erzbistum Paderborn

Die Kirchen zählen zu den größten Immobilien- und Grundstücksbesitzern in der Bundesrepublik Deutschland. Neben den bundesweit rund 24 000 katholischen Gotteshäusern und etwa 21 000 evangelischen Kirchengebäuden gibt es noch eine Vielzahl weiterer Gebäude wie beispielsweise Pfarrhäuser und Gemeindezentren. Dieser Immobilienbestand wurde über Jahrhunderte durch Eigenleistung, Steuern, Schenkungen und Spenden der Gläubigen aufgebaut. Am Beispiel des Erzbistums Paderborn erläutert der Autor die wichtigsten Grundprinzipien und Herausforderungen der kirchlichen Immobilienverwaltung. Er betont, dass die Kirche in erster Linie natürlich immer ein sakraler und öffentlicher Raum fernab von betriebswirtschaftlichen Überlegungen bleibe. Gleichzeitig wird etwa im Rahmen des Facility Management durchaus der Versuch unternommen, die laufenden Bewirtschaftungskosten möglichst zu minimieren. Red.

Wenn hier von "Kirche" gesprochen wird, umfasst der Begriff in diesem Kontext die engere rechtliche Definition, nämlich Kirche in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Nicht gemeint sind damit die vielen rechtlich selbstständigen Träger von sozialen Einrichtungen wie zum Beispiel Krankenhäuser, Pflegeheime und Behinderteneinrichtungen in der Rechtsform von eingetragenen Vereinen, Stiftungen oder GmbHs, die über entsprechende Spezialimmobilien verfügen. Über diese vielen Einzelimmobilien gibt es keine konsolidierten Daten, der Gesamtbestand wird aber für ein relativ großes Erzbistum wie Paderborn auf zwei Milliarden Euro Bilanzwert geschätzt. Der Marktwert dürfte für diese Spezialimmobilien allerdings deutlich niedriger sein, da eine Drittverwendung nur schwer möglich ist.

Die "typische" Kirchengemeinde verfügt über eine Kirche, ein Pfarrheim, eventuell eine Kindertagesstätte und/oder ein Pfarrbüro. Dazu kommen noch sogenannte wirtschaftliche Einheiten. Das sind Immobilien, die primär Vermögenserträge erwirtschaften. Im Erzbistum

Paderborn gibt es rund 700 Kirchengemeinden, in denen über 3 000 Einzelimmobilien verwaltet werden. Diese Immobilien sind auf dem ganzen Gebiet des Erzbistums (14 475 Quadratkilometer) verteilt. Mehr als 50 Prozent des Gebäudebestandes ist 50 Jahre und älter.

Verkündigungsauftrag genießt Priorität

In der Regel handelt es sich um Spezialimmobilien, die pastoralen Zwecken dienen und zum "Kerngeschäft" der Pastoral zählen. Zwar sind diese Immobilien eine Art "Unternehmensimmobilien", aber im Gegensatz zu gewerblichen Immobilien ist es nicht das Ziel, mit ihnen einen Ertrag zu erwirtschaften. Eine Verzweckung von sakralen Gebäuden beispielsweise durch Verkaufsstellen für Souvenirs in der Kirche oder kommerzieller Werbebanner an Außenflächen sind ausdrücklich nicht gewollt. Vielmehr geht es primär darum, den Verkündigungsauftrag der Kirche zu erfüllen.

Hinzu kommt, dass diese Immobilien in der Mehrheit denkmalgeschützt (einige ganz wenige sind sogar Unesco-Weltkulturerbe) und fast immer ortsprägend sind. Außerdem sind sie von hohem kulturellen Wert. Sie besitzen aber de facto keinen Marktwert, da eine Drittverwendung so gut wie nicht möglich ist - das verdeutlichen die eher seltenen Fälle eines Verkaufes einer denkmalgeschützten Kirche, die dann zu einem symbolischen Preis verkauft wird.

Die Kirche betreibt ein Facility Management, um mit ihrem Immobilienbesitz auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren zu können und die laufenden Bewirtschaftungskosten zu minimieren.

Haupt- und ehrenamtliches Facility Management

Bei allem Optimierungswillen bleibt ein Kirchenraum jedoch primär ein sakraler und öffentlicher Raum. Das kirchliche Facility Management zeichnet sich aus durch

a) professionelle Unterstützung sowohl durch hauptamtliche Mitarbeiter des Erzbischöflichen Generalvikariats in Paderborn als auch in dezentralen Einheiten vor Ort sowie

b) ehrenamtliches Engagement. In der Regel gibt es in jedem Kirchenvorstand mindestens ein Mitglied, welches sich um den Immobilienbestand kümmert. Die Identifikation mit den Gebäuden ist viel höher als bei Gewerbeimmobilien, da eine Kirche als ein ganz besonderer, heiliger Ort von den Menschen empfunden wird. Diese identitätsstiftende Funktion der Immobilie entsteht unter anderem deshalb, weil wichtige Lebensabschnitte wie Taufe, Kommunion, Hochzeit und Begräbnis in der Kirche mit einem Gottesdienst begangen werden. Dies ist in toto sehr positiv zu bewerten, da ehrenamtliche Zeit und Spendengeld für den Erhalt des Gebäudes aufgewendet werden. Bei Schließungen von Gotteshäusern kommt es allerdings wegen eben dieser starken emotionalen Bindung auch oft zu schmerzlichen Verlusterfahrungen.

Professionelle Unterstützung durch hauptamtliche Mitarbeiter des Erzbischöflichen Generalvikariats heißt nicht, dass das Erzbistum Instandhaltungsmaßnahmen mit eigenem Personal durchführt. Die einzelnen Gewerke werden ausgeschrieben und in der Regel lokalen Firmen zur Durchführung vergeben. Damit möchte das Erzbistum die heimische Wirtschaft stärken. Die professionelle Unterstützung konzentriert sich auf den Prozess von der Bedarfsplanung bis hin zur Abrechnung der Maßnahme. Damit übernehmen hauptamtliche Mitarbeiter des Generalvikariats sowohl die Funktion einer Bauaufsicht als auch die eines Dienstleisters für den Bauherrn, der Kirchengemeinde. Bei größeren Projekten (das heißt einem Kostenvolumen über fünf Millionen Euro) wird noch ein externer Projektmanager hinzugezogen, um das Projekt frist- und budgetgerecht abzuwickeln. Vor Baubeginn müssen mindestens 90 Prozent der Gewerke ausgeschrieben werden, um Kostensicherheit zu erlangen. Diese Vorgehensweise führt dazu, dass im Erzbistum Paderborn fast alle Baumaßnahmen innerhalb des vorgegeben Budgets durchgeführt werden können.

Verkürzter Erneuerungszyklus

Wichtige Themen im Management des Immobilienbestandes sind unter anderem der Erhalt der Gebäudesubstanz, Denkmalschutz, Schutz vor Vandalismus, Energiemanagement und behindertengerechter Zugänge. Aber auch das kritische Hinterfragen der Aufgabe von Immobilien - im doppelten Sinn ihrer Funktion und ihrer möglichen Aufgabe in Form der Schließung, wenn diese Funktion nicht mehr erfüllt ist - gehört vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen und neuer pastoraler Konzepte dazu. Jährliche Investitionen in Höhe von über 30 Millionen Euro sind zum Erhalt der rund 3 000 Gebäude im Erzbistum Paderborn notwendig. Der typische Erneuerungszyklus im Außenbereich verkürzt sich mehr und mehr aufgrund der zunehmenden Umwelteinflüsse - er liegt derzeit nur noch bei 25 Jahren. Zum überwiegenden Teil werden die dafür benötigten Finanzen aus Kirchensteuereinnahmen und Spenden finanziert. Eine 100-Prozent-Eigenkapitalfinanzierung ist üblich.

Deshalb wird sehr restriktiv bei der Aufnahme von Krediten oder anderen Formen der Fremdfinanzierung wie Contracting vorgegangen, da kirchliche Immobilien eben keine Erträge einbringen, um Zinsen und Tilgung zu bezahlen. Einzelne "Public-Public-Partnerschaftsmodelle" werden getestet, um Erfahrungen zu sammeln, wie die Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Trägern bestmöglich funktionieren kann. In einem Modellprojekt werden bei einem Neubau eines Pfarrheimes die Räumlichkeiten so konzeptioniert, dass sie auch von der anliegenden Schule, die die Kommune betreibt, benutzt werden. Im Bereich von Kindertagesstätten-Neubauten werden gute Erfahrungen mit Investorenmodellen gemacht, wobei ein privater Investor den Bau finanziert und die Kirchengemeinde Mieter und Betreiber ist. Die Refinanzierung der Miete erfolgt wiederum durch staatliche Zuschüsse.

Kostenoptimierung dank Bündelung

Nach den Personalkosten sind die Energiekosten und die Instandhaltungsaufwendungen der größte Kostenblock einer Kirchengemeinde. Teil des Facility Managements ist es deshalb auch, durch Bündelung von Dienstleistungen, beispielsweise in Form von Sammelverträgen, bei der Energielieferung optimale Kostenstrukturen für die Kirchengemeinden zu schaffen. Einige Kirchengemeinden verfügen des Weiteren über Grundstücke, die Vermögenserträge erwirtschaften. Sollte es sich um landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Grundstücke handeln, werden diese zu marktüblichen Preisen zur Bewirtschaftung verpachtet. Eine Ausbietung sollte erfolgen.

Bei bebauten Grundstücken, die ausschließlich der Vermögensverwaltung dienen, werden primär wirtschaftliche Kriterien angelegt, das heißt die Rendite muss in richtigem Verhältnis zum Risiko stehen. Eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsberechnung ist nachzuweisen. Eine Eigenkapitalverzinsung von rund drei Prozent pro Jahr wird unter heutigen Marktbedingungen erwartet.

Zurückhaltung beim Grundstücksverkauf

Handelt es sich um unbebaute Wohngrundstücke, wurden diese in der Vergangenheit oftmals im Rahmen von Erbbaurechten vergeben. Hintergrund ist, dass die Kirche traditionell äußerst restriktiv beim Verkauf der Grundstücke ist. Sollte dennoch ein Grundstück verkauft werden, so sind die Erlöse in anderen Grundstücken oder vergleichbaren Investments wertbeständig anzulegen. Unter vergleichbaren Investments wird oftmals die Anlage in Immobilien-Publikumsfonds empfohlen, wie beispielsweise den Aachener Grundvermögen Fonds, der ausschließlich für kirchliche Anleger offen ist.

Sollte die Kirchengemeinde sich entscheiden, die Immobilie zu verkaufen, dann muss sich der Käufer im Einzelfall vertraglich verpflichten, eine Tendenzklausel anzuerkennen. In dieser Tendenzklausel verpflichtet sich der Käufer, das Kaufobjekt nicht zu Handlungen zu benutzen, die gegen die Grundzüge der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verstoßen (beispielsweise Betrieb eines Bordells). Bei Kirchenumwidmungen oder Verkäufen sind die Einschränkungen noch stärker.

In den letzten Jahren wurde im Erzbistum Paderborn den Kirchengemeinden der Grundstücksverkauf vor dem Abschluss eines Erbbaurechtes empfohlen, da der Erbbaurechtszins (in der Regel vier Prozent bei Wohnerbbaurecht) nicht mehr attraktiv ist. Hintergrund ist, dass der Erbbaurechtszins auf der Basis des Bodenrichtwertes festgelegt wird. Die Bodenrichtwerte sind in der Vergangenheit schneller als die Preisanpassungsklausel gestiegen, sodass oftmals nur noch eine Rendite von unter einem Prozent auf den aktuellen Bodenrichtwert erwirtschaftet wird. Des Weiteren ist die Verwaltung von Erbbaurechten aufwändig. Konflikte in der Zustimmungspflicht bei der Belastung von Erbbaurechten und beim seltenen Fall des Heimfalls lassen oftmals Diskussionsbedarf über den Wert der Gebäude entstehen.

Anpassung an sinkende Gläubigenzahl

Die größte Herausforderung im Immobilien-Management der Kirche in den nächsten Jahren beziehungsweise Jahrzehnten wird sein, den Immobilienbestand an die reduzierte Zahl der Gläubigen anzupassen. Bei Kirchen und Pfarrheimen wächst der Druck, Standorte aufzugeben oder für zeitgemäße Aktivitäten umzugestalten. Das Referat Stadtentwicklung und Denkmalpflege im Landesbauministerium NRW schätzt, dass etwa 1 500 Kirchen alleine in NRW der Leerstand, eine Umnutzung oder sogar der Abriss droht.

Die Erfahrung zeigt, dass selbst bei sogenannten "kirchenfernen Menschen", die Schließung einer Kirche oftmals zu einer hohen Emotionalität führt und unter großer öffentlicher Teilnahme geschieht. Eine "Drittverwertung" gestaltet sich schwierig. Hier sind alle Beteiligten, das heißt sowohl Besitzer, staatliche Behörden als auch zukünftige Investoren aufgefordert, konstruktiv und innovativ zusammen zu arbeiten. Erste Beispiele, wie Umwandlung gelingen kann, gibt es bereits in allen Bistümern und Landeskirchen. Im Erzbistum Paderborn lohnt sich hier beispielsweise ein Besuch in der umgestalteten Heilig-Geist-Kirche in Olpe.

Der Autor Dirk Wummel Leiter der Hauptabteilung Finanzen, Erzbistum Paderborn
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