Kommunalfinanzierung

Investitionsstau und Regulatorik zwingen Kommunen zum Umdenken

Elisabeth Lepique, Co-Managing-Partnerin, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln

Quelle: Luther Rechtsanwaltsgesellschaft

Die infolge der Finanzkrise verschärften regulatorischen Anforderungen haben vielen Kreditinstituten spürbar die Lust am Kommunalgeschäft genommen. Mit der näher rückenden, verbindlichen Einführung der Leverage Ratio - einem Kernbestandteil des Basel-III-Regelwerks - droht nun eine Beschleunigung des Rückzugs aus dem Kreditgeschäft mit Städten und Gemeinden. Tendenziell setzt die Leverage Ratio nämlich den Anreiz, das margenarme Geschäft mit der öffentlichen Hand abzubauen. Kein Wunder, dass Kämmerer wieder verstärkt nach alternativen Finanzierungsquellen Ausschau halten. Welchen Mehrwert in diesem Zusammenhang Schuldscheindarlehen und Kommunal anleihen bieten, wissen die Autoren des folgenden Beitrags unter anderem zu berichten. Red.

Welche Finanzierungsmöglichkeiten es für Kommunen gibt, ist im Grunde ganz klar geregelt: Sie dürfen Kredite nur für Investitionen und Umschuldungen aufnehmen - so steht es in den Kommunalverfassungen der jeweiligen Bundesländer geschrieben. Die Höhe der im jeweiligen Haushaltsjahr vorgesehenen Kreditaufnahme wird in der Haushaltssatzung festgelegt. In welcher Form die Kredite aufgenommen werden - etwa als Anleihen oder als Schuldscheindarlehen - und wie die Kreditaufnahme konkret zu verlaufen hat, ist im Krediterlass geregelt. Doch wieso geraten Kommunen trotz dieser klaren Vorgaben immer wieder in eine "Verschuldungsfalle"?

Zum einen, weil die in der Öffentlichkeit immer wieder diskutierte hohe Verschuldung der Kommunen mit der Kreditaufnahme für Investitionsmaßnahmen nichts zu tun hat. Sie betrifft vielmehr die mangelnde Liquidität vieler Kommunen, die nur durch die Inanspruchnahme von in der Regel kurz- und mittelfristigen Liquiditätskrediten (sogenannte Kassenkredite) sichergestellt werden kann. In manchen Städten haben diese Kredite zur Liquiditätssicherung mittlerweile eine Größenordnung erreicht, dass dort bereits eine - haushaltsrechtlich unzulässige - bilanzielle Überschuldung eingetreten ist.

Kassenkredite als Indikator für Finanzlage

Die Lage ist allerdings in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Ende 2015 betrug der Gesamtbetrag der Kassenkredite knapp 50 Milliarden Euro, davon entfielen mehr als die Hälfte (27,5 Milliarden Euro) allein auf Städte in Nordrhein-Westfalen. Hintergrund der angespannten Liquiditätslage vieler Kommunen ist die schlechte Haushaltslage mit anhaltend hohen Defiziten. Ursachen dafür sind die Überbordung immer neuer Aufgaben durch Bund und Land unter Missachtung des Konnexitätsprinzips, die unzureichende Finanzausstattung der Städte und Gemeinden und nicht zuletzt die Umstellung des Haushaltsrechtes von der Kameralistik auf ein kaufmännisch orientiertes Rechnungswesen, mit dem erstmals Abschreibungen und Rückstellungen erfasst wurden.

Zwar geben die Erfolge der Städte und Gemeinden, die sie bei der Konsolidierung ihrer Haushalte mit begleitenden Unterstützungsmaßnahmen des Bundes und der Länder erzielt haben, Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Zudem wird die positive Entwicklung der Kommunalfinanzen durch die nahezu bestehende Vollbeschäftigung und die anhaltende Niedrigzinsphase begünstigt. Aber es besteht jedoch ein erhebliches Risiko mit enormer Sprengkraft für die kommunalen Haushalte, wenn sich die Konjunkturdaten in Zukunft verschlechtern.

Gute Bonität: Kommunen sind nicht insolvenzfähig

Ungeachtet der aktuellen Finanzlage verfügen die Kommunen über eine gute Bonität. Denn als juristische Person des öffentlichen Rechts sind die Kommunen nicht insolvenzfähig. Das bedeutet, es gibt kein Verfahren zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger, an dessen Ende die Liquidation der juristischen Person steht. Vielmehr ist die Sicherstellung der gesetzlichen Aufgaben und insbesondere der öffentlichen Daseinsvorsorge auch bei akuter Finanznot notwendig, sodass eine Liquidation eo ipso ausscheidet.

Vereinzelt finden sich in der Literatur Ansätze für eine Kommunalinsolvenz, die ähnlich wie die Privatinsolvenz zu einer finanziellen Sanierung der Kommune mit quotaler Befriedigung der Gläubiger führt, aber keine Liquidation der juristischen Person zur Folge hat ("fresh start"). Solche Ideen haben sich allerdings - anders als im Ausland - bislang nicht durchsetzen können. Seit einigen Jahren sind auch immer wieder Anläufe großer Ratingagenturen zu beobachten, die die Bonität deutscher Kommunen bewerten wollen. Hiergegen haben sich jedoch bislang die kommunalen Spitzenverbände und andere erfolgreich zur Wehr gesetzt. Mit einer internen Bewertung der Kreditwürdigkeit von Kommunen tun sich viele Banken noch sehr schwer.

Banken auf dem Rückzug

Aufgrund der fehlenden Insolvenzfähigkeit war es bis vor einigen Jahren für die Kommunen kein Problem, von den Banken Kredite zu günstigen Konditionen (Kommunalkredite) in jeder erforderlichen Höhe zu bekommen. Das hat sich spätestens mit Basel III grundlegend geändert. Viele Banken haben inzwischen interne Limits für die Vergabe von Kommunalkrediten oder haben sich gänzlich aus dem Kommunalgeschäft zurückgezogen. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat als Reaktion auf die Finanzkrise im Dezember 2010 Vorschläge für eine Reform der Bankenregulierung gemacht. Erhöhte Bilanzanforderungen wie Eigenkapital- und Liquiditätsausstattungen sowie weitere Regulierungsmaßnahmen sollen Banken robuster machen. Ein wesentlicher Bestandteil des Basel-III-Rahmenwerkes ist die Einführung einer Verschuldungsquote (Leverage Ratio). Die Leverage Ratio stellt eine Höchstgrenze für die Kreditvergabe der Banken anhand des Verhältnisses Verschuldung/Eigenkapital dar, und zwar unabhängig vom Risikogehalt der Kredite.

Die Einführung der Leverage Ratio führt daher dazu, dass die Banken entweder ihr "hartes Kernkapital" erhöhen oder den Umfang der Kreditvergabe einschränken müssen. Allerdings sind die Möglichkeiten, das Kernkapital auf breiter Basis zu erhöhen, aufgrund der aktuell verhaltenen Ertragslage der Banken in Europa sehr begrenzt. Dies ist unter anderem auf das seit Längerem anhaltende Niedrigzinsumfeld, aber auch auf die gestiegenen Kosten der Regulierung zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund setzen die neuen Bedingungen massive Anreize zum Abbau von Aktiva, und hier vor allem von risikoarmen und daher margenschwachen Aktiva, wozu auch das Kommunalkreditgeschäft gehört. Basel III führt daher nach überwiegender Auffassung zum Rückzug der Banken aus den margenarmen Geschäften (öffentliche Hand) und zur Hinwendung beziehungsweise Umschichtung zu renditestärkeren, das heißt risikobehafteteren Anlagen (Unternehmensbereich).

Mit dem Rückzug der Kreditinstitute aus dem Kommunalkreditgeschäft sind alternative Finanzierungsinstrumente wieder verstärkt in den Fokus der Kommunen gerückt. In den vergangenen Jahren haben verschiedene Kommunen insbesondere von Schuldscheindarlehen und Anleihen Gebrauch gemacht. Die Volumina lagen zwischen 30 Millionen Euro bis über 100 Millionen Euro bei Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren. Vorrangig dienten diese Schuldscheindarlehen nicht der Investitionsfinanzierung, sondern der Liquiditätssicherung (Ablösung von Kassenkrediten).

Bei den Schuldscheindarlehen handelt es sich rechtlich gesehen um Darlehen, über die ein Schuldschein ausgestellt wird. Der Schuldschein dient dabei als Beweisurkunde für das Bestehen der Forderung des Kreditgebers (vergleiche § 344 Handelsgesetzbuch (HGB)). Das Schuldscheindarlehen stellt mangels Fungibilität kein Wertpapier im Sinne des § 2 Absatz 1 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie im Sinne des § 2 Nummer 1 Wertpapierprospektgesetz (WpPG) dar und wird nicht an der Börse gehandelt. Somit besteht weder eine Pflicht zur Erstellung eines Emissionsprospektes, noch sind sonstige öffentliche Genehmigungen erforderlich. Damit fallen die Zusatzkosten geringer aus als bei Anleihen.

Schuldscheindarlehen und Anleihen als Alternative

Der Vorteil von Schuldscheindarlehen liegt vor allem darin, die Investorenbasis zu verbreitern, das heißt, die Kommune hat mit diesem Instrument die Möglichkeit, den Finanzierungsbedarf an einen breiteren Investorenkreis zu adressieren, als dies bei den üblichen Kommunalkrediten möglich ist. Nachgefragt werden Schuldscheindarlehen der Städte insbesondere von institutionellen Anlegern (zum Beispiel Versicherungen, Fondsgesellschaften, Pensionskassen), die regelmäßig größere Beträge anlegen wollen, was die Abwicklung wegen der geringen Zahl von Darlehensgebern erleichtert. Zudem lassen sich die Darlehensbedingungen mit den einzelnen Investoren abstimmen.

Im Unterschied zu Schuldscheindarlehen handelt es sich bei Anleihen um Schuldverschreibungen, in dem der Darlehensanspruch in einem Wertpapier verbrieft ist. Daraus resultieren gewisse Verpflichtungen nach dem WpHG beziehungsweise WpPG, insbesondere die Erstellung eines Wertpapierprospektes sowie Mitteilungs- oder Dokumentationspflichten, sofern nicht eine Ausnahme nach §§ 3 oder 4 des WpPG, etwa bei institutionellen Anlegern vorliegt. Dieser Mehraufwand kann aber bei einem höheren Volumen (ab 100 Millionen Euro) sinnvoll sein, da eine signifikante Verbreiterung der Investorenbasis erreicht wird. Insbesondere kann der Investor, wenn er während der Laufzeit der Anleihe selbst Liquiditätsbedarf hat, bereits vor Fälligkeit das Papier an einen Dritten veräußern.

Die Bürgeranleihe für Infrastrukturprojekte

Eine besondere Form der Kommunalanleihe ist die "Bürgeranleihe", die sich vorrangig an die Einwohner der Kommune richtet. Das Instrument der Bürgeranleihe eignet sich insbesondere zur Finanzierung von Investitionen, die durch Kommunen oder kommunalnahe Unternehmen vorgenommen werden. Beispielsweise haben die Stadtwerke Langenfeld mit Unterstützung der örtlichen Sparkasse eine Anleihe mit einem Volumen von fünf Millionen Euro zur Finanzierung des Breitbandausbaus platziert. Da die Anleihe an Kunden der Stadtwerke oder der Sparkasse adressiert war, hatte die Anleihe neben der Aufgabe der Projektfinanzierung als weiteren Zweck die Stärkung der Kundenbindung. Die Anleihe war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Der Bürger konnte mit dem Erwerb einer interessanten Geldanlage auch an der Realisierung eines städtischen Infrastrukturprojektes, hier der dringend notwendige Breitbandausbau, entscheidend mitwirken.

Der Kommunalkredit - sowohl als Investitions- als auch als Kassenkredit - wird für die Mehrzahl der Kommunen seine Bedeutung als wichtigstes Fremdfinanzierungsinstrument behalten. Allerdings könnte sich der Rückzug der Kreditinstitute aus der klassischen Kommunalfinanzierung weiter fortsetzen. Der Entwurf von Basel IV mit einer neuerlichen Verschärfung der Bankenregulierung und in der Folge weiterer Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung stößt nicht nur in der deutschen Bankenbranche auf Kritik. Die kommunale Finanzkrise ist trotz guter Konjunktur noch nicht beendet. Darüber hinaus ist unter dem Druck, die Haushalte zu konsolidieren, durch jahrzehntelange Vernachlässigung der kommunalen Infrastruktur ein enormer Nachholbedarf entstanden. Daher wird der Investitionsbedarf und damit der Bedarf nach adäquaten Geldquellen in den kommenden Jahren weiter anhalten. Anleihen und Schuldscheindarlehen werden hier eine wichtige Rolle in der kommunalen Finanzierungsstruktur spielen.

Die Autoren Elisabeth Lepique, Co-Managing-Partnerin und Rolf Corsten, Rechtsanwalt, beide Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln

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