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INVESTMENTPERSPEKTIVEN: MULTI-FAMILY-HOUSING IN DEN USA

Nicholas Brinckmann Quelle: Hansainvest Real Assets

Deutschland ist ein Land, in dem traditionell ein großer Teil der Bevölkerung zur Miete wohnt. Ganz anders ist die Situation in den USA: Lange galt dort das eigene Haus als die Verkörperung des amerikanischen Traums schlechthin. Dieser Traum wird allerdings für immer mehr Menschen unerreichbar. Vor allem in der jungen Generation ist der Anteil, der zur Miete wohnt, immer höher. Für Investoren ergeben sich aus diesen veränderten Rahmenbedingungen Chancen, die der Autor des folgenden Beitrags analysiert. Insbesondere für Mehrfamilien- und Apartmenthäuser identifiziert er teils vielversprechende Mietsteigerungspotenziale. Gleichzeitig sind interessierte Investoren gut beraten, die äußerst heterogenen US-Wohnungsmärkte zunächst genau auf ihre Zukunftsfähigkeit hin zu untersuchen. Red.

Ganz ohne aktives Zutun von Donald Trump: In den USA findet derzeit - ähnlich wie in Deutschland und Europa auch - ein gesellschaftlicher und ökonomischer Wandel statt. Die Wirtschaft unterliegt einer umfassenden Digitalisierung und die Entwicklung zur Wissensgesellschaft schreitet weiter voran. Ortsunabhängigkeit und Flexibilität - in den USA traditionell stärker ausgeprägt als hierzulande - sind gefragter als je zuvor. Gleichzeitig wächst die gesellschaftliche Ungleichheit.

Was bedeutet das für die Wohnungsmärkte? Nach wie vor gehört die eigene Wohnung beziehungsweise in den USA vor allem das eigene Haus für die meisten noch immer zu den Lebenszielen. Aber der Wandel bedeutet auch, dass flexibles Wohnen zur Miete einen neuen Stellenwert erhält. Der zeitliche Abstand zum Eigenheimerwerb, wenn er denn überhaupt noch stattfindet, vergrößert sich und ein höherer Bedarf an Mietwohnungen entsteht.

Wohneigentumsquote in den USA gesunken

Beim Blick auf die Wohneigentumsquote ist es nur wenig überraschend, dass Deutschland als traditioneller Mietermarkt im internationalen Vergleich über eine geringe Wohneigentumsquote verfügt (siehe Tabelle). Die hohe Anzahl der Mietwohnungen ist vor allem auf den sozialen Wohnungsbau nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zurückzuführen.

Die niedrige Wohneigentumsquote mag zwar weniger günstig für die individuelle private Vermögenssituation und Altersvorsorge sein, wirkt sich aber stabilisierend auf den Immobilienmarkt aus. Der Umzug in die eigenen vier Wände muss in Deutschland wegen des sehr hohen Angebots an Mietwohnungen nicht notwendigerweise zu einem kreditfinanzierten Erwerb von Wohneigentum führen. Der Zwischenschritt über eine Mietwohnung zum Eigentum ist, anders als in vielen anderen Ländern, eine Option und sie wird in Deutschland gerne angenommen.

Die US-Wohneigentumsquote ist niedriger als gemeinhin erwartet. Mit 62,9 Prozent liegt sie deutlich unter den Wohneigentumsquoten der meisten europäischen Länder. Da die Eigentumsquote auf dem Land traditionell höher ist als in der Stadt, gibt es zumindest in den größeren Metropolen der USA große liquide Mietwohnungsmärkte.

Finanzkrise beeinträchtigte Eigentumserwerb

Tatsächlich hat sich das Verhältnis von Mietern und Eigentümern in den USA in den zurückliegenden zehn Jahren, als die Wohneigentumsquote noch bei 69 Prozent lag, seit der Immobilien- und Bankenkrise deutlich zugunsten der Mieter verschoben. Im März 2017 bestätigte die US-Statistikbehörde, dass 52 der 100 größten Städte über mehr Mieter als Eigentümer verfügten. Erstmals waren unter den größten Städten im Mutterland der Freiheit und des Eigentums die mieterdominierten Städte in der Mehrheit.

Der allgemeine gesellschaftliche und ökonomische Wandel alleine reicht nicht aus, um diese deutliche Verschiebung in den USA vom Wohneigentum zur Miete der vergangenen zehn Jahre zu erklären. Einbezogen werden müssen einige Sondereffekte. Die Immobilien- und Finanzkrise hat eine Welle an Zwangsvollstreckungen ausgelöst, die aus unzähligen bisherigen Eigentümern Mietern machte. Im Zuge der Krise wurde die Arbeitslosigkeit von 4,6 auf 9,6 Prozent katapultiert. Sie betraf vor allem die jungen erwachsenen Amerikaner. Die Arbeitslosigkeit ist seitdem zwar wieder unter das Vorkrisenniveau gesunken, aber viele der neuen Beschäftigungsverhältnisse sind Teilzeitstellen oder dem Niedriglohnsektor zuzuordnen.

Nachfrage nach Mietwohnungen konstant

Die Bonität reichte aufgrund der Einkommenssituation für einen Haus- oder Wohnungskredit nicht aus. Der Druck, von zu Hause auszuziehen, stieg in den Jahren nach der Krise an und noch heute wohnen mit rund 15 Prozent überdurchschnittlich viele Amerikaner im Alter von 25 bis 34 Jahren bei ihren Eltern. Im langfristigen Durchschnitt liegt dieser Anteil bei 13 Prozent. Akademiker bekamen durch die schwierige Arbeitsmarktsituation Probleme, ihre Studienkredite von im Schnitt rund 37 000 US-Dollar abzubezahlen. Die Zinswende in den USA hat die Wohnimmobilienkredite verteuert. Seit Dezember 2015 hat die amerikanische Notenbank fünf Leitzinserhöhungen vorgenommen, drei davon allein im Jahr 2017. Zusammengefasst bedeutete das alles: Wer trotz der widrigen Umstände das Elternhaus verließ, um einen eigenen Haushalt zu gründen, wohnte allein schon aus finanziellen Gründen normalerweise zuerst zur Miete.

Aktuell befindet sich der amerikanische Wohnungsmarkt in einer interessanten Phase. Nachdem die Zahl der Mieterhaushalte insbesondere in der Finanzkrise und in der Zeit danach in ausnahmslos jedem Quartal zugenommen haben, kam es laut US-Statistikbehörde erstmals im 2. Quartal 2017 zu einem Rückgang. Die Vermutung liegt nahe, dass die erhöhte Nachfrage nach Mietwohnungen allein auf krisenbedingte wirtschaftliche Zwänge zurückzuführen war und nun aufgrund der verbesserten wirtschaftlichen Situation wieder zugunsten einer erhöhten Nachfrage nach Wohneigentum zurückgehen wird.

Mehrfamilien- und Apartmenthäuser als Investment

Eine genauere Analyse der Daten offenbart jedoch, dass nur die Zahl der Mieter von Ein- bis Vierfamilienhäusern sehr stark zurückgegangen ist, während die Zahl der Mieter in größeren Mehrfamilien- und Apartmenthäusern konstant auf dem Niveau der vergangenen drei Jahre weiter zugenommen hat. Zudem hat die Zahl der Haushalte, die über Wohneigentum verfügen, seit zwei Jahren wieder nachhaltiger an Fahrt aufgenommen. Das bestätigt einerseits, dass das Eigenheim keineswegs ein Auslaufmodell ist und andererseits, dass die steigende Nachfrage nach Mietwohnungen nicht allein auf Sondereffekte durch die Krise zurückzuführen ist, sondern auf nachhaltige strukturelle Veränderungen des Wohnungsnachfrage, die dem gesellschaftlichen Wandel geschuldet sind.

Die strukturellen Veränderungen eröffnen neue Gelegenheiten, im US-Wohnungsmarkt zu investieren. Größere Ballungsräume mit guten wirtschaftlichen Perspektiven verfügen bereits über Märkte für Mietwohnungen, die sehr liquide sind und stetig wachsen. Anders als in Deutschland können in den weniger regulierten und umzugsfreudigeren USA die Mieten einfacher und schneller angepasst werden. Die Mietsteigerungen lagen in den letzten Jahren zwischen 2,0 und 5,0 Prozent pro Jahr. In einigen Märkten wurden sogar zwischen 3,5 und 6,0 Prozent Steigerung erreicht. Im Vergleich zu Einfamilienhäuser, Einzelhandels-, Büro- oder Gewerbeimmobilien verfügen Mehrfamilien- und Apartmenthäuser über eine höhere Preisstabilität und erzielen eine höhere durchschnittliche Rendite.

Risikobewusste Investoren mit Interesse am US-Wohnungsmarkt sollten sich die lokalen Marktverhältnisse genauer ansehen. Je größer das Einzugsgebiet des Investitionsstandorts und je höher Transaktionsvolumen und Marktliquidität, desto besser. Die Stadt sollte wirtschaftlich zukunftsfähig sein und über gute Beschäftigungsperspektiven verfügen. Sie sollte mehr als 1,5 Millionen Einwohner haben, mit einem hohen Anteil junger Erwachsener, die ethnisch stark durchmischt sind und eine stärkere Neigung haben, eine Wohnung anzumieten als Wohneigentum zu erwerben. Der Wohnungsmarkt sollte weder von einem Wohnungsüberangebot noch von einer Wohnungsknappheit geprägt sein. Boston, Washington D.C., Atlanta, Miami, Dallas, Denver, San Francisco, Seattle oder Los Angeles sind Städte, die diese Kriterien beispielsweise erfüllen.

Politische Unsicherheiten sind zweitrangig

Die Entwicklung der Zahl der Baufertigstellungen und der erteilten Baugenehmigungen sollte in Investitionsentscheidungen einfließen. Zwischen 2017 und 2021 wird die Zahl der Mietwohnungen in den USA netto um 1,18 Millionen zunehmen. Die Spitze der Baufertigstellungen wurde an einigen Standorten bereits Ende 2017 erreicht, an anderen steht sie 2018 noch bevor. In Städten mit prosperierender Wirtschaft und einer entsprechend guten Beschäftigungssituation werden die Märkte die neuen Wohnungen schnell absorbieren. Seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist die politische Situation in den USA unberechenbarer geworden. Das mag einigen Investoren die Sorgenfalten auf die Stirn treiben.

Letztendlich sollten sich Investitionsentscheidungen eher an den Fundamentaldaten der Zielmärkte orientieren als an politischen Verhältnissen. Letztere können sich schnell wieder ändern. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel wird dagegen längerfristig zu einer höheren Nachfrage nach Mietwohnungen führen - unabhängig von der Politik.

DER AUTOR NICHOLAS BRINCKMANN, Sprecher der Geschäftsführung, HANSAINVEST Real Assets GmbH, Hamburg

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