IMMOBILIE ALS ASSET

KEINE ANGST VOR SEKUNDÄRSTANDORTEN

Stefan Kalmund Quelle: Accom

Die kleinen und mittelgroßen Städte Deutschlands geraten angesichts der Dominanz der Top-7 leicht unter das Radar institutioneller Investoren. Nach Ansicht der Autoren zu Unrecht: Im Rahmen ihrer Analyse haben sie großes Potenzial für Büro- und Einzelhandelsimmobilien in den 30 wichtigsten Sekundärstandorten der Bundesrepublik identifiziert. Ob günstigere Risiko-Rendite-Profile im Bürosegment oder überproportionales Wachstum im stationären Handel - die deutschen Mittelstandsstädte warten mit einer Vielzahl überraschender Vorzüge auf. Wie der folgende Beitrag zeigt, sind sie dadurch unlängst auch in den Fokus professioneller Anleger aus dem asiatischen Raum gerückt. Der Wettbewerb könnte sich also schon bald deutlich verschärfen. Red.

Städte wie Dresden, Fürth, Hannover, Nürnberg oder auch Darmstadt sind die neuen "Hidden Champions" auf dem Retail- und Office-Markt. Diese fünf Städte gehören zu einer Gruppe von 30 mittelgroßen Städten in Deutschland, die zusammen etwa 60 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften. Aufgrund des in diesen Städten überproportional vertretenen Mittelstands ist es am treffendsten, sie als sogenannte Mittelstandsstädte zu bezeichnen.

Allerdings werden sie von einer Mehrzahl der Teilnehmer mit Blick auf die geringere Marktliquidität deutlich unterschätzt. Große institutionelle Investoren richten ihren Blick bei Einzelhandel- und Büroimmobilieninvestments nach wie vor primär auf die deutschen Metropolen und übersehen die zahlreichen Vorteile der Mittelstandsstädte. Jedoch gebührt den bestehenden Vorteilen eine deutlich höhere Bedeutung bei der Investitionsentscheidung und damit auch ein höheres Gewicht in Bezug auf die Asset Allokation innerhalb der Anlageklasse Immobilien.

Ein deutlich günstigeres Risiko-Rendite-Verhältnis

Einer von uns in Zusammenarbeit mit Bulwiengesa erstellten Studie zufolge bieten im Bürobereich - gemessen an der Volatilität der Mietniveaus und der Nettoanfangsrendite - sämtliche der 30 wichtigsten Mittelstandsstädte ein deutlich günstigeres Risiko-Rendite-Verhältnis als die Top-7-Städte. Der heterogene Branchen- und Mietermix und die diversifizierte Streuung sind in diesen Städten ebenfalls beachtlich.

Neben den großen Konzernen wird die deutsche Wirtschaft von kleinen und mittelgroßen Unternehmen dominiert, die sich häufig im Familienbesitz befinden und den deutschen Mittelstand tragen. Deren Geschäftsmodelle sind langfristig und generationenübergreifend ausgelegt und oftmals sehr eng mit der jeweiligen Region verbunden. Die starke regionale Verflechtung führt dazu, dass diese Unternehmen auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten dem Standort treu bleiben.

Einzelhandel wächst überproportional

Deutschlands Einzelhandelsmarkt nimmt weiter an Fahrt auf. Der Studie zufolge haben sich die Einzelhandelsumsätze in den vergangenen Jahren gut entwickelt. Für 2017 geht das statistische Bundesamt sogar von einer preisbereinigten Umsatzsteigerung von knapp drei Prozent aus. Der hiesige Umsatz im stationären Einzelhandel liegt trotz des allgemeinen Onlinebooms dem Handelsverband Deutschland (HDE) zufolge bei mehr als 452 Milliarden Euro. Bemerkenswert ist, dass sich dieser positive Trend insbesondere in mittelgroßen und kleineren deutschen Städten bemerkbar macht.

Wie die Studie zeigt, führte die Kombination aus einer starken lokalen Wirtschaft, hohen Einkommen und einer besonders großen zentralen Bündelung der Einkaufsmöglichkeiten zu höheren Einzelhandelsumsätzen. Beispielhaft hierfür sind Städte wie Passau, Schweinfurt, Kempten und Regensburg, die einen um bis zu 40 Prozent höheren Einzelhandelsumsatz als der Pro-Kopf-Durchschnitt in den Top-7-Städten aufweisen.

Die Kaufkraft in den Mittelstädten wuchs in der Vergangenheit überproportional und nahm deutlicher zu als an den Top-7-Standorten. Spitzenreiter waren Heilbronn mit einer Zunahme von 43 Prozent und Schweinfurt mit einem Plus von 24 Prozent.

Einzelhandelsobjekte in den Top-7-Städten sind immer noch klar der Verkaufsschlager bei in- und ausländischen Investoren. Seit 2008/2009 hat diese Jagd auf die Premiumobjekte jedoch zu einer starken Renditekompression geführt. Derzeit liegt die Nettoanfangsrendite bei etwa 3,6 Prozent. Die durchschnittliche Anfangsrendite der 30 untersuchten Mittelstandsstädte liegt hingegen bei stattlichen 5,8 Prozent (siehe Abbildung). Vor dem Hintergrund der oben dargelegten, sehr guten Fundamentaldaten der Mittelstandsstädte scheinen attraktive Investments möglich.

Der Mittelstand treibt die Nachfrage nach Büroflächen

Auch der deutsche Büroimmobilienmarkt außerhalb der Top-7-Städte ist sehr interessant für internationale Investoren und sollte daher deutlich mehr in den Fokus rücken. Die Nachfrage nach Büroflächen in Deutschland hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Hierfür verantwortlich war größtenteils der sehr gute Arbeitsmarkt - die durchschnittliche Arbeitslosenquote nahm kontinuierlich ab und lag im vergangenen Jahr bundesweit bei nur noch 5,7 Prozent.

Aktuell können die 30 von Bulwiengesa untersuchten Städte im Schnitt mit einer niedrigeren Arbeitslosenquote als die Top-7-Städte aufwarten. Relativ haben die Mittelstandsstädte bei der Zahl der Beschäftigten im Vergleich zu den Top-7 deutlich aufgeholt und es kam folglich zu einer Verbesserung der Flächennachfrage.

Während in den Top-7-Städten die Büromieten Bulwiengesa zufolge innerhalb weniger Jahre um bis zu 20 Prozent schwankten, war die Volatilität in den kleineren Städten deutlich geringer. Gleichwohl stieg die Miete in Mittelstandsstädten etwas verhaltener als in den umkämpften innerstädtischen Lagen der Metropolen. Die genannten Aspekte lassen sich durch den geringen spekulativen Neubau und den begrenzten Flächenumsatz in Mittelstandsstädten erklären. Aber genau deshalb trifft eine Value-Add- oder Core-Plus-Strategie mit aktivem Managementansatz in diesen Städten der "Hidden Champions" auf besonders fruchtbaren Boden.

Geringeres Wiedervermietungsrisiko

Ferner sind stabile Mieteinnahmen dort in besonders hohem Maße gewährleistet und liegen weit oberhalb normaler Branchenbenchmarks. Zurückzuführen sind die stetigen Mieteinnahmen grundsätzlich auf zwei Aspekte. Ein großer Vorteil für Investoren in den Mittelstandsstädten ist die gewünschte Mietdauer. Erfahrungsgemäß werden Mietverträge für mindestens zehn Jahre abgeschlossen. Denn nicht nur Anwälte, Notare oder Ärzte, sondern auch Dienstleister und kleineres produzierendes Gewerbe planen langfristig und vorausschauend.

Dadurch ist das Wiedervermietungsrisiko in diesen Städten geringer als in den Top-7-Städten. Wenn ein Mieter sowohl mit dem Standort als auch mit dem Management des Objekts zufrieden ist, bleibt er in den meisten Fällen vor Ort. Folge: Knapp 90 Prozent der Gewerbemieter machen erfahrungsgemäß von ihren Verlängerungsoptionen Gebrauch.

Mittelstandsstädte eignen sich ideal für asiatische Investoren

Nicht nur immer mehr deutsche und europäische Investoren lassen sich von diesen Argumenten überzeugen. Auch professionelle asiatische Anleger, die derzeit vor allem Interesse an bislang großen Trophy-Gebäuden in Metropolen wie Berlin und München zeigen, sind zunehmend von der Tragfähigkeit und Stetigkeit der Mittelstandsstrategie überzeugt. Die Botschaft muss lauten: Keine Angst vor Sekundärstandorten! Südkoreaner und Chinesen schätzen beispielsweise die Qualität, die Kontinuität und die Werte in Deutschland außerordentlich. Sie kennen unsere Städte, lieben unsere Lebensart und auch der hiesige Mittelstand genießt rund um Seoul und im Reich der Mitte ein außerordentlich hohes Ansehen.

In Fernost verstärkt sich von Investorenseite der Wunsch, die Immobilienquote außerhalb der Heimatmärkte zu erhöhen. Außerdem sollen die Immobilieninvestments stärker regional diversifiziert werden. Lange Zeit wurde Großbritannien von asiatischen Investoren in Europa als bevorzugter Investitionsstandort gehandelt. Heutzutage ist aber ein Umdenken der Investoren hin zu Immobilienanlagen in anderen europäischen Immobilienmärkten zu beobachten. Aus diesem Grund ist das Interesse an deutschen Mittelstandstädten, insbesondere bei professionellen Anlegern mit einem langfristigen und diversifizierten Investmentfokus, in letzter Zeit deutlich gestiegen.

Für sicherheitsbewusste Investorengruppen aus dem Asien-Pazifik-Raum könnte dementsprechend ein Fonds vorteilhaft sein, bei dem 80 Prozent des Volumens in Core-Plus- und 20 Prozent in Value-Add-Objekten allokiert wären. Um solch ein Investment erfolgreich umsetzen zu können, ist jedoch eine starke Präsenz in den verschiedenen regionalen Märkten notwendig.

Um diese Präsenz zu erreichen, ist ein gutes lokales Netzwerk sowohl zu Unternehmen als auch zum Handwerk wichtig. Es dient dazu, ein effizienteres Vermietungsmanagement mit einem ausgewogeneren Mieter- und Branchenmix zu gewährleisten.

Eine starke Vor-Ort-Präsenz ist Pflicht

Außerdem sollte der Asset Manager mit der Vermietung von kleinteiligen Flächen vertraut sein. Darunter fällt beispielsweise die Vermietung kleinerer Einheiten von 100 bis 400 Quadratmeter Fläche. Zudem ist das nicht genutzte Mietflächenpotenzial dieser Flächenklassen zu heben. Dadurch können Optimierungspotenziale genutzt und die Standorttreue gesichert werden.

Denn unzufriedene Mieter, die sich für einen Wegzug entscheiden, stellen in den Mittelstandsstädten für Investoren ein größeres Risiko dar als an den A-Standorten. Die Bindung an die Bestandsmieter hat somit ein deutlich höheres Gewicht. Selbst wenn es dabei Probleme gibt, sollte versucht werden, einen Mieter zu halten. Möglicherweise können durch eine veränderte Nutzermischung oder eine bestimmte Bauweise Synergieeffekte erzielt und somit den Mieteranforderungen bestmöglich gerecht werden. Droht eine Geschäftsaufgabe, ist der Asset Manager im besten Falle bereits im Vorfeld informiert und kann auf diese Weise frühzeitig mit der Suche eines Nachmieters beginnen.

Eigentümer und Asset Manager müssen die Retail- und Office-Objekte folglich noch intensiver im Blick haben als an den A-Standorten. Bei professionellem Management der Objekte und der Investments müssen diese somit nicht riskanter sein. Fazit: Deutschlands Mittelstandsstädte müssen sich nicht hinter der Strahlkraft der Top-7-Städte verstecken.

DER AUTOR STEFAN KALMUND Geschäftsführer, ACCOM Immobilien Gruppe, München
DER AUTOR DR. TIM SEBASTIAN NÄDELE Senior Research Advisor, ACCOM Immobilien Gruppe, München

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