MIPIM-SPECIAL

KONNEKTIVITÄT STATT LAGE

Christian Schulz-Wulkow Quelle: EY Real Estate

Im Zeitalter der Digitalisierung spielt die Qualität der Internetverbindung auch bei der Bewertung von Gewerbeimmobilien eine immer wichtigere Rolle. Mit Blick auf den schleppend voranschreitenden Breitbandausbau muss jedoch konstatiert werden, dass Deutschland diesbezüglich vielerorts hinterherhinkt. Eine schlechte Voraussetzung, um die Potenziale datenintensiver Anwendungen (Stichwort "Virtual Reality") für den Gebäudebetrieb umfänglich ausschöpfen zu können. Die Autoren des folgenden Beitrags analysieren die grundsätzlichen Chancen und Risiken, die mit der digitalen Vernetzung einer Immobilie einhergehen. In welchem Umfang die vielfältigen technologischen Möglichkeiten am Ende tatsächlich Einzug halten werden, dürfte nicht zuletzt von der Akzeptanz der Gebäudenutzer abhängen. Red.

"Eine perfekte Anbindung zur Autobahn mit einer eigenen Ausfahrt sichert Ihnen die Konnektivität mit der Stadt und ihrem sozialen und kulturellen Angebot", hieß es kürzlich in der Anzeige eines Maklers. Es sind Worte, die wenig überraschen: Das Hervorheben von Lage und Anbindung hat Tradition. Perspektivisch jedoch werden sich die Kriterien enorm verändern, wie die Anbindung einer Immobilie bewertet wird.

Konnektivität, also die Fähigkeit eines Standorts und Gebäudes, Verknüpfungen zu unterschiedlichen Netzen herzustellen, wird durch die zunehmende Digitalisierung der Städte und Immobilien künftig als umfassende Anbindung an alte und neue Infrastrukturen zu verstehen sein. Sie wird neben der Interkonnektivität, also der Verbindung der Immobilie mit ihrem Umfeld und den Datenautobahnen nach außen, auch eine Komponente umfassen, die ins Innere gerichtet ist: Intrakonnektivität.

Breitband: Unterschätzte Dimensionen der Interkonnektivität

Wenn Immobilien heute auf harte Standortfaktoren überprüft werden, stehen bei der infrastrukturellen Anbindung üblicherweise die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch die oben genannte Anbindung an das Fernstraßennetz im Fokus. Ein Aspekt, der längst hinzugekommen ist, wird dagegen noch teilweise unterschätzt: die Datenanbindung. Deutschland weist hier je nach gewünschter Geschwindigkeit erstaunlich viele blinde oder zumindest sehschwache Flecken auf. Betrachten wir Gewerbestandorte, an denen mehr als 100 Mbit pro Sekunde verfügbar sind, dann sind solche meist nur in den Ballungsräumen einigermaßen flächendeckend zu finden.

Aber selbst hier gibt es Unterschiede. Im tendenziell unterversorgten ländlichen Raum, der in Deutschland bekanntlich eine Reihe an mittelständischen "Hidden Champions" aufweist, sind die Unterschiede noch gravierender. Die Qualität der Internetverbindung umfasst neben der Geschwindigkeit vor allem den Aspekt der Unterbrechungsfreiheit beziehungsweise Verfügbarkeit. Und selbstverständlich ist auch das Mobilfunknetz relevant. Hier gibt es in weiten Bereichen Deutschlands zwar eine Breitbandabdeckung von mehr als 95 Prozent der Fläche (bezogen auf 1 Mbit pro Sekunde). Aber: Der mobile Datenverkehr und die Nachfrage nach jungen, datenintensiven Anwendungen wie 4K-Video-Streaming, Virtual- oder Augmented-Reality-Lösungen steigt immer weiter. Selbst bei guter Abdeckung gilt es zu prüfen, ob die im Gebäude verbauten Materialien gegebenenfalls die Funksignale blockieren.

Immobiliendaten nach außen

Nicht nur für die Unternehmen als Mieter und Nutzer ist Konnektivität zur Kommunikation nach außen ein Muss. Auch die Immobilie selbst kommuniziert nach außen. Zum Beispiel mit Facility oder Asset Managern. Mit zunehmender Digitalisierung berichtet die Immobilie automatisiert über sich selbst. Das Stichwort lautet Internet der Dinge: derzeit liegt der Fokus der Immobilienwirtschaft hierbei auf Smart Metering zur Erfassung von Energieverbrauchswerten und perspektivisch der automatisierten Fernsteuerung von Anlagen. Eine entsprechende Sensorik und Kompatibilität der Systeme vorausgesetzt, können akute Schäden durch Wassereinbruch oder Brand automatisch vom Gebäude gemeldet werden und beim Empfänger entsprechende (automatisierte) Prozesse auslösen.

Ähnliches gilt für Schäden durch Verschleiß - man spricht von vorausschauender Wartung ("Predictive Maintenance"), dem nächsten spannenden Handlungsfeld für Immobilieneigentümer und -nutzer. Auch das automatisierte Übertragen von Energiedaten mit dem Ziel der permanenten Betriebskostenoptimierung und Prozessautomatisierung birgt enormes Potenzial. Dabei spielen auch Nutzerdaten eine Rolle, welche in Zukunft von immer größerem Wert sein werden Nutzerdaten sind für die Anwendung von Data-Science-Verfahren von großem Wert und könnten analog zu den aus dem Handel bekannten Payback-Systemen für den Mieter monetarisierbar werden und so die Mietzahlung reduzieren.

Sicherheit einer Verbindung als Standortfaktor

Die Digitalisierung von immobilienwirtschaftlichen Geschäftsmodellen und Prozesse auf der einen sowie der Immobilie selbst auf der anderen Seite birgt viele Chancen - stellt die Branche aber auch vor neue Herausforderungen. Je digitaler ein Prozess oder ein Asset sind, desto größer sind auch die Risiken im Bereich Cybersecurity. Die Konnektivität einer Immobilie nach außen ist insofern immer mit Sicherheitsfragen verbunden. Der Schutz vor Cyberangriffen auf Immobilien kann durch technische, muss aber insbesondere durch prozessuale Maßnahmen und Aufklärungsarbeit bei den Nutzern der Immobilie selbst, aber auch externen Dienstleistern und Datenräumen verbessert werden. Die Sicherheit einer Verbindung wird neben der Schnelligkeit und Stabilität zu einem immer wichtigeren Standortfaktor.

Eine weitere Ebene der Konnektivität betrifft die Kommunikation ins Innere der Immobilie. Gemeint sind zum einen der Übergang und die Kompatibilität von außen- und innenliegender Technik: Wird hier an der Nahtstelle an Geschwindigkeit eingebüßt? Und gemeint ist zum anderen das Vernetzen des Gebäudes mit den Nutzern, während sie sich vor Ort befinden. Das Feld ist groß und umfasst beispielsweise die sogenannte "Context Awareness": Vernetzte Geräte und Bauteile werden künftig auf Basis eines Datenaustauschs und künstlicher Intelligenz in der Lage sein, die Bedürfnisse der Nutzer vorherzusagen.

Indoor-Navigation an den Beispielen Shoppingcenter und Büro

Die Kommunikation von Immobilie und Nutzer kann zudem das sogenannte Indoor-Mapping erlauben. Das heißt: Die Bewirtschaftungsprozesse können unter anderem dadurch optimiert werden, dass die Navigation, die auf übergeordneter Ebene in Straßen und Städten etabliert ist, auf das Innere von Gebäuden übertragen wird. Dabei kann Augmented Reality eine Rolle spielen. Im Zweifel genügt aber auch eine einfache App. Shoppingcenter sind hier ein Anwendungsfeld. Besucher können durch Anreize, Einkaufsempfehlungen oder Angebote in bestimmte Shops geleitet oder sich von virtuellen Shoppingberatern eine Route vorschlagen lassen, die das bisherige Kaufverhalten analysiert haben.

Auch in Bürogebäuden ist Indoor-Navigation denkbar. Je nach Intelligenz eines Gebäudes werden einzelne Geschosse nicht zur Benutzung freigegeben - zum Beispiel, wenn viele Mitarbeiter eines Unternehmens Außentermine haben und mehrere Etagen nur teilweise besetzt wären. Das Gebäude leitet dann die eintreffenden Mitarbeiter in eine Etage und hilft, die Energiekosten zu reduzieren: Der nicht freigeschalteten Etage wird nur das erforderliche Minimum an Wärme et cetera zugewiesen. Insgesamt gilt: Für die Frage der Konnektivität nach innen gelten ähnliche Parameter wie für jene nach außen: Geschwindigkeit, Stabilität, Sicherheit. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Nutzer für entsprechende Lösungen offen sein müssen - das Thema tangiert den Datenschutz und die Privatsphäre der Mensch in einem Gebäude.

Interkonnektivität im Sinne hoher Übertragungsgeschwindigkeiten ist vor allem in ländlichen Regionen differenziert zu prüfen. Zudem bedeutet Konnektivität, dass Immobilien ihre Daten auf sicherem Wege und in auswertbarer Form an Datenräume, Plattformen oder Systeme von Verwaltern, Betreibern und Prozesssteuerern senden. Intrakonnektivität als Standortfaktor wird anhand der IoT-Ausstattung, der Qualität der internen Datennetze sowie der verbauten Sensorik im Gebäude beurteilt. Die Konnektivität mit den Nutzern ist in hohem Maße von der Gebäudetechnik abhängig, aber auch von der Fähigkeit, den Nutzer für Aspekte wie Indoor-Mapping zu begeistern.

Faktoren teils im direkten Einflussbereich der Eigentümer und Nutzer

Einige der vorgenannten Punkte liegen im direkten Einflussbereich der Eigentümer oder Nutzer selbst - sie können Konnektivität einplanen, nachrüsten und fördern. Sie können die Sicherheit und den Schutz vor Cyberkriminalität erhöhen. Umgekehrt könnten zukünftig die Kosten für eine nicht erfolgte Nachrüstung beispielsweise bei der Immobilienbewertung negativ berücksichtigt werden.

Fakt ist: Die vorgenannten Punkte werden im Zusammenspiel als "Standortfaktor Konnektivität" an Bedeutung gewinnen und je nach Fall zum alten Mantra "Lage, Lage, Lage" aufschließen.

DER AUTOR CHRISTIAN SCHULZ-WULKOW, Partner und Leiter Immobiliensektor in Deutschland, Österreich, Schweiz, Ernst & Young Real Estate GmbH, Eschborn
DER AUTOR GERALD KREMER, Senior Manager, Ernst & Young Real Estate GmbH, Eschborn
Christian Schulz-Wulkow , Managing Partner EY Real Estate

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