Kapitalanlage

Multi-Service-Center als Assetklasse

Multi-Service-Center Charlottenburger Chaussee, Berlin Quelle: www.fortress.de

Ausgehend von einer simplen Tankstelle und einem steigenden Convenience-Anspruch des Verbrauchers, hat sich das Konzept Multi-Service-Center entwickelt, das den Trend zum One-Stop-Shopping bedient. Durch die dadurch entstehenden Cross-Selling-Effekte entstehen Synergieeffekte für die Mieter und es ist aufgrund des stetig wandelnden Konsumentenverhaltens eine permanente Weiterentwicklung gegeben. Allerdings bringen diese Konzepte auch einige Mindestanforderungen unter anderem an die Lage, Autofrequenz, Grundstücksgröße sowie baurechtlichen Rahmenbedingungen mit sich, die je nach Größe und Branchenmix der Agglomeration divergieren und nicht selten einen Engpass an geeigneten Grundstücken evozieren. Auch die Finanzierung gestaltet sich dank der Etablierung des Konzepts und einer Ausrichtung auf Investorenanforderungen positiv, ferner besteht eine hohe Vorvermietungsquote bonitätsstarker Ketten. All dies lässt die Multi-Service-Center in der Gunst der Anleger - insbesondere cashfloworientierter und autodienstleistungsaffiner Investoren - stetig steigen. Red.

Die Autofrequenz von Ausfallstraßen mit hohem Verkehrsaufkommen ist nicht nur für Ketten im Autodienstleistungsbereich, sondern durch die damit verbundene Kundschaft auch für den Handel hoch interessant. An solchen Standorten finden sich überall in Deutschland Mieter von Handelsimmobilien, jedoch fast immer als individuelle Einzel-, also Standalone-Lösung. Ausgehend davon entstand das Konzept Multi-Service-Center (MSC). Weg von der Einzellösung, hin zur Verknüpfung von Dienstleistungen, Service und Einkauf. Das Prinzip gleicht dem der Fußgängerzonen oder Shoppingcenter und folgt damit aktuellen Nachfragetrends des modernen Endverbrauchers. Dieser zeichnet sich durch eine hohe Mobilität, auch im höheren Alter, und einen Komfortanspruch (Convenience) aus.

Convenience umschreibt einen der wichtigsten Trends des Konsumentenverhaltens überhaupt und steht für Annehmlichkeit, Bequemlichkeit und Komfort. Moderne Tankstellenstandorte bieten bereits eine Vielfalt von Angeboten, Produkten und Dienstleistungen. Der Kunde bekommt genau das, was er braucht, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem er es braucht. Letztlich ist Convenience eine Strategie, um Zeit zu sparen. Dieser Strategie folgt das Multi-Service-Center-Konzept in einem größeren Rahmen als die Tankstelle und unter Einbeziehung von Spezialisten für Dienstleistungen sowie Handel und folgt dabei insbesondere dem Trend der Kopplungskäufe und dem Wunsch des One-Stop-Shoppings beziehungsweise der Nutzung weiterer Dienstleistungen vor Ort.

Wesentliche Bestandteile des MSC

Fester Bestandteil des Multi-Service-Centers ist die Tankstelle. Sie ist der Hauptfaktor des Konzeptes, da durch sie die meisten Kraftfahrzeuge aus dem fließenden Verkehr auf das Grundstück kommen. Die Tankstelle wird um Kraftfahrzeug bezogene Einzelhandels- und Dienstleistungseinrichtungen ergänzt. Im Einzelhandel favorisieren Lebensmittelmärkte und Fachmärkte im Getränke-, Heimtier-, Multi- oder Bettwarensortiment die Stand orte. Im Dienstleistungsbereich sind Waschstraßen und renommierte Ketten aus den Bereichen Reifenhandel und Glasreparatur und -ersatz als Mieter zu nennen. So bildet sich ein Branchenmix, der sowohl auf die Verkehrsfrequenzen der Tankstelle und des Fastfood-Restaurants ausgerichtet ist, als auch kurz- und mittelfristigen Bedarf deckt. Das MSC-Portfolio ist demnach ein "Roadside Retail Portfolio". Durch die direkte räumliche Zuordnung und die Cross-Selling-Effekte steigen der Erfolg und damit die Betriebsergebnisse aller Mieter, sodass die Nachfrage nach Agglomerationen mit komplementären Nutzungen weiter zunehmen wird. Durch die hohe Kundenfrequenz werden zudem die diversen Dienstleistungen am Standort besser ausgelastet und erhöhen die Besucherverweildauer und somit die getätigten Ausgaben. Für das MSC-Konzept gilt: Die jeweiligen Standort-, Grundstücks- und Objektanforderungen müssen auf die Anbieter zugeschnitten und die Konzepte kompatibel sein. Nur dann ist mit positiven wirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven zu rechnen, die auch Stadtentwicklungsperspektiven berühren.

Standortwahl und Anforderungen an die Objekte

Auf Makroebene gelten für die große Mehrheit der Mieter die Faktoren Ortsgröße, Bevölkerungsentwicklung am Ort, Kaufkraft, räumliche Funktion des Ortes (Unter-, Mittel-, Oberzentrum) und die ungedeckte Nachfrage im jeweiligen Sortimentsbereich als wichtigste Kriterien bei der Standortwahl. Natürlich beeinflussen die Standortwahl auch landes- und raumordnende Grundsätze sowie baurechtliche Vorgaben.

Die Anforderungen an den Mikrostandort hängen von der Größe des Standorts und dem angestrebten Branchenmix der geplanten Fachmarktagglomeration ab. Die Standorte befinden sich an den größeren städtischen Verkehrsachsen (Ein- und Ausfallstraßen) der Städte und liegen maximal acht Kilometer entfernt zur Innenstadt. Die Mindestanforderung an die Autofrequenz beträgt 12 000 Autos pro Tag. Spitzenstandorte erreichen mehr als 25 000. Die Grundstücksgrößen bewegen sich zwischen 7 500 bis 25 000 Quadratmeter.

Für alle Standorte müssen die baurechtlichen Rahmenbedingungen (Ausnutzung des Grundstücks, Blockrandbebauung, Einzelhandelsnutzung) jeweils individuell geschaffen werden. Darin liegt die Herausforderung und somit ergibt sich auch ein Engpass an der Verfügbarkeit von Grundstücken, die für ein MSC geeignet sind.

Beispielhaft zeigt die Abbildung das Multi-Service-Center Charlottenburger Chaussee, das bereits 2003 in Berlin-Spandau eröffnet wurde. Es besteht aus einer Tankstelle, einem Fastfood-Restaurant, drei autoorientierten Dienstleistern und einem Netto Discounter.

Investition und Finanzierung

Das Investitionsvolumen variiert entsprechend der Größe der Standorte und kann bis zu 20 Millionen Euro betragen. Für die jeweiligen Grundstücke liegen die Werte bei 150 bis 300 Euro pro Quadratmeter.

Die Finanzierung gestaltet sich durch die Etablierung des Konzeptes und Ausrichtung als Investitionsprodukt positiv. Die potenziellen Mieter der Multi-Service-Center sind professionelle und bonitätsstarke Ketten. In der Regel können diese Unternehmen im Rahmen ihrer Expansionspläne neue Standorte zügig bewerten.

Eine Vormietung der wesentlichen Ankermieter ergibt sich bereits im Zuge des Ankaufs der Grundstücke und vor Beginn der Bautätigkeit. Nur wenige Flächen müssen spekulativ errichtet werden. Daraus ergibt sich eine hohe Vorvermietungsquote, die meist bei 80 Prozent liegt und die Finanzierung der Projektentwicklung ermöglicht.

Ein spezielles Anlageprodukt

Ähnlich anderer Nutzungen wie Logistik oder Unternehmensimmobilien sind Multi-Service-Center in den vergangenen Jahren als Investitionsgut salonfähig geworden. Für viele der einzelnen Nutzungen gibt es bereits Investoren, die nur Lebensmittel, Autoservice, Fastfood oder Tankstellen kaufen. Dennoch sind MSC ein spezielles Anlageprodukt und derzeit meist von Interesse für stark cashfloworientierte Investoren, die häufig auf den "automotiven" Bereich spezialisiert sind.

Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung des Produktes MSC sind die Investitionskriterien institutioneller Anleger wie Mindestinvestitionsvolumen, Mieterbonität oder Nachhaltigkeit in der Vermietung erfüllt.

Hinzu kommt die grundsätzliche Affinität zum Einzelhandelsprodukt "Retail", das weltweit Investoren anspricht und nach dem sich die Nachfrage jüngst wieder verstärkt hat. Die Spitzenrendite für Fachmärkte lag 2009 noch bei 6,7 Prozent (14,9-fach) - 2014 bei 6,1 Prozent (16,3-fach). Die Verkaufsfaktoren für Multi-Service-Center orientieren sich an den Werten für Fachmarktzentren oder Lebensmittelmärkte. Investoren rekrutieren sich mit institutionellem Geld und vorrangig aus dem Ausland - insbesondere aus dem angelsächsischen Raum, da dort eine Affinität zu Immobilienprodukten mit Autodienstleistungen vorhanden ist. So investierten bereits US-amerikanische, kanadische Pensionsfonds sowie russische aber auch private Investoren in deutsche MSC.

Quo vadis Multi-Service-Center?

Der Trend der Mieter zur Positionierung an frequenzstarken Standorten ist weiterhin ungebrochen. Für Handelsunternehmen sind Fachmarktagglomerationen eindeutig der favorisierte Standorttyp. Der Mix an Branchen und Anbietern verschiedener Nutzungen und Größenklassen gebündelt an einem Standort bedient vielerlei Bedürfnisse von Verbrauchern. Die Kopplung umschließt die Erledigung mehrerer Tätigkeiten wie Tanken, Wagenpflege und Einkauf an einem Standort, wodurch Wege und Zeit gespart werden können.

Durch Kopplungen der Konsumenteninteressen entstehen Synergieeffekte für die Mieter. Standalone-Standorte spielen in der Regel keine große Rolle mehr bei der Standortwahl. Die Nachfrage der lokalen Erreichbarkeit von Services durch Kunden ist weiterhin ansteigend. Dies zeigt sich zum Beispiel bei den Umsätzen der Tankstellen, bei denen laut Scope mittlerweile 85 Prozent des Gesamtumsatzes auf die Shops entfallen und dies oft außerhalb der Geschäftszeiten der Lebensmittelhändler.

Zwei aktuelle Beispiele für den Convenience-Gedanken sind die Kooperation von Aral mit Rewe, das "Rewe to go"-Konzept in Tankstellen zu integrieren, oder die Ausweitung des Angebotes der McDonalds-Standorte mit der Integration des Cafés.

Das Produkt Multi-Service-Center wird permanent weiter entwickelt, da auf Änderungen im Verbraucherverhalten der Konsumenten geachtet werden muss, wie das jüngste Beispiel der Integration eines Lagerflächenanbieters (Storage Konzept) in ein MSC zeigt. Zudem bleibt die Ausrichtung auf die Investorenanforderungen im Fokus.

Eine aktuelle Umfrage des Immobiliendienstleisters Knight Frank in Großbritannien vom Januar dieses Jahres zeigt, dass von den befragten 69 führenden Immobilieninvestoren 77,8 Prozent sich in den nächsten zwei Jahren auf "Specialist Property Investments" fokussieren werden, davon konzentrieren sich 25 Prozent auf Europa, wobei Deutschland bei den internationalen Investoren eine wichtige Rolle spielen dürfte. Multi-Service-Center werden sich also als Assetklasse weiter etablieren.

Der Autor Ulrich Henssen Ulrich Henssen, Vorstand, Fortress Immobilien AG, Düsseldorf

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