Immobilienrecht

Das neue Bauvertragsrecht stärkt die Rechte privater Bauherren

Florian Becker, Rechtsanwalt, BEHM PUDACK BECKER Rechtsanwälte, Berlin

Bereits im März 2016 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Reform des Bauvertragsrechts eingebracht, der knapp ein Jahr später unter Berücksichtigung der Empfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz in leicht geänderter Fassung vom Bundestag beschlossen wurde. Das "Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung" soll zum 1. Januar 2018 in Kraft treten. Das vordergründige Ziel ist klar: Ein Mehr an Verbraucherschutz soll mithilfe des neuen Bauvertragsrechts gewährleistet werden. Der Autor analysiert im folgenden Beitrag die wichtigsten Veränderungen. Grundsätzlich erwartet er "erhebliche Auswirkungen auf die Baupraxis". Insbesondere im Zuge der Einführung des Verbraucherbauvertrages würden die Rechte von privaten Bauherren erheblich gestärkt. Bauunternehmern empfiehlt er deshalb eine genaue Beachtung der einschlägigen Neuregelungen, um sich keinen Nachteilen auszusetzen. Darüber hinaus haben Handwerker Anlass zur Freude: Die Gesetzesreform wird deren Situation in Gewährleistungsfällen erheblich verbessern. Red.

Das Baurecht/Bauvertragsrecht wird im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) lediglich rudimentär in den §§ 631 ff. BGB geregelt, ist sehr allgemein gehalten und entspricht nicht den Anforderungen komplexer, auf lange Erfüllungszeit angelegter Bauvorhaben. Der Deutsche Vergabe-und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DAV) hat zwar die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) als besonderes Regelwerk für Bauverträge geschaffen, bei einer Großzahl von Bauverträgen wird allerdings die VOB/B vertraglich nicht einbezogen - mit der Folge, dass die unzureichenden gesetzlichen Regelungen des Werkvertragsrecht im BGB gelten.

Ziel des Gesetzentwurfs ist es, wichtige Vorschriften aus der VOB/B in das BGB zu übernehmen, wesentliche im Bauvertragsrecht bislang nicht vorhandene Regelungen neu aufzunehmen und den Verbraucherschutz herauszuheben.

Veränderte Vorschriften bei der Mängelhaftung

Signifikante Neuerungen wird es bei den Mängelrechten in sogenannten Leistungsketten geben, bei denen ein Handwerker Material einkauft und dieses dann bei dem Auftraggeber/Bauherrn einbaut und sich später die Mangelhaftigkeit der Materialien herausstellt. Neben Kosten für die Lieferung des neuen mangelfreien Materials entsteht oft Streit über die zusätzlichen Kosten für den Aus- und Einbau.

Derzeit kann der Handwerker gegenüber dem Verkäufer beim Unternehmensvertrag Ein- und Ausbaukosten bei der Lieferung einer mangelhaften Sache nur als verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch geltend machen. Diese Rechtslage geht regelmäßig zulasten der Handwerker und Bauunternehmer, denn sie schulden im Zuge der werkvertraglichen Nacherfüllung den Ausbau und den Einbau des mangelfreien Werks/Materials. Der Verkäufer des Materials schuldet indes gegenüber dem Werkunternehmer in der Regel nur die Lieferung einer neuen Kaufsache. Die Kosten dieser Leistungsstörung in der Lieferkette können mithin für den Werkunternehmer immens hoch sein.

Nach der Neuregelung soll der Anspruch des Werkunternehmers auf Nacherfüllung auch den Ausbau der gekauften mangelhaften und den Einbau der neu zu liefernden Sache umfassen, wenn der Werkunternehmer die gekaufte Sache entsprechend ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut hat.

Anordnungsrecht als zentrale Neuregelung

Erweiternd zu dieser Regelung hat der Verkäufer der mangelhaften Sache Ersatz für die Aus- und Einbaukosten auch dann zu leisten, wenn das schadhafte Produkt an eine andere Sache angebracht worden ist. Verwendet also ein Maler beispielsweise mangelhafte Farbe, kann er die Kosten der Neulackierung verlangen.

Neu eingeführt wird eine Sondernorm für den Bauvertrag in Abgrenzung zum Werkvertrag. Der Bauvertrag definiert sich über die Merkmale der Herstellung/Wiederherstellung eines Bauwerks beziehungsweise der Instandhaltung eines Bauwerks. Entscheidend ist, dass es sich entsprechend der Dauer und des Umfang um einen auf längerfristige Zusammenarbeit angelegten Vertrag handelt. Zentrale Neuregelung beim Bauvertrag ist das Anordnungsrecht des Bestellers. Der Besteller/Bauherr hat entsprechend den Regelungen der VOB/B ein Anordnungsrecht für Leistungsänderungen. Bisher kennen die Regelungen des BGB ein derartiges Anordnungsrecht nicht. Leistungsänderungen und/oder Planungsänderungen sind allerdings bei lang andauernden Bauvorhaben die Regel.

Wahlrecht für Auftragnehmer

Dem Besteller steht zukünftig das Recht zu, Änderungen unter gewissen Voraussetzungen dem Unternehmer gegenüber in Textform anzuordnen. Grundsätzlich geht die Gesetzesänderung davon aus, dass die Parteien über die Änderung des vereinbarten Werkerfolgs oder Änderungen, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig sind, zunächst Einvernehmen erzielen sollen. Erst wenn keine Einigung erzielt wird, kann der Besteller die Änderung anordnen. Das Recht des Bestellers, eine solche Änderung anzuordnen besteht allerdings erst dann, wenn die Parteien nicht binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens eine Einigung erzielen.

Der Gesetzesentwurf enthält zuletzt eine bislang nicht vorhandene Zumutbarkeitsschwelle. Der Unternehmer ist nur verpflichtet die Anordnung auszuführen, wenn ihm dies zumutbar ist. Ist dies nicht der Fall, kann er die Ausführung verweigern.

Ebenfalls neu geregelt ist die zusätzliche Vergütung derartiger Leistungsänderungen. Bislang musste der Auftragnehmer seine Vergütung auf Basis der hinterlegten oder erstellten Urkalkulation ermitteln. Diese Urkalkulation soll zwar noch als Vermutung für die geschuldete Vergütungshöhe dienen, allerdings nur, wenn der Unternehmer selbst auf diese zurückgreift und sie bei Vertragsschluss hinterlegt worden ist.

Zusammenfassend bedeutet dies, dass dem Unternehmer ein Wahlrecht dergestalt zusteht, ob er die Nachträge auf Basis seiner Urkalkulation oder nach den tatsächlich erforderlichen Kosten abrechnen will. Die Vermutung, dass die Kostenansätze aus der Urkalkulation den tatsächlichen Kosten entsprechen sowie die Zuschläge angemessen sind, greift nach der Begründung nur, sofern die Urkalkulation ausreichend aufgeschlüsselt ist.

Gesteigertes Schutzbedürfnis des Verbrauchers

Neu eingeführt werden der Verbraucherbauvertrag sowie eine Vielzahl damit einhergehender Schutzvorschriften, wie beispielsweise die Höhe und Absicherung von Abschlagszahlungen, die Vorlage einer Baubeschreibung sowie einem gesonderten Widerrufsrecht. Hintergrund ist das gesteigerte Schutzbedürfnis des Verbrauchers bei wirtschaftlich bedeutenden Bauverträgen. Ein Verbraucherbauvertrag liegt nur bei Verträgen über die Errichtung eines kompletten Gebäudes oder bei erheblichen Umbaumaßnahmen von gleichem Gewicht für das Gebäude mit einem Verbraucher vor. Erfasst sind nur Verträge über Maßnahmen, die das Grundstück wesentlich umgestalten (nicht bei Errichten von Carports/Garagen). Der Verbraucherbauvertrag bedarf der Textform.

Unter erheblichen Umbaumaßnahmen sind solche zu verstehen, die mit dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar sind. Entscheidend sind der Umfang und die Komplexität des Eingriffs ebenso wie die Intensität in die bauliche Substanz des Gebäudes. Der Verbraucher muss vor und während der Ausführung umfassend schriftlich informiert werden. Der Bauunternehmer muss eine detaillierte Baubeschreibung des angebotenen Werkes erstellen und in Textform überreichen. Diese Baubeschreibung hat die wesentlichen Eigenschaften des angebotenen Werks in klarer und verständlicher Weise darzustellen.

Baubeschreibung wird zum Vertragsinhalt

Ebenfalls muss sie verbindliche Angaben zur Bauzeit enthalten. Die Baubeschreibung wird Vertragsinhalt und somit vereinbarte Beschaffenheit. Für den Fall, dass die Baubeschreibung nicht den vertraglichen Anforderungen genügt, regelt das Gesetz, dass der Vertrag dann unter Berücksichtigung sämtlicher begleitender Umstände, vor allem unter Berücksichtigung des übrigen Ausstattungsstandards sowie der übrigen beschreibenden Merkmale auszulegen ist.

Ebenfalls zum Schutz des Verbrauchers werden die dem Unternehmer zustehenden Abschlagszahlungen auf insgesamt nicht mehr als 90 Prozent der vereinbarten Vergütung einschließlich Nachträge beschränkt. Hintergrund ist es zu verhindern, dass es durch zu hohe Abschlagsforderungen zu nicht erkennbaren Vorauszahlungen für den Verbraucher kommt.

Architektenvertrag als 2-Phasen-Modell

Neu in das BGB aufgenommen wird der Architekten-und Ingenieurvertrag. Der Architektenvertrag soll als 2-Phasen-Modell ausgestaltet werden und sich in eine Zielfindungsphase und eine Ausführungsphase gliedern. Es ist davon auszugehen, dass die Leistungsbilder der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) für die Frage der Vergütung und auch die geschuldete Leistung heranzuziehen sind.

Auf eine Bezugnahme zur HOAI wird verzichtet, da es sich hierbei nur um eine Gebührenordnung handelt. Diese soll nicht zwingend alle Leistungen abdecken, die der Architekt oder Ingenieur im Einzelfall vertraglich schuldet. Entscheidend wird daher weiterhin sein, welche Leistung konkret vertraglich zwischen den Parteien vereinbart ist.

Nachdem der Architekt dem Besteller die Planungsgrundlagen und Kosteneinschätzung vorgelegt hat, kann der Besteller innerhalb von zwei Wochen nach Vorlage dieser Unterlagen kündigen, bei Verbrauchern ist ein ausdrücklicher Hinweis in Textform erforderlich. Rechtsfolge ist eine Vergütung nur für die erbrachten Leistungen. Das Sonderkündigungsrecht besteht auch bei Ingenieurverträgen sowie Verträgen zwischen Unternehmern (B2B-Verträgen).

Erhebliche Auswirkungen auf die Baupraxis

Die geplante Gesetzesänderung enthält eine Vielzahl von Neuregelungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Baupraxis haben werden. Durch die Einführung des Verbraucherbauvertrages werden die Rechte von privaten Bauherren erheblich gestärkt. Unternehmer müssen die einschlägigen Regelungen und Informations- und Widerrufspflichten beachten, um sich keinen Nachteilen auszusetzen.

Inwiefern sich das neue Anordnungsrecht und die damit einhergehenden Vergütung von nachträglichen Leistungen in der Praxis bewähren, muss abgewartet werden. Insbesondere die Vergütungsanpassung wirft in ihrer Praktikabilität Fragen auf. Dies betrifft die widerlegliche Vermutung, dass die Kostenansätze in einer hinterlegten Urkalkulation den tatsächlichen Kosten entsprechen und die Zuschläge angemessen sind. Wie dies beispielsweise bei Kalkulationen und deren Aufschlüsselung mit NU-Preisen oder GU-Zuschlägen praktisch erfolgen soll, ist offen und der Begründung nicht zu entnehmen. Hier besteht Klärungsbedarf.

Die Bundestagsfraktionen haben sich am 15. Februar 2017 ebenfalls darauf geeinigt, dass einheitlich spezielle Baukammern an den Landgerichten eingeführt werden. Dies ist zu begrüßen, denn Baustreitigkeiten sind in der Praxis umfangreich und erfordern auch von Richtern ein gewisses Spezialwissen dieser Materie.

Der Autor Florian Becker Rechtsanwalt, BEHM PUDACK BECKER Rechtsanwälte, Berlin
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