Wohnungsbaupolitik

Nordrhein-Westfalen braucht ein Klima für den Neubau

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Mit der Bildung des neuen Kabinetts um CDU-Ministerpräsident Armin Laschet im Juni 2017 ist in Nordrhein-Westfalen das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung aus den Geschäftsbereichen diverser anderer Ministerien neu entstanden. Die frisch gekürte Ministerin Ina Scharrenbach machte sich im Bereich der Wohnungsbaupolitik umgehend an die Arbeit: In einer ihrer ersten Amtshandlungen kündigte sie ein zwölfmonatiges Moratorium für die von der rot-grünen Vorgängerregierung beschlossene Landesbauordnung an, die eigentlich am 28. Dezember dieses Jahres in Kraft treten sollte. Der Zeitraum des Moratoriums soll nun dafür genutzt werden, um einzelne Vorschriften noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Die Sorge der neuen Ministerin: Darin enthaltenen und mitunter kostensteigernden Regulierungen könnten den auch in Nordrhein-Westfalen dringend benötigten Wohnungsneubau zum Erlahmen bringen. Im folgenden Beitrag erörtert sie, wie das von ihrem Ministerium ausgerufene Ziel eines "Klimas für den Neubau" erreicht werden soll. Red.

Wer in den letzten zehn Jahren die öffentliche Diskussion um das Thema Wohnungsbau verfolgt hat, stellt fest, dass Wohnungsmieter und -vermieter gegeneinander ausgespielt werden. Dies ist nicht zielführend. Nordrhein-Westfalen braucht deshalb ein Klima für den Neubau: Von der Landesebene angefangen bis in unsere Städte und Gemeinden hinein.

Lösen lässt sich das Problem grundsätzlich nur durch mehr Wohnungsbau - und zwar in allen Marktsegmenten. Es bedarf mehr Mietwohnungen, Eigenheimen und Eigentumswohnungen. Auch werden mehr frei finanzierter Wohnungsbau und mehr geförderter Wohnungsbau benötigt. Denn Wohnen gehört zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Das betrifft Familien mit Kindern, die mehr Platz brauchen, ebenso wie Studienanfänger, die ein Zimmer suchen und Seniorinnen und Senioren, die ohne Barrieren in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben möchten.

Ohne Bauland keine neuen Wohnungen

Was ist also zu tun? Zunächst gilt der Grundsatz, ohne Bauland kein Wohnungsbau. Ohne bezahlbares Bauland gibt es keinen bezahlbaren Wohnungsbau und erst recht keine bezahlbaren Mieten. Der Mangel an tatsächlich verfügbarem Bauland ist ein ganz zentrales Problem, wenn nicht vielleicht die größte Herausforderung beim Thema Wohnungsbau überhaupt. Und die Betonung liegt hier auf "tatsächlich verfügbar". Theoretisch regionalplanerisch gesichert allein hilft nicht.

Deshalb wollen wir den Kommunen die Ausweisung zusätzlicher Bauflächen vordringlich an den Trassen des öffentlichen Nahverkehrs ermöglichen und die zu restriktiven Vorgaben in der Landesund Regionalplanung beseitigen. Die Kommunen brauchen eine Landes- und Regionalplanung, die es ihnen ermöglicht, zu einer vernünftigen Bodenvorratspolitik zurückzukommen und bei der Baulandentwicklung tatsächlich gestalten zu können. Selbstverständlich bleibt es dabei bei dem Grundsatz Innen- vor Außenentwicklung. Außerdem werden die Unterstützungsinstrumente des Landes für die Brachflächenaktivierung weitergeführt.

Mit der Frage der Verfügbarkeit von Grundstücken verbunden ist die Aufgabenstellung der Schaffung von Bebauungsplanungsrechten, die über die Städte und Gemeinden erfolgt. Es ist bekannt, dass viele technische Ämter in den Stadtverwaltungen vor großen Herausforderungen - auch personell - stehen. Das wird die Landesregierung zusammen mit den Städten und Gemeinden in den Blick nehmen.

Der Rückgang der Baugenehmigungen ist in Nordrhein-Westfalen in allen relevanten Segmenten des Immobilienmarktes stärker als im Bundesvergleich. Bei den Gebäuden mit drei und mehr Wohnungen, also im Geschosswohnungsbau, sinkt die Zahl der Baugenehmigungen sogar gegen den Bundestrend. Die Zahl der genehmigten Wohnungen ist insgesamt von rund 31 000 in der ersten Hälfte des letzten Jahres auf nun nur noch rund 26 000 zurückgegangen. Das ist ein Einbruch um über 16 Prozent.

Forcierung digitaler Genehmigungsverfahren

Schon in den letzten Jahren wurde in Nordrhein-Westfalen angesichts der absehbaren jährlichen Nachfrage von rund 80 000 neuen Wohnungen deutlich zu wenig gebaut, selbst im vermeintlichen Rekordjahr 2016 lag man mit insgesamt nur 66 500 deutlich unter der Zielmarke. Diese Entwicklung wird den Mangel an Wohnungen in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens verschärfen und damit auch die Preis spirale weiter nach oben treiben. Dies ist ein großes soziales Problem in unseren Städten und Gemeinden und wir müssen und werden dieser Entwicklung entgegenwirken.

Baugenehmigungsverfahren sollen transparenter, verbindlicher und schneller werden - und somit wachstumsfreundlicher. Dazu werden die Kommunen bei der Einführung digitaler Verfahren unterstützt. Darüber hinaus wird die Landesregierung insbesondere den kleineren Städten und Gemeinden mit dem Angebot der "kooperativen Baulandentwicklung" durch die landeseigene Entwicklungsgesellschaft NRW.Urban Unterstützung anbieten.

Förderbank entlastet kommunale Haushalte

Das Ziel der "kooperativen Baulandentwicklung" sind gemischte Stadtviertel mit frei finanziertem und auch gefördertem Wohnungsbau, jeweils angepasst an die jeweilige Lage und die Bedarfe vor Ort. Das Angebot umfasst sowohl den Erwerb der Grundstücke mit allen dafür notwendigen Vorleistungen als auch die Planung, Entwicklung und Vermarktung. Das alles wird im Treuhandauftrag umgesetzt, sodass die Kommune die volle Kontrolle behält. Die NRW.Bank wird bei diesem Programm die komplette Vorfinanzierung zur Verfügung stellen, sodass die kommunalen Haushalte diese nicht leisten müssen.

Auch für Privatinvestoren soll es wieder attraktiv werden, in den Wohnungsbau zu investieren. Um auf Bundesebene Impulse zur Stimulierung des Wohnungsbaus zu setzen, werden wir eine Initiative zur Einführung einer dreiprozentigen linearen AfA und einer zusätzlichen, zeitlich begrenzten Sonder-AfA für alle Wohngebäude ergreifen. Die lange Tradition der sozialen Wohnraumförderung werden wir fortsetzen und dabei die Förderbedingungen und Standards überprüfen, um diese Förderung effizienter zu gestalten.

Wenn Regelungen in der - noch unter der Vorgängerregierung - neugefassten Landesbauordnung das Bauen in Nordrhein-Westfalen komplizierter machen, werden wir diese Regelungen und Vorgaben auf den Prüfstand stellen. Die neue Landesregierung hat deshalb einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Inkrafttreten dieser Landesbauordnung um zwölf Monate aufschieben soll (sogenanntes Moratorium). Dies hat zur Folge, dass die derzeit noch geltende Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 2000 grundsätzlich um ein Jahr länger anzuwenden ist. Eine neue Landesbauordnung tritt damit erst zum 1. Januar 2019 in Kraft.

Durch das Moratorium werden auch weitere Fristen verschoben. Galt bisher, dass Bauanträge, die bis zum 1. Oktober 2017 vollständig und ohne erhebliche Mängel waren, nach altem Recht behandelt wurden, so wird durch das Moratorium auch diese Frist um 12 Monate nach hinten verschoben. Das heißt, für Bauanträge, die nunmehr vor dem 1. Oktober 2018 vollständig und ohne erhebliche Mängel eingereicht werden, gilt altes Recht auch dann, wenn die Baugenehmigung erst nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens erteilt werden sollte. Das bedeutet, dass bis zum 1. Oktober 2018 auch das Freistellungsverfahren, das die Vorgängerregierung abgeschafft hat, weiter Gültigkeit hat.

Fristenverschiebungen infolge des Moratoriums

Auch die Frist, innerhalb derer die Gemeinden Stellplatzsatzungen erlassen sollen, wird um ein Jahr verlängert. Das Bauproduktenrecht, welches an die Vorschriften der Europäischen Union angepasst worden und seit dem 28. Juni dieses Jahres in Kraft ist, bleibt von dem Moratorium unberührt und gilt unverändert. Wenn Regelungen in der Landesbauordnung das Bauen in Nordrhein-Westfalen verteuern, sollten sie überarbeitet werden.

Ein Beispiel sind die Quotenvorgaben für die sogenannten R-Wohnungen, also die sehr flächenintensiven rollstuhlgerechten Wohnungen. Natürlich ist uns wichtig, dabei das alters- und behindertengerechte Bauen im Blick zu haben. Menschen werden älter. Und es ist in der Tat sehr wichtig, dass jeder Mensch so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben im Alter trotz eventuell eingeschränkter Mobilität führen kann. Aber beim Thema Barrierefreiheit braucht es Regelungen, die das Bauen nicht behindern. Regelungen, die praktikabel sind und auch bei den Menschen ankommen.

Gleiches gilt auch für den Gebäudebestand. Absolute Barrierefreiheit zu erreichen ist hier oft gar nicht möglich. Es kommt deshalb darauf an, die Maßnahmen zu fördern, die den Bewohnerinnen und Bewohnern wirklich das Leben erleichtern.

Barrierefreies Bauen erfordert praktikable Regeln

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens wird deshalb nicht nach Schema F, sondern sehr pragmatisch vorgehen und darauf achten, dass die Landesvorgaben und auch die Landesförderung von Maßnahmen zum Abbau von Barrieren im Wohnungsbestand konsequent daraufhin ausgerichtet werden. Bereits heute gilt: Wohnraum, der mithilfe der sozialen Wohnraumförderung in Nordrhein-Westfalen geschaffen wird, ist barrierefrei und ermöglicht Menschen solange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben in ihrem zu Hause. Wir werden dieses Engagement des Landes beim alters- und behindertengerechten Bauen weiterführen.

Nordrhein-Westfalen ist geprägt durch seine regionale Vielfalt. Mit seinen Ballungsräumen und den ländlichen Regionen ist es vielen Menschen eine Heimat. Diese Vielfalt wird die Landesregierung in der Wohnungsbaupolitik ebenso wie bei der Gestaltung des öffentlichen Raums berücksichtigen. Zur Schaffung eines Klimas für den Neubau sind die richtigen politischen Weichenstellungen auf allen Ebenen der Politik, also im Bund, im Land und in den Städten und Gemeinden erforderlich. Die Tatsache, dass Heimat, Bauen, Wohnen und Kommunales nun in einem Ministerium verortet sind, wird dabei sehr hilfreich sein, denn Wohnen ist gebaute Heimat.

Die Autorin Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
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