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Der NPL-Markt in Deutschland und Europa: Wohin führt der Weg?

Thorsten Brogt, Executive Director Business Development, Engel & Völkers Investment Consulting GmbH, Frankfurt am Main

Quelle: EVIC

Der Markt für Non-Performing Loans ist derzeit ambivalent, schreiben die Autoren. Während der Markt in Deutschland einigermaßen abgeräumt sei, kämpften die Banken in anderen europäischen Ländern nach wie vor mit einem sehr hohen Bestand notleidender Kreditengagements. Dennoch konnte in Deutschland eine signifikante Steigerung des Portfoliomarktes auf rund 15 Milliarden Euro verzeichnet werden. Diese Steigerung sei jedoch fast ausschließlich im Bereich besicherter Forderungen erzielt worden. Gleichzeitig seien nun die regulatorischen Anforderungen gestiegen. So hätte die Europäische Zentralbank jüngst Richtlinien erarbeitet, in dem sich die operativen und buchhalterischen Anforderungen an die Banken beim Umgang mit notleidenden Engagements erhöht hätten. Nicht zuletzt deshalb plädieren die Verfasser dafür, dass die Kreditinstitute auch hierzulande ihre NPL-Bestände schneller abstoßen. Red.

Derzeit bietet das wirtschaftliche Umfeld günstige Bedingungen für Finanzinstitute, ihre NPL-Portfolios abzustoßen. Doch aus vermeintlichen Reputationsgründen verkaufen die Institute ihre notleidenden Kredite nur stückchenweise auf den Markt. Der regulatorische Druck auf die Banken wird indes weiter steigen. In Deutschland herrscht seit Jahren ein Immobilienboom, in vielen europäischen Ländern haben sich die Märkte erholt. Der NPL-Markt ist daher schon ziemlich abgeräumt. Doch so eindeutig ist die Lage nicht. Die wirtschaftlichen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für den NPL-Markt im Jahr 2016 waren ambivalent: Auf der einen Seite führten eine stabile Konjunktur, insbesondere in Deutschland und sich erholende Volkswirtschaften (Spanien, Portugal, Irland) zu einer Stabilisierung der Kreditmärkte. Daneben setzte sich der Trend steigender Immobilienpreise in Europa fort und beschränkte sich nicht auf Metropolen und beste Lagen, sondern erreichte auch zahlreiche Regionen und Lagen mittlerer Güte. In der Folge konnten zahlreiche europäische Banken die Neubildung von Wertberichtigungen verringern und notleidende Engagements in den Bilanzen abbauen.

Auf der anderen Seite bestand auch 2016 wirtschaftlicher und aufsichtsrechtlicher Druck, der die Nutzung des NPL-Marktes beflügelte. So kämpfen die Banken in einigen europäischen Ländern nach wie vor mit einem sehr hohen Bestand notleidender Kreditengagements. Zu nennen sind hier insbesondere die italienischen Banken, aber auch in Zentral- und Osteuropa (CEE) tätige Banken. Neue regulatorische Anforderungen erhöhen die Dringlichkeit für Banken, sich dem Problem notleidender Kredite zu stellen und aktiv nach Lösungen zu suchen. So werden beispielsweise die neuen Regeln nach "Basel IV" sowie auch die veränderten Bilanzierungsgrundsätze nach IFRS 9 im Ergebnis erhöhte Eigenkapitalanforderungen und ein frühzeitigeres Management notleidender Kreditengagements erfordern. Gestützt werden diese Befunde vom NPL-Barometer der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing, bei dem deutsche Bankvertreter seit 2015 nach der persönlichen Einschätzung zum deutschen NPL-Markt befragt werden.

Regulatorischer Druck für Banken steigt

Daneben hat die Europäische Zentralbank im September mit dem "Draft guidance to banks on non-performing loans" ein Konsultationspapier zum geregelten einheitlichen Umgang von Banken mit notleidenden Engagements vorgelegt. Diese Richtlinien sind im März offiziell verabschiedet worden und es ist bereits jetzt abzusehen, dass sich die operativen und buchhalterischen Anforderungen an die Banken beim Umgang mit notleidenden Engagements erhöhen werden.

Auf Investorenseite führt die nach wie vor expansive Liquiditätsversorgung durch die EZB zu hoher Liquidität in den Märkten, wodurch Investoren über ausreichend Fremdfinanzierungsmittel (leverage) für die Investition in Kreditportfolios verfügen. Die Gesamtheit dieser Rahmenbedingungen - wirtschaftlicher und aufsichtsrechtlicher Druck auf die Banken und hohe Liquiditätsversorgung aufseiten der Investoren - führten 2016 zu einer Verringerung der Lücke zwischen Angebots- und Nachfragepreisen bei notleidenden Krediten und schufen damit eine der Hauptvoraussetzungen für die Entwicklung eines aktiven Sekundärmarktes für notleidende Kredite.

Letztlich lässt sich beobachten, dass der hohe Anlagedruck auf Seiten der Investoren dazu führte, dass sich der NPL-Markt zu einem Angebotsmarkt entwickelte. Die zu erzielenden Renditen gerieten dabei weiter unter Druck. Vor diesem Hintergrund wurde 2016 ein aktiver NPL-Markt beobachtet und verschiedene großvolumige Transaktionen konnten abgeschlossen werden.

Europäische Treiber des NPL-Marktes waren die Märkte in Großbritannien und Italien. Diese Märkte haben die Spitzenreiter Irland und Spanien abgelöst, die bislang die NPL-Märkte mit den größten Volumina waren. Im Vereinigten Königreich traten Großbanken wie HSBC und Barclays als Verkäufer milliardenschwerer Kreditportfolios in Erscheinung. In Italien war die Unicredit mit einem Verkauf von Kreditportfolios in verschiedenen Tranchen mit einem Gesamtvolumen von rund 18 Milliarden Euro besonders aktiv. Aber auch die Banca Populare di Bari, die Credito Valtelinese und wiederum Barclays traten mit großvolumigen Transaktionen öffentlich in Erscheinung.

In CEE wurden 2016 notleidende Kredite mit einem Volumen von rund 6,5 Milliarden Euro in den Markt gebracht. Mit einem Volumen von rund zwei Milliarden Euro ragte der Markt in Kroatien heraus, gefolgt von Rumänien, Ungarn und Slowenien. Besonders aktive Verkäufer waren in CEE die österreichische Abwicklungsanstalt HETA sowie wiederum die Unicredit oder die Nova Ljubljanska Banka in Slowenien. Insbesondere in CEE war zu beobachten, dass Servicer immer häufiger die Investorenrolle in Transaktionen einnehmen, da diese mittlerweile über die erforderliche Kapitalstärke verfügen und Fremdfinanzierungsmittel zur Verfügung stehen. Neben den bereits erwähnten Schiffskrediten bildeten in 2016 wiederum gewerbliche Immobilienkredite die Hauptklasse im notleidenden Kreditmarkt. Zunehmend sind zumeist kleinere Transaktionen von besicherten und unbesicherten Konsumentenfinanzierungen zu beobachten, ebenso wie die Veräußerung von Einzelkrediten.

In Deutschland konnte eine signifikante Steigerung des Portfoliomarktes auf rund 15 Milliarden Euro beobachtet werden. Diese Steigerung wurde fast ausschließlich im Bereich besicherter Forderungen erzielt. Eine nennenswerte NPL-Transaktion stellte der Verkauf eines Schiffskreditportfolios der Nord-LB an KKR mit einem Volumen von etwa 1,3 Milliarden Euro dar. Als Verkäufer in Deutschland traten vorwiegend private und öffentliche Banken sowie die Abwicklungsanstalten in Erscheinung.

Deutscher NPL-Markt hat Aufwärtspotenzial

Um ein besseres Bild von der Stimmung am deutschen NPL-Markt zu zeichnen, hat die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing 2015 das NPL-Barometer gestartet. Befragt werden hierzu die für den NPL-Bereich zuständigen Vertreter der deutschen Kreditinstitute, ob sich beispielsweise die NPL-Bestände oder NPL-Preise in den letzten sechs Monaten erhöht oder reduziert haben. Außerdem wird die Einschätzung bezüglich der kommenden sechs Monate abgefragt. Die Umfrage wird halbjährlich durchgeführt und stellt so den Trend für die Entwicklung am deutschen NPL-Markt dar. Das Klima, das durch einen Wert zwischen -1 und +1 dargestellt wird, wobei ein negativer Wert einen eher schwierigen Markt für die Käuferseite darstellt, lag in der Erhebung vom Mai 2017 bei - 0,13. Das bestätigt, dass die Position als Verkäufer von NPLs selten so gut war wie zurzeit.

Derzeit bietet der deutsche Immobilienmarkt günstige Bedingungen für Banken, ihre NPLs mit geringen Verlusten zu veräußern. Denn der Immobilienmarkt verzeichnet weiterhin steigende Preise. Investoren weichen auf der Suche nach attraktiven Investitionsmöglichkeiten mangels Angeboten zunehmend auf B- und C-Städte sowie Nischenprodukte wie Student Housing oder Rechenzentren aus. Im wohnwirtschaftlichen Bereich haben 82 Prozent der Teilnehmer bei der letzten Befragung steigende Immobilienpreise beobachtet. Allerdings gehen nur noch 37 Prozent von weiter steigenden Preisen in den kommenden sechs Monaten aus, während 52 Prozent gleichbleibende Preise erwarten. Insgesamt verkaufen die Finanzinstitute ihre notleidenden Immobilienkredite aber nur stückchenweise auf dem Markt. Aus vermeintlichen Reputationsgründen verzichten die Finanzinstitute oft auf einen Paketverkauf ihrer NPLs. Dahinter steht die Sorge, es könne der Eindruck entstehen, die Bank habe in der Vergangenheit zu sorglos neue Kredite vergeben.

Zudem deckt sich die eigene Bewertung der notleidenden Immobilienkredite nicht mit den am Markt zu erzielenden Preisen. Zwar gibt es theoretisch kaum Spielraum bei der Bewertung von NPLs. Doch die Praxis sieht anders aus. Die Bewertung umfasst nämlich häufig einen Blick in die Zukunft. Muss beispielsweise eine Sicherheit verwertet werden, stellt sich die Frage, welchen Verkaufspreis eine Immobilie in einigen Jahren wirklich am Markt erzielen kann. Hier kalkulieren viele Banken zu optimistisch.

Regelmäßige Transaktionen im ungesicherten Bereich

Auch im unbesicherten Bereich lohnt sich der Blick auf einen Verkauf. In diesem Segment ist eine regelmäßigere Transaktionstätigkeit zu beobachten.1) Auf der Käuferseite stehen große und finanzstarke Investoren, die oft auch gleichzeitig das Inkasso anbieten und dies - durch ein hohes Maß an Automatisierung und Standardisierung - effizienter und kostengünstiger als die Abwicklungseinheiten bei den Banken selbst.

Den Verzicht auf die Veräußerung ihrer NPL-Portfolios können sich die Banken und Sparkassen eigentlich nicht leisten. Zum einen wegen der umfassenden Regulierung des Bankensektors durch Basel III und Basel IV, denn diese geht mit höheren Eigenkapitalanforderungen und stärkerem Kostendruck einher. Zum anderen binden notleidende Forderungen sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen, die an anderer Stelle benötigt werden. Bei der Befragung zum NPL-Barometer im zweiten Halbjahr 2016 konnten noch 32 Prozent der Befragten eine negative Entwicklung des regulatorischen Umfelds feststellen und 44 Prozent sahen einen gleichbleibend (hohen) Druck auf das Eigenkapital. Im ersten Halbjahr 2017 gaben noch 19 Prozent an, eine weitere Verschlechterung beobachtet zu haben und 63 Prozent sagten, dass der Druck sich nicht verändert hat. Eine Verbesserung des regulatorischen Umfelds mit Blick auf das Eigenkapital ist nahezu undenkbar. Daher sind die Finanzinstitute besser beraten, sich von ihren NPL-Beständen zu trennen. Stattdessen werden aber die problembehafteten Bestände in den Büchern gehalten und auf weiter steigende Preise spekuliert.

Bisher ging diese Strategie auf. Aber wie wollen die verantwortlichen Vorstände argumentieren, dass sie immer noch NPLs aus der Finanzkrise 2008 halten, wenn der deutsche Immobilienmarkt anfängt zu stagnieren und eine neue Welle an NPLs hinzukommt? Daher sollten der Verkauf und dadurch die Bereinigung der Bilanzen grundsätzlich der favorisierte Lösungsweg sein.

Ein Blick auf die Entwicklung des Gesamtklimas im NPL-Barometer deutet zudem an, dass die Talsohle erreicht sein könnte, hat es sich über die letzten Erhebungen hinweg doch im leichten negativen Bereich eingependelt.

Ein Blick auf die Probleme, die zum "Distressed"-Status führen, zeigt, dass die Mängel der Immobilien in der Regel bekannt sind - und damit grundsätzlich behebbar. Aber den Banken und Sparkassen fehlt dafür die notwendige eigene Expertise im Asset Management von Immobilien. Oder die Expertise ist vorhanden, verursacht allerdings zu hohe Personalkosten.

Häufig heterogene Strukturen bei Portfolios

Die betroffenen Portfolios weisen zudem meist mehrere Problemherde auf. Sie sind häufig sehr heterogen und enthalten Immobilien an verschiedenen Standorten und mit unterschiedlichen Nutzungsarten. Die einzelnen Objekte werden dabei häufig von mehreren externen Dienstleistern verwaltet. Außerdem weisen die Gebäude fast immer diverse Finanzierungspartner und -strukturen auf. Hier mangelt es auch oft an der notwendigen Konsequenz, mit anderen Finanzinstituten oder Schuldnern eine Lösung voranzutreiben. Das erschwert die Einigung, notwendige Umbau- oder Repositionierungsmaßnahmen an den Objekten durchzuführen oder die Schuldner zu einer kooperativen Lösung zu bewegen. All diese Umstände machen das Management solcher Bestände zu einer Herausforderung, die Banken nicht kurzfristig bewältigen können. Das führt dazu, dass die Abwicklung der Immobilienkredite verzögert wird und die Finanzinstitute noch Jahre Geld kostet und die Bilanzen belastet.

Im unbesicherten Bereich entscheiden sich Banken zurzeit wegen der sehr guten Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt und den einhergehenden Rückzahlungsquoten beziehungsweise Abwicklungsmöglichkeiten außerhalb der Zwangsvollstreckung ebenfalls oft gegen einen Verkauf.2) Kreditkäufer und Servicer können in diesem Segment jedoch durch den hohen Industrialisierungsgrad und den harten Wettbewerb mit ihren Mitstreitern aus Bankensicht sehr attraktive Preise zahlen. Das bestätigt auch das NPL-Barometer: In den beiden letzten Befragungen gab eine große Mehrheit der Teilnehmer an, dass die Preise im unbesicherten Bereich gestiegen oder gleichgeblieben sind. Zudem bleibt die Frage des vorzuhaltenden Personals, das - sobald sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt wieder verschlechtert - dringend zur Bearbeitung nötig ist. Die Besinnung auf das Kerngeschäft, die Kreditvergabe, sollte demgegenüber Priorität haben.

Großvolumige NPL-Transaktionen, wie sie im europäischen Ausland bereits geschehen, wären dagegen ein echter Schritt hin zur Bilanzbereinigung und Befreiung von Altlasten aus der Finanzkrise. Die deutschen Finanzinstitute sollten daher ihre Scheu verlieren, denn die NPL-Servicer beziehungsweise Investoren sind lange aus ihren Kinderschuhen gewachsen und die Branche arbeitet professionell.

Eine weitere Option wäre, eine öffentlich gestützte "Bad Bank" zu schaffen - wie von der EZB vorgeschlagen. Diese Lösung könnte das gehandelte NPL-Volumen in die Höhe treiben. Eventuell könnten auch privatwirtschaftliche Initiativen für sogenannte "Bad Banks" zu einer weiteren Belebung des NPL-Marktes in Europa beitragen. Vielleicht werden auch Banken aus osteuropäischen Ländern, wie Bulgarien oder Serbien, als neue Verkäufer auftreten. Handlungsbedarf gibt es nach wie vor genug.

Fußnoten

1) Vgl. Köchling/Dzieciol, in: Köchling, Schalast (Hrsg.): Grundlagen des NPL-Geschäftes, S. 34

2) Vgl. Thanner, in: Immobilien & Finanzierung 2015, S. 432.

Die Autoren Thorsten Brogt Executive Director Business Development, Engel & Völkers Investment Consulting GmbH, Frankfurt am Main, Jan Dzieciol Referent für Kommunikation, BKS Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V., Berlin
Jan Dzieciol , Politik & Kommunikation , Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V., Berlin

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