Asset Management

Perlen im Bestand - lieber in Entwicklung investieren statt neu einkaufen

Günter Manuel Giehr, Geschäftsführer, MEAG, München

Quelle: MEAG

Welche Ansätze verfolgen Versicherungsunternehmen bei der Bewirtschaftung ihres Immobilienbestands? Der Autor gewährt einen Einblick in die Arbeitsweise eines großen deutschen Vermögensverwalters von Immobilien der Assekuranz. Ganz oben auf der Prioritätenliste stehe grundsätzlich der Faktor "Nachhaltigkeit", nicht zuletzt deshalb, um langfristig planbare und stabile Cashflows einer Liegenschaft sicherzustellen. Strategisch sei es wichtig, den Wert beziehungsweise die Ertragskraft einer Immobilie über den gesamten Zeitraum der Halteperiode zu betrachten. Ein ganzheitlicher Ansatz, etwa in Form eines Lebenszyklusmanagements, erscheint angesichts dieser Maxime sinnvoll. Worauf genau bei diesem Konzept zu achten gilt, erläutert der Autor ebenso wie die Frage, welche Assetklassen für Versicherer am attraktivsten sind. Red.

Versicherungen gehören zu den langfristigen Bestandshaltern unter den Immobilieninvestoren. Für ihre gut vorhersehbaren Zahlungsverpflichtungen liefern Immobilien langfristig gut kalkulierbare und stetige Cashflows. Wer Immobilien deswegen über einige, wenn nicht gar viele Jahrzehnte hält, wählt diese sehr sorgfältig aus und kümmert sich intensiv um eine nachhaltige Bewirtschaftung. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Bestandsarbeit ist aufwendig, personal intensiv und gilt daher oft als wenig aufregend. Doch das ist ein Irrtum.

Bürogebäude sind oft nicht die beste Lösung

Aus den Anlagezielen einer Versicherung ergibt sich das Anlageverhalten. Im Mittelpunkt steht die Nachhaltigkeit beziehungsweise die Zukunftsfähigkeit der Investition. Immobilien im Bestand bieten daher idealerweise die Perspektive, über sehr viele Jahre verlässlich Erträge abzuliefern. Das bedeutet allerdings auch, dass die Lage eines Objektes nicht nur in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren begehrt sein sollte, sondern weit darüber hinaus. Diese Zukunftsfähigkeit von Immobilieninvestitionen äußert sich positiv in einer hohen Preisstabilität selbst über einige Konjunkturzyklen und sogar Krisenphasen hinweg.

Zur Nachhaltigkeit gehört auch die Bau- und Nutzerqualität sowohl in ökonomischer als auch ökologischer Hinsicht. Ein Abriss eines Altgebäudes mit anschließendem Neubau kann zwar immer eine Option sein, entspricht aber nicht dem Ideal. Besser ist eine Weiterentwicklung in gegebenen Strukturen. Für Versicherungen sind klassische Bürogebäude als langfristiges Investment oft nicht die beste Lösung. Mietzyklen werden kürzer, Anforderungen an Büros wandeln sich stark. Um neue solide Mieter zu gewinnen beziehungsweise ihnen ein bedürfnis- und passgenaues Umfeld zu schaffen, sind oft erhebliche Investitionen notwendig.

Bei Wohnobjekten hingegen sind die Modernisierungszyklen geringer, Anforderungen der Nutzer ändern sich nicht in dem Umfang, wie es bei Bürogebäuden der Fall ist. Eine grundsolide hochwertige Bau- und Ausstattungsqualität sichert stabile Cashflows über Jahrzehnte, da ist auch nicht der letzte Schrei an energiesparender Technologie notwendig. Denn wenn aufgrund von schnellen Entwicklungsschritten bereits in kurzer Zeit mit einer neuen, noch besseren Technologie zu rechnen ist, entspricht dies nicht unserem nachhaltigen Investitionsgedanken.

Wiederentdeckung des Lebenszyklusmanagements

Zur systematisch werterhaltenden und -schöpfenden Immobilienstrategie von Versicherungen gehört das Lebenszyklusmanagement. Kern der Strategie ist, dass der Wert beziehungsweise die Ertragskraft einer Immobilie über den gesamten Zeitraum der Halteperiode zu betrachten ist. Im Unterschied zu Wertpapieren kann der Halter aktiv Einfluss nehmen auf die Wertentwicklung eines Objektes. Das bedeutet aber auch, dass er durch Unkenntnis, Nachlässigkeit in der Marktbeobachtung und mangelnder Umsicht erhebliche Werteinbußen riskiert. Im Lebenszyklusmanagement steckt ein erheblicher Werthebel.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass zu betreiberintensiven Nutzungsarten eine Spezialexpertise gehört, um Wertpotenziale zu heben beziehungsweise zu schaffen. Hier muss der Anleger kritisch in sich gehen, ob er wirklich der "Best Owner" ist oder ob es sich lohnt, die relevante Spezialexpertise aufzubauen und vorzuhalten. Grundsätzlich lässt sich sagen, je spezieller und flüchtiger die Expertise, umso weniger dürften langfristige Bestandshalter sich unmittelbar mit dem Asset Management von Spezialimmobilien auseinandersetzen wollen. Ein extremes Beispiel hierfür ist die Hotellerie - ein Geschäftsfeld für Experten, nichts für Generalisten.

Das Lebenszyklusmanagement ist keine neue Erfindung, sondern die Wiederentdeckung eines klassischen Prinzips beziehungsweise die Anwendung des Prinzips der nachhaltigen Bewirtschaftung auf den Immobilienbestand. Bereits 1713 erkannte Hans Carl von Carlowitz die Bedeutung der Nachhaltigkeit auf die Forstwirtschaft. Übertragen auf den Immobilienbestand ist die sehr lange, generationenübergreifende wirtschaftliche Betrachtung entscheidend. Letztlich geht es in der Forst- wie auch in der Immobilienwirtschaft um die optimale langfristige Nutzung von Grund und Boden, beziehungsweise immobilienwirtschaftlich gesprochen einer Lage.

Historische Wurzeln der Immobilienanlage

Bei der historischen Betrachtung der Immobilienanlage von deutschen Versicherungen fällt auf: Eine große Anzahl entfiel auf Gebäude, in denen einst ihre Vertriebsflächen untergebracht waren. Daher war der Immobilienbestand meist quer über die Republik verteilt, von Neumünster bis nach Ravensburg. Immobilienwirtschaftliche Kriterien hatten dabei kaum eine Bedeutung. Dies änderte sich Ende des vergangenen Jahrtausends, auch bei der Meag. Der gesamte Immobilienbestand von Munich Re und Ergo wurde beim Vermögensmanager der Gruppe, Meag, mit dem Auftrag zusammengefasst, einen nachhaltig positiven Ertrag im Hinblick auf die Anlageziele der konzerneigenen Versicherungsgesellschaften zu erwirtschaften.

Nach Sichtung und systematischer Erfassung bei der Zusammenführung des vorhandenen Immobilienbestandes ging es um die Bewertung des langfristigen Potenzials. Es war naheliegend, dass zunächst eine Bereinigung des Bestandes auf der Tagesordnung stand. Weniger aussichtsreiche Lagen und Objekte von geringwertiger Qualität waren zu ersetzen durch langfristig aussichts- und ertragreiche Objekte. Nach größeren Aufräumarbeiten und Ersatzinvestitionen mit erheblichen positiven Folgen für die langfristige Wertentwicklung des Immobilienportfolios, schlug die Stunde der Bestandsarbeit.

Die Stunde der Bestandsarbeit

Früher als andere Marktplayer hat die Meag auf wirtschaftliche Bedeutung der Bestandsarbeit und des Lebenszyklusmanagement gesetzt. Zum einen wurden früh die Immobilienanlagen streng an den Erfordernissen der Versicherungen und damit an ihren langfristigen Zahlungsverpflichtungen ausgerichtet. Ziel waren und sind langfristig berechenbare und planbare Cashflows. Eine Fokussierung auf die Bestandsarbeit drängt sich dann fast schon auf. Zum anderen wurde ebenfalls erkannt, dass gerade bei Marktzyklen wie dem gegenwärtigen, wo Neuakquisitionen besonders teuer sind, die damit verbundenen hohen Transaktionskosten zu einem unverhältnismäßigen Renditeverlust führen.

Der Lebenszyklus von Immobilien kann modellhaft in Phasen unterteilt werden. Mit Phase 1, dem Neubau beziehungsweise der Erstbetriebsphase beginnt der Ablauf. Auch wenn in dieser Phase keine Erträge erzielt werden können, ist eine gute Planung, Steuerung und Baucontrolling zur effizienten Projektumsetzung notwendig. In Phase 2 folgt die Regelbetriebsphase, diese stellt den längsten Nutzungsabschnitt eines Objektes dar und liefert stabile Erträge. Bei Wohnimmobilien kann sie sich auch über viele Mieter hinweg strecken, bei Büroimmobilien dagegen meist nur über einen einzigen Mieter, denn die Anforderungen der Nutzer an eine Immobilie sind sehr individuell.

Während der (Wieder-)Vermietungsphase besteht geringer Steuerungs- und Reinvestitionsbedarf. Instandhaltungsmaßnahmen und Kosten die im Rahmen des Mieterwechsels entstehen, können aus den Cashflows bedient werden. Phase 3, die Beobachtungs- beziehungsweise Instandsetzungsphase, schließt sich nun an. Dabei ist die ökonomisch richtige Festlegung des Beginns der Phase 3 nicht ganz einfach. Je höher sich der Aufwand bei der Wiedervermietung gestaltet, desto wahrscheinlicher neigt sich die Regelbetriebsphase dem Ende zu. Der Aufwand entsteht beim Mieterwechsel in Form geringerer Anschlussmieten, einer längeren Vermarktungsphase oder einem erhöhten Reinvestitionsbedarf für einzelne Gewerke, zum Beispiel Aufzug, Heizung, Dach oder Fassade. Die Verzinsung der Immobilie ist in dieser Phase noch risikoadäquat mit Blick auf die Vermietungsperiode. Die Immobilie entzieht sich langsam dem Marktinteresse.

Frühzeitige finale Festlegung wenig ratsam

Die Beobachtungs- beziehungsweise Instandsetzungsphase dient dazu, vor der eigentlichen Prüfphase eine deutliche Indikation zu erhalten, wie der weitere Weg des Objektes aussehen könnte. Dabei können meist viele Möglichkeiten von vornherein ausgeschlossen werden, der Blick verengt sich auf einige wenige realistische Optionen. Losgelöst davon sollte aus unserer Erfahrung nie zu früh eine finale Entscheidung zur weiteren Verwendung getroffen werden. Das politische, rechtliche und wirtschaftliche Umfeld kann auch kurzfristig Chancen bieten, mit denen auf längere Sicht kaum zu rechnen war. Ein Beispiel hierfür sind lokale Erleichterungen bei der Umwandlung von Büros zu Wohnungen.

Durch Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen kann am Ende der Regelbetriebsphase ein Objekt unter Umständen wieder einen hinreichend positiven Beitrag zum Portfolioziel beitragen. Dadurch wird dann der Regelbetrieb verlängert. Ist hingegen eine weitere Entwicklung schwierig, sollte an dieser Stelle die Option einer Veräußerung frühzeitig ins Auge gefasst werden. Je nach Marktumfeld sollten bereits mittelfristig Verkaufsobjekte identifiziert werden, um diesen Prozess ohne zeitlichen Druck frühzeitig einleiten zu können.

Prüfungsphase: Sanierung oder Verkauf?

Es folgt Phase 4, die Prüfungsphase. Das Objekt ist am Ende des Regelbetriebs angekommen. Notwendig ist dann eine technische Untersuchung zum Sanierungs- beziehungsweise Revitalisierungsbedarf meist mehrerer Gewerke mit dem Ziel eines deutlich positiveren Beitrags des Objekts zum Portfolioziel. Die Erreichbarkeit einer risikoadäquaten Rendite ist in dieser Phase noch mit Unsicherheiten der Prognosen behaftet. Alternativ erfolgt eine Verkaufsprüfung inklusive Prüfung des geeigneten Verkaufszeitpunkts und der für einen erfolgreichen Verkauf zu treffenden Maßnahmen. Die verschiedenen Optionen sind mit Blick auf die gesamte Portfoliostruktur und die Interessen des jeweiligen Anlegers abzugleichen.

Erfolgt kein Verkauf, beginnt nun Phase 5, die Sanierungs- beziehungsweise Revitalisierungsphase. Voraussetzung dafür ist eine risikoadäquate Rendite und ein positiver Beitrag zum Portfolioziel nach der Investition. Obligatorisch ist in diesem Zuge die Einhaltung von technischen und mietvertraglichen Kriterien für eine Umsetzung der Sanierung beziehungsweise Revitalisierung.

Die Alternative ist stets ein Abbruch und Neubau, wobei auch hier zu prüfen ist: Kann im Falle eines Neubaus mindestens nochmal eine ähnliches Bauvolumen realisieren oder sprechen aktuelle Vorgaben dagegen? Unter Umständen ist auch ein zusätzlicher Ankauf eines Grundstücks zur Arrondierung für einen erweiterten Neubau zu erwägen. Die jeweils beste Entscheidung in dieser Situation sollte von langer Hand vorbereitet sein, da hier meist größere Investitionen erforderlich sind, gepaart mit einem gleichzeitig längeren Ertragsausfall aufgrund von Baumaßnahmen.

Die Meag hat in jüngster Zeit einige Büroimmobilien in Wohnobjekte umgewidmet. Was retrospektiv einfach und logisch erscheint, ist prospektiv eine große Herausforderung und erfordert die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller entlang der Wertschöpfungskette beteiligten Teams. Die Annahme, eine Umwandlung in Wohnobjekte werde von städtischer Seite sowie von den zuständigen Behörden durchweg positiv begleitet, verkennt die Tatsache, dass sehr viele Punkte zu beachten sind, die Vorschriften im Detail viele Diskussionen erfordern und der bürokratische und politische Abstimmungsprozess nicht auf Einfachheit und Schnelligkeit hin ausgerichtet ist.

Umwidmung als große Herausforderung

Ist die Projektentwicklungsphase abgeschlossen, startet der Zyklus erneut. Ein ganzheitliches Lebenszyklusmanagement ist auch Teil der Risikokultur. Das Management schärft das Bewusstsein, auch bei den Eigentümern der Objekte, dass sehr lange Vorlaufzeiten nötig sind, um den optimalen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Durch eine vorausschauende Planung kann oft aus mehreren Handlungsoptionen mit wirtschaftlichen Vorteilen ausgewählt werden. So können auch unerwartete Marktschwankungen leichter aufgefangen werden. Trotz aller Immobilität und Trägheit der Anlageklasse Immobilien gegenüber liquideren Anlagen gilt: Immobilien benötigen ständige Managementbeachtung.

In den vergangenen Jahren ist viel über eine Verkürzung der Wertschöpfungskette in der Immobilienwirtschaft nachgedacht worden. Auch die Meag hat sich hier fokussiert auf die Kernfunktionen im Immobilienmanagement. So wichtig eine industrielle Bestandsbearbeitung auch ist und so sehr sie auch die Produktivität erhöht, niemals darf übersehen werden, dass der Mieter gerade in der Lebenszyklusbetrachtung derjenige ist, der letztlich die Ertragskraft sichert und den langfristigen Wert einer Immobilie bestimmt. Entsprechend halten Bestandshalter einen engen Kontakt, um die Entwicklungen am Mietmarkt zu verstehen. Immobilienwirtschaft ist und bleibt ein Geschäft mit Menschen und ihren nicht immer in Zahlen greifbaren Bedürfnissen.

Digitale Hilfsmittel gewinnen an Bedeutung

Auch im Lebenszyklusmanagement von Immobilien spielt die Digitalisierung eine zunehmend wichtigere Rolle. Lange vor dem aktuellen Hype hat die Meag bereits alle die von ihr betreuten Immobilien in einer gemeinsamen Datenwelt eingebracht. Diese wird stetig ausgebaut und mit anderen Systemen vernetzt. Die Kostenvorteile der digitalen Massenbearbeitung gilt es im Immobilienmanagement aufzuspüren und zu nutzen, um alle relevanten Informationen von Objekten und Nutzern in die Entscheidungsprozesse zu integrieren. Ein systematisches flächendeckendes Monitoring eines großen Immobilienbestandes bezüglich anstehender Aktivitäten ist ohne eine digitale Unterstützung nicht mehr denkbar.

Anhand einer Vielzahl von Kennzahlen werden Immobilien im Rahmen des Lebenszyklusmanagement gesteuert. Die Analysemöglichkeiten von Immobilienbeständen sind vielfältig. Die Sicherstellung einer nachhaltigen Ertragskraft bleibt hierbei das A und O. Es gilt, Markttrends frühzeitig zu erkennen, um erforderliche Bereinigungen im Bestand schonend vornehmen zu können. Dabei ist die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der jeweiligen Versicherung, als Objekteigentümer, sehr wertvoll. Auf dieser Ebene sind auch Bestandsanpassungen zu entscheiden, die integraler Bestandteil des Lebenszyklusmanagement sind. Für Perlen im Bestand braucht es kein glückliches Händchen, sie sind das Ergebnis eines vorausschauenden und auf Nachhaltigkeit gerichteten Handelns.

Der Autor Günter Manuel Giehr Geschäftsführer, MEAG, München

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