Kommunalfinanzierung

Die Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen und ihre Bedeutung für die Kommunen

Uwe Zimmermann, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Berlin

Quelle: Deutscher Städte- und Gemeindebund

Kurz vor Ende der laufenden Legislaturperiode ist Bund und Ländern die Reform ihrer Finanzbeziehungen noch gelungen. Das umfangreiche Gesetzespaket sieht unter anderem den Wegfall des direkten und horizontalen Finanzausgleichs zwischen den Ländern vor. Ihre unterschiedliche Finanzkraft soll künftig stattdessen stärker über Zu- und Abschläge bei der Umsatzsteuerverteilung sowie über Ergänzungszuweisungen des Bundes ausgeglichen werden. Wie die erzielte Einigung aus Sicht der Städte und Gemeinden zu beurteilen ist, weiß der Autor als Mitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) präzise zu berichten. Grundsätzlich identifiziert er viele begrüßenswerte Elemente. Gleichwohl seien nicht alle geplanten Reformthemen erledigt worden. Und neben Geld bedarf es weiterer Maßnahmen, um die öffentlichen Investitionen noch mehr in Schwung zu bringen. Red.

Das Gesetzgebungsverfahren zur Reform der Bund-Länder-Finanzen fand seinen Schlusspunkt in der einstimmig erfolgten Zustimmung des Bundesrates in seiner Plenarversammlung am 2. Juni 2017, nachdem der Bundestag am Tag vorher darüber beschlossen hatte. In den Gesetzgebungspaketen (Bundesrat-Drucksache 430/17, 431/17) sind für den Länderfinanzausgleich eine Reihe von Änderungen im Grundgesetz, im Maßstäbegesetz und im Finanzausgleichsgesetz erfolgt. Niemals zuvor hatte es so viele Änderungen gleichzeitig an unserem Grundgesetz gegeben, nämlich dreizehn Verfassungsänderungen in einem Zug. Die Reform selbst war oftmals als eine kleine Revolution bezeichnet worden, der bisherige Umsatzsteuervorwegausgleich wird künftig ebenso wie der direkte, horizontale Finanzausgleich zwischen den Ländern ("Geber- und Nehmerländer") wegfallen. Stattdessen soll die unterschiedliche Finanzkraft der Länder stärker über Zu- und Abschläge bei der Umsatzsteuerverteilung sowie über Bundesergänzungszuweisungen ausgeglichen werden. Mit den aus der Einigung resultierenden Mehreinnahmen der Länder in Höhe von geschätzten 9,7 Milliarden Euro ab dem Jahr 2020 zulasten des Bundes ergibt sich für die Bundesländer die Chance, endlich für eine nachhaltig aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen. Mit der geplanten Änderung von Artikel 107 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) können zudem Bundesergänzungszuweisungen künftig auch leistungsschwachen Ländern gewährt werden.

Investitionsmittel des Bundes nur ein erster Schritt

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht sich nachdrücklich dafür aus, dass diese Bundesergänzungszuweisungen in den Ländern vollumfänglich den Gemeinden zugute kommen. Auch die Fortführung und Verstetigung der aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) resultierenden Bundesprogramme ist aus kommunaler Sicht zu begrüßen. Gleichwohl wäre es aufgrund des immensen Sanierungsstaus bei den kommunalen Straßen und ÖPNV-Infrastrukturen sachgerechter gewesen, wenn man die GVFG-Mittel in Höhe von 333 Millionen Euro dynamisiert hätte.

Beschlossen wurde eine Neuregelung für die Finanzhilfen des Bundes für Investitionen in finanzschwache Kommunen durch einen neuen Artikel 104c GG, der regelt: "Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren. ..." Insgesamt stehen aktuell sieben Milliarden Euro Investitionsfördermittel des Bundes bereit, die bis Ende 2020 auszugeben sind. Viel Geld also einerseits.

Wenn man allerdings andererseits berücksichtigt, dass vom gesamten kommunalen Investitionsrückstand von aktuell 126 Milliarden Euro über 30 Milliarden Euro auf den Bereich Schulen und Bildung entfallen, so ist ersichtlich, dass die Investitionsmittel des Bundes alleine das Problem nicht werden lösen können. Zudem darf die im Grundsatz zu begrüßende Investitionstätigkeit des Bundes nicht dazu führen, dass sich die Bundesländer ihrer Finanzierungsverantwortlichkeit für die Gemeinden entziehen. Die Definition der "finanzschwachen Kommune" richtet sich dabei nach drei Berechnungsparametern, die über die Verteilung der Bundesmittel auf die Länder entscheiden: Der Einwohnerzahl, der Anzahl der Arbeitslosen und des als Kriterium immer wieder umstrittenen Stands der kommunalen Kassenkredite. Die Weiterverteilung der Bundesmittel auf die Gemeinden erfolgt dann innerhalb jedes Landes selbst.

Das Bundesfinanzministerium hat aktuell Daten zum Stand der Umsetzung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes zum 30. Juni 2017 veröffentlicht. Entgegen oftmals in den Medien verbreiteten Meldungen zeigt sich, dass diese Investitionsmittel sehr wohl auf dem Weg ihrer konkreten Nutzung vor Ort sind, trotz zahlreicher Hürden, die die Gemeinden dabei zu nehmen haben. Nach den von den Ländern zum 30. Juni 2017 vorgelegten Übersichten waren fast 3,1 Milliarden Euro des Gesamtvolumens des Kommunalinvestitionsförderungsfonds mit konkreten Investitionsmaßnahmen verplant, gegenüber der Vorjahresmeldung sind das rund 1,3 Milliarden Euro mehr. Die bereits verplanten Bundesmittel verteilen sich auf knapp 10 600 Investitionsmaßnahmen. Zu den Gründen, dass der Mittelabfluss bei Investitionsförderprogrammen zu Beginn generell eher zögerlich verläuft, gehören unter anderem der erforderliche Planungsvorlauf von Investitionen und der Verwaltungsaufwand.

Betrachtet man den nach dem Kommunalpanel der KfW auf akut 126 Milliarden Euro geschätzten Investitionsrückstand, so muss man sagen: Geld alleine löst die Probleme noch nicht - ein Masterplan für öffentliche Investitionen tut not. Seit Jahren wird in unseren Städten und Gemeinden weniger in die Infrastruktur investiert, als diese an Wert verliert.

Maßnahmen zur Auflösung des kommunalen Investitionsstaus

Mehr Geld ist unverzichtbar, um den Investitionsstau zu beseitigen, reicht alleine aber noch nicht aus. Der Bedarf an Infrastrukturmaßnahmen in den Kommunen ist mittlerweile so groß, dass es Jahre brauchen wird, den Investitionsrückstand abzuarbeiten - für die Kommunen, aber auch für zu beauftragende Unternehmen. Zudem braucht es vor allem: eine Flexibilisierung des Förderwesens, eine Stärkung der Planungs- und Personalkapazitäten und Vereinfachungen bei den Verfahrensabläufen. Es muss ein Masterplan für effiziente öffentliche Investitionen entwickelt und umgesetzt werden! Im Einzelnen müssen vor allem folgende Punkte angegangen werden:

1. Zeitachse beachten!

Der Investitionsrückstand ist so groß, dass dessen kurzfristiger Abbau nicht mehr möglich ist. Dafür brauchen die Kommunen Zeit! Zudem sind zum Beispiel die Mittel aus dem Kommunalinvestitionsfonds auf nun sechs Jahre verteilt und können und müssen daher erst sukzessive nach und nach abfließen.

2. Mehr Flexibilität!

Die Beschränkung der Fördermittelbereiche auf Bundeskompetenzen engt die Verwendungsmöglichkeiten der Bundesmittel in den Kommunen ein. Daher fordert der DStGB die Lockerung des Kooperationsverbots.

3. Lockerung des Kooperationsverbots!

Die Lockerung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Kommunen im Bereich Bildungsinfrastruktur steht auch nach der Grundgesetzreform nach den Bund-Länder-Beschlüssen noch aus.

4. Planungs- und Personalkapazitäten der Kommunen stärken!

Es gab eine besondere Belastung der Kommunen in den Jahren 2015 und 2016 durch die Migrationslage, die erhebliche Personal- und Verwaltungskapazitäten gebunden hat. Die Planungs- und Personalkapazitäten in den Kommunen mussten aber unabhängig von den Jahren 2015 und 2016 seit Langem wegen nötiger Einsparungen reduziert werden, was die Prozesse heute verlangsamen kann.

5. Einsatz der Fördermittel erleichtern!

Finanziell ausgezehrte Kommunen haben besondere Probleme, Investitionsfördermittel umsetzen zu können. Kofinanzierungsmittel können fehlen, dafür müssen Lösungen wie eine hundertprozentige Fördermittelfinanzierung ausgebaut werden.

6. Standards abbauen!

Standards behindern und verteuern die kommunale Investitionstätigkeit. Öffentliche Ausschreibungsverfahren sind verwaltungs- und zeitaufwendig und verzögern kommunale Investitionen zusätzlich, oftmals über viele Monate oder sogar Jahre.

Explodierende Sozialausgaben

Hinzu kommen Risiken für die kommunalen Haushalte und damit auch für deren Investitionsfähigkeit. Vor allem der ungebremste Anstieg der Sozialausgaben ist besorgniserregend. Daher fordern die Städte und Gemeinden von Bund und Ländern wirksam von Sozialausgaben entlastet zu werden. Dies gilt nicht zuletzt für flüchtlingsbedingte Sozialkosten, auch über das Jahr 2018 hinaus! Das Haushaltsjahr 2016 haben die Kommunen in der Finanzstatistik zwar mit einem Überschuss von 5,4 Milliarden Euro abgeschlossen. Eine genaue Betrachtung zeigt aber, dass keine Entwarnung für die Kommunalfinanzen gegeben werden kann.

Dass der kommunale Finanzierungssaldo insgesamt positiv war, ist vor allem auf die gute konjunkturelle Lage, aber auch auf erhöhte Zuweisungen durch die Länder und Bundesmittel zurückzuführen. Hinzu kommen die Effekte der Niedrigzinsphase. Alarmierend bleiben aber die weiter rasant steigenden Ausgaben für soziale Leistungen. Im Vergleich zum Vorjahr war eine Steigerung um 9,8 Prozent auf nun 59 Milliarden Euro festzustellen. Dabei spielen nicht zuletzt die flüchtlingsbedingten kommunalen Mehrausgaben eine Rolle, darunter signifikant die Ausgaben für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Aber auch ohne fluchtbedingte Sozialleistungen steigen diese permanent an.

Das zeigt deutlich: Die Sozialausgaben sind weiter ein zentrales Risiko für die kommunalen Haushalte. Der eingeschlagene Weg der kommunalen Finanzentlastung bei den sozialen Kosten muss fortgeführt werden. Dabei kann der Bund selbst weitere Sozialausgaben übernehmen. So wie bei der Übernahme der Kosten der Grundsicherung, die sich mittlerweile auf fast sieben Milliarden Euro pro Jahr belaufen.

"Hessenkasse": erster Vorschlag für das Altschuldenproblem

Zum Start der Verhandlungen über die Neuordnung der öffentlichen Finanzbeziehungen stand noch ein weiteres Ziel auf der politischen Agenda - die Lösung des Altschuldenproblems der öffentlichen Hand, unter Einschluss der kommunalen Altschulden. Das Ergebnis dazu ist ernüchternd: Dieses Kapitel wurde weder verhandelt, geschweige denn gelöst. Wobei gerade die aktuelle Niedrigzinsphase eine einmalige Lage ist, die Lösung dieses Problems anzugehen.

In Bezug auf die kommunale Verschuldung ist zu vermelden, dass diese zuletzt leicht rückläufig war und sich zum Jahresende 2016 auf 141,9 Milliarden Euro belief. Zu beobachten ist dabei allerdings, dass es vor allem gering verschuldeten Kommunen gelingt, Schulden abzubauen, während hochverschuldete Kommunen häufig weitere Schulden aufnehmen müssen. Maßnahmen zur Stärkung der Gemeindefinanzen, "Kommunale Rettungsschirme" und andere Pakete gibt es zwischenzeitlich in der Mehrzahl der Flächenbundesländer und diese dokumentieren das Engagement der Landesebene. Anfang Juli 2017 hat Hessen mit der sogenannten "Hessenkasse" als erstes Land einen Vorschlag unterbreitet, zu einer Entschuldung der hessischen Kommunen von ihren Kassenkrediten zu kommen.

Über dieses "Hessenkasse" genannte Landesprogramm sollen die in über 260 Kommunen aufgelaufenen Kassenkredite in Höhe von rund sechs Milliarden Euro zum 1. Juli 2018 abgelöst werden. Diese Entschuldung hessischer Kommunen von ihren Kassenkrediten soll begleitet werden mit einem Investitionsprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro zugunsten der Kommunen ohne Kassenkredite. Ob und wie dieser Vorschlag in Hessen eingeführt und umgesetzt wird, dürfte eine spannende Diskussion werden, wie auch die Frage, ob weitere Bundesländer dann einem solchen Vorbild folgen würden. Das würde aber nicht davon entbinden, andere drängende Reformfragen zu beantworten. So ist unter anderem eine Reform der Grundsteuer mehr als überfällig.

Der Autor Uwe Zimmermann, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Berlin
Uwe Zimmermann , stellvertretender Hauptgeschäftsführer , Deutscher Städte- und Gemeindebund e. V. (DStGB), Berlin
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