Kommunen als Bestandshalter

"Rote Null" für Kommunen

Finanzlage der Kommunen Quelle: Destatis

Der deutsche Bundeshaushalt ist 2014 erstmals seit 45 Jahren ohne neue Schulden ausgekommen. Auf kommunaler Seite allerdings war das Jahr durch höhere Ausgaben geprägt, was unter anderem auf höhere Personalkosten sowie die Zunahme sozialer Leistungen zurückzuführen ist. Der Anstieg der Einnahmen aus erhöhtem Steueraufkommen konnte dies nicht kompensieren - womit die deutschen Städte und Gemeinden insgesamt einen neuen Schuldenhöchstwert erreicht haben, was den kommunalen Investitionsstau immer größer werden lässt. Doch wer nachhaltig wachsen und eine hohe Beschäftigungsrate aufweisen will, benötigt Investitionen. Ohne zusätzliche finanzielle Mittel kann die Investitionsdynamik wiederum kaum gestärkt werden. Es gilt, die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu zu definieren und entsprechende Entschuldungsprogramme auf Länderebene zu initiieren, um damit die Aufnahme von Fremdkapital in den investiven Bereich zu verlagern. Red.

Trotz der robusten konjunkturellen Lage verbuchten die Gemeinden und Gemeindeverbände im Jahr 2014 ein Finanzierungsdefizit von rund 0,7 Milliarden Euro; dies entspricht geringen 0,03 Prozent des BIP. Im Jahr 2013 hatte sich noch ein Finanzierungsüberschuss von 1,5 Milliarden Euro ergeben.

Weitaus positiver entwickelten sich die Haushalte von Bund und Ländern. Der Bund verzeichnete 2014 einen Überschuss von 2,3 Milliarden Euro nach einem Defizit von 12,9 Milliarden Euro im Jahr zuvor. Die Länder erreichten ein Plus von 1,6 Milliarden Euro, während 2013 unter dem Strich noch ein Minus von 0,6 Milliarden Euro gestanden hatte.

Höhere Ausgaben als Einnahmen

Abgesehen von den Zinsausgaben, die wegen gegenwärtig niedriger Zinssätze um 5,5 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro gesunken sind, war das Jahr 2014 auf kommunaler Seite durch höhere Ausgaben geprägt (plus 5,5 Prozent). So stiegen die Personalausgaben, unter anderem wegen der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst, im Jahr 2014 um 5,2 Prozent auf 58,3 Milliarden Euro. Die sozialen Leistungen nahmen um 2,7 Milliarden Euro auf 49,7 Milliarden Euro (plus 5,8 Prozent) zu. Auf der Einnahmeseite profitierten die Kommunen von höheren Gewerbesteuern, die um 1,3 Prozent auf 33,1 Milliarden Euro anstiegen.

Stärker erhöhte sich der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer, und zwar um 6,4 Prozent auf 30,3 Milliarden Euro. Insgesamt blieb der Anstieg der Einnahmen mit 4,4 Prozent aber hinter der Zunahme der Ausgaben zurück.

Neuer Schuldenhöchstwert erreicht

Im Zuge des neuerlichen Finanzierungsdefizits haben die deutschen Städte und Gemeinden einen neuen Schuldenhöchstwert erreicht. Ende 2014 waren sie mit insgesamt 139,6 Milliarden Euro verschuldet. Jeder Einwohner hat damit rechnerisch Kommunalschulden von 1 721 Euro. Diese Verschuldung ist weit gespreizt: Im Saarland haben Gebietskörperschaften Ende 2013 Schulden von 3 271 Euro je Einwohner, in Baden-Württemberg hingegen sind es 630 Euro je Einwohner.

Im Vergleich zum Bund und den Ländern sind die Gemeinden in der Bundesrepublik aber relativ gering verschuldet. Jeder Einwohner Deutschlands schultert zusätzlich zur kommunalen Verschuldung rund 16 000 Euro Schulden des Bundes und im Durchschnitt rund 7 700 Euro Länderverbindlichkeiten.

Ein wesentlicher Indikator zur Beurteilung der kommunalen Finanzsituation ist die Entwicklung der Kassenkredite. Ursprünglich sind Kassenkredite nur zum kurzfristigen Ausgleich von meist unterjährigen Zahlungsschwankungen vorgesehen. Tatsächlich dienen sie aber immer mehr einer langfristigen Deckung von strukturellen Defiziten. Ende 2014 machten die Kassenkredite, die auch als Liquiditätskredite bezeichnet werden, mit 49,6 Milliarden Euro schon mehr als ein Drittel der kommunalen Schulden aus. Vor zehn Jahren waren es nur 20 Milliarden Euro.

Der zu verzeichnende Anstieg der kommunalen Verschuldung in den letzten Jahren ist dabei allein auf diese verstärkte Aufnahme von Kassenkrediten zurückzuführen; die Kredite zur Finanzierung von (langfristigen) kommunalen Investitionen sind seit zehn Jahren relativ konstant bei rund 90 Milliarden Euro.

Kommunaler Investitionsstau wird größer

Die heterogene Finanzlage der Kommunen in den Bundesländern wird anhand der Kassenkredite noch deutlicher: Ende 2013 hatten Kommunen im Saarland mit 1 959 Euro, in Rheinland-Pfalz mit 1 494 Euro und in NRW mit 1 437 Euro den höchsten Kassenkreditstand je Einwohner. Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen dagegen lagen jeweils deutlich unter 50 Euro (siehe Abbildung).

Im Zuge der Finanzschwäche der Gemeinden in Deutschland wird der kommunale Investitionsstau immer größer. Auf Basis einer Befragung von Kämmerern durch das Bundeswirtschaftsministerium wurde der auf das Bundesgebiet hochgerechnete kommunale Investitionsrückstand jüngst auf rund 156 Milliarden Euro geschätzt.

Nachholbedarf besteht insbesondere im Bereich Verkehrsinfrastruktur, gefolgt von den Bereichen Bildung und Kultur. Über 80 Prozent der Befragten führen den kommunalen Investitionsstau auf die unzureichende kommunale Finanzausstattung zurück.

Offizielle Statistiken bestätigen diese These. So konnten die finanziell soliden Kommunen in Bayern und Baden-Württemberg im Durchschnitt rund 200 beziehungsweise rund 100 Euro mehr je Einwohner investieren, als die Kommunen im Bundesdurchschnitt (rund 310 Euro). Bei den relativ finanzschwächeren Kommunen in NRW dagegen lag das Investitionsniveau um mehr als 100 Euro je Einwohner unter dem bundesweiten Durchschnitt.

Notwendige Stärkung der Investitionsdynamik

Investitionen sind jedoch von zentraler Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft, da sie das Fundament für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung bilden. Die Notwendigkeit für eine Stärkung der Investitionsdynamik in Deutschland ist daher unbestritten. Dabei sollten die Kommunen im Fokus wirtschaftspolitischer Maßnahmen stehen, da etwa 60 Prozent aller in Deutschland von staatlicher Seite getätigten Investitionen auf Städte und Gemeinden entfallen. Die von der Bundesregierung im April verkündete Investitionsstrategie kann daher nur begrüßt werden.

Eine substanzielle Steigerung der kommunalen Investitionen wird ohne zusätzliche finanzielle Mittel aber kaum Erfolg haben. Die angekündigten Entlastungen der Kommunen durch den Bund bei der Unterbringung von Flüchtlingen und dem Kita-Ausbau gehen dabei in die richtige Richtung. Mittelfristig sollten allerdings auch die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu definiert werden, um eine dauerhafte Überlastung der kommunalen Haushalte zu verhindern.

Bund und Länder sind gefragt

Angesichts der deutlich verbesserten Lage der Haushalte von Bund und Ländern ist des Weiteren eine Rückführung der Kassenkredite geboten. Entsprechende Entschuldungsprogramme auf Länderebene wie der Zukunftsvertrag in Niedersachsen sind in diesem Kontext ausdrücklich zu begrüßen. Dies würde den deutschen Kommunen Spielraum verschaffen, die Aufnahme von Fremdkapital wieder in den investiven langfristigen Bereich zu verlagern, um den angestauten Investitionsrückstand abzubauen. Das aktuelle Niedrigzinsumfeld bietet dafür die besten Voraussetzungen.

Die Befragung der Kämmerer durch das Bundeswirtschaftsministerium hat im Übrigen aufgezeigt, dass der (fehlende) Zugang zu Fremdmitteln keinen maßgeblichen Engpassfaktor der kommunalen Investitionstätigkeit darstellt. Auf die Banken als Kreditgeber und Finanzierer von kommunalen Investitionen ist somit trotz Staatsschuldenkrise weiterhin Verlass. Dies trifft auch auf die WL Bank zu, die im vergangenen Jahr mit einem Neugeschäft von über 1 Milliarde Euro ihren Marktanteil bei Kommunalkrediten auf rund 5 Prozent steigern konnte.

Der Autor Jens Becker Referent, Limit- und Collateralmanagement, WL BANK, Münster

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