Immobilie als Asset

Die Städte sind die Stars!

Abbildung 2: Absolute Änderung des Verhältnisses von Haushalten mit mittlerem und hohem Einkommen (Angaben in Prozent) Quelle: Oxford Economics, 2014

Megatrends - so nennt man die langfristigen Entwicklungen, die die Wirtschaft und Gesellschaft weltweit beeinflussen und von denen sich Investoren bei ihren Investitionsentscheidungen leiten lassen sollten. Am bedeutendsten ist dabei der weltweite Trend zur Urbanisierung. Dieser Faktor wirkt sich maßgeblich auf die weiteren Megatrends aus und wird ebenso von ihnen bestimmt. Eine differenzierte Betrachtung ist hier daher unverzichtbar; bei Investitionsentscheidungen sollten Land und Stadt unabhängig voneinander betrachtet werden. Im Vergleich zum jeweiligen nationalen Durchschnitt sind die Top-Städte eines Landes produktiver - so ist häufig zu beobachten, dass Städte eines Landes, das in einer wirtschaftlichen Krise steckt, dennoch Wachstum verzeichnen. Der vielversprechendste Investmentansatz kennt nicht nur die Trends von morgen, sondern ist auch städteorientiert. Red.

Internationale Investoren filtern ihre Investitionsziele meist auf Länderebene, wobei oft übersehen wird, dass einzelne Städte vom jeweiligen Landestrend völlig abweichen können. Außerdem spielen kurzfristige Faktoren oft eine viel zu große Rolle in der Entscheidungsfindung.

Um interessante Immobilieninvestments mit attraktiver Rendite zu identifizieren, kommt es nicht nur darauf an, Objekt und Standort nach heutigen Gesichtspunkten zu analysieren. Vielmehr ist es entscheidend, einschätzen zu können, wie sich die relevanten Faktoren über lange Zeiträume oder gar Jahrzehnte entwickeln. Von besonderer Bedeutung sind dabei die sogenannten Megatrends, also langfristige Entwicklungen, die die globale Wirtschaft und Gesellschaft auf allen Ebenen beeinflussen: TH Real Estate hat die Urbanisierung, die Verlagerung der Wirtschaftsstärke von West nach Ost, den Aufstieg der globalen Mittelklasse, die Alterung der Gesellschaft und die zunehmende globale Vernetzung tiefer untersucht. Es sind diese Entwicklungen, welche in den kommenden Jahrzehnten maßgeblichen Einfluss auf die Immobilienwirtschaft nehmen werden und somit bei Investitionsentscheidungen nicht außer Acht gelassen werden können.

Urbanisierung: Städte als Bevölkerungsmagneten

Die Verstädterung nimmt überall auf der Welt zu. Besonders stark sind die Wachstumsraten der Städtebevölkerung in manchen noch weniger entwickelten Regionen - so wird die Anzahl der Menschen, die in Städten leben, in Afrika beispielsweise bis 2030 um fast 90 Prozent ansteigen. In Industrienationen hingegen ist die Urbanisierung kein neues Phänomen, aber dennoch voll im Gange: In Deutschland ist der Anteil der Bevölkerung, die in Städten lebt, seit 1950 kontinuierlich gestiegen. 2010 betrug die Stadtbevölkerung in Deutschland rund 75 Prozent und bis 2030 soll sie auf mehr als 78 Prozent anwachsen. Infolge dieser weltweiten Entwicklung steigt die Nachfrage nach Wohnraum wie auch Arbeitsplätzen - und damit verbunden das Interesse von Unternehmen, sich in den wachsenden Städten niederzulassen und Büroraum zu mieten oder neu zu schaffen.

Gerade junge, gut ausgebildete Menschen zieht es in urbane Umgebungen. Jedoch sind in großen Städten der Platz und somit die physischen Wachstumsmöglichkeiten begrenzt, wodurch die Bebauung immer dichter wird und die Boden- und Immobilienpreise steigen werden, während sie auf dem Land vielerorts fallen könnten. Schon heute ist das an den exorbitanten Wohnungspreisen in Städten wie London, Paris oder München zu beobachten. Die Urbanisierung ist der Megatrend mit der größten Bedeutung für die Immobilienwirtschaft, da er alle anderen Megatrends beeinflusst und im Gegenzug auch von ihnen beeinflusst wird.

Aufstieg der globalen Mittel klasse: Motor für den weltweiten Konsum

Die aus Europa und den USA bekannte Mittelkasse wird zunehmend zum weltweiten Phänomen: Die Zahl der Haushalte mit mittlerem und hohem Einkommen wird Schätzungen zufolge von 444 Millionen heute auf 1,02 Milliarden in 2030 steigen. Dabei gehört in Entwicklungsländern laut einer Definition der Weltbank bereits zur Mittelschicht, wer täglich mehr als zwei Dollar zur Verfügung hat (aufgrund der geringen Lebenshaltungskosten) - wonach ein Drittel der afrikanischen Bevölkerung zur Mittelschicht gehören. TH Real Estate setzt hingegen auf eine andere Definition: Ab einem Einkommen von 35 000 US-Dollar pro Haushalt im Jahr werden Konsumgüter und Finanzprodukte nachgefragt, die einen Haushalt innerhalb der globalen Mittelklasse platzieren.

Besonders der Anstieg in dieser enger gefassten globalen Mittelklasse in den Schwellenländern ist bemerkenswert. So wird es 2020 erstmals eine ebenso große Mittelklasse in den wichtigsten sieben Schwellenländern geben wie in den westlichen G7-Staaten. Dieser Trend wird sich fortsetzen und dazu führen, dass die konsumierende Mittelklasse in den Schwellenländern 2030 schon doppelt so groß sein wird wie in den G7-Staaten.

Die Konsumausgaben der neuen Mittelklasse werden strukturelle Veränderungen mit sich bringen und so beispielsweise dafür sorgen, dass Einkaufszentren sich weiter in Schwellenländern ausbreiten und veränderte globale Warenströme nach sich ziehen werden. Entscheidend für Investoren ist es, die Eintritts- und Austrittsbarrieren nicht nur aus heutiger Sicht zu betrachten, sondern einzuschätzen, wie sich diese entwickeln werden. Von dem Aufstieg der globalen Mittelklasse werden die First Mover am meisten profitieren, denn sie können sich die besten Investments sichern und an einer längeren Wachstumsphase partizipieren.

Verlagerung der Wirtschaftskräfte: Der Osten überholt den Westen

Bei der Verlagerung der Wirtschaftsstärke von West nach Ost geht es nicht nur um BIP-Wachstum, sondern auch um veränderte Machtverhältnisse. Diese Entwicklung ist nicht im Detail vorhersehbar, verläuft selten linear und wird oft von Schocks beeinflusst. Eine Prognose zukünftiger Performance auf Basis des vergangenen Verlaufs kann deshalb für Investoren unter Umständen irreführend sein.

Die Verlagerung der Wirtschaftsstärke von West nach Ost wird auch maßgeblich von dem Abbau von Handelsbarrieren getrieben. Und auch die zuvor angesprochene Urbanisierung spielt hier eine zentrale Rolle. Denn immer mehr Menschen ziehen von ländlichen Regionen in große Städte, wodurch gerade im nahen und fernen Osten riesige Ballungsgebiete entstehen - bereits heute leben in asiatischen Städten 60 Prozent der gesamten urbanen Bevölkerung weltweit. Und dieser Trend wird sich in den kommenden Jahrzehnten nicht nur weiter verstärken, sondern auch direkt am Immobilienmarkt spürbar sein. So werden Büros in Asien schon im Jahr 2030 etwa die Hälfte der globalen Büroflächen ausmachen. Wenngleich diese Entwicklung in Asien am stärksten ist, trifft sie auch auf die rapide wachsenden Metropolen in Ländern wie Iran, Kolumbien, Ägypten, Südafrika, Mexiko und der Türkei zu, die Investoren heute aus risikopolitischer Sicht nicht auf dem Radar haben.

Die Alterung der Gesellschaft: Umdenken ist gefragt

Wenngleich es Länder gibt, in denen der Anteil der jungen Bevölkerung steigt - vor allem im Nahen Osten und in Afrika südlich der Sahara -, wird der demografische Wandel die weltweite Bevölkerung insgesamt altern lassen. So wird der Anteil der Menschen, die 64 Jahre oder älter sind, von acht Prozent in 2012 bis 2030 auf mindestens zwölf Prozent ansteigen. Den höchsten Anstieg verzeichnen dabei gerade die 50 Städte mit dem größten Bruttoinlandsprodukt weltweit, genau das Hauptspielfeld der Immobilieninvestitionstätigkeit heute.

Eine stark alternde Bevölkerung birgt das Risiko, dass sich das Wirtschaftswachstum verringert oder gar stagniert, was sich wiederum auf die Nachfrage nach allen Arten von Immobilien auswirken dürfte. Zu den Ländern, die über einen besonders hohen Anteil älterer Menschen verfügen werden, gehören zum Beispiel Italien, Japan und Deutschland. Diese Länder stehen vor der Herausforderung, Einwanderung zu koordinieren und die Produktivität durch Innovationen und Technologie zu steigern, um trotzdem nachhaltiges Wirtschaftswachstum sicherzustellen.

Auch hier ist vom Landestrend nicht auf die Stadt zu schließen. Städte wie zum Beispiel London werden kontinuierlich verjüngt. Denn junge Menschen ziehen in die Stadt, weil es dort mehr Arbeitsplätze und Freizeitangebote gibt, während es Ältere in englische Küstenstädte oder gar nach Südspanien zieht, um ein ruhigeres Leben und geringere Lebenshaltungskosten genießen zu können.

Aufgrund eines verbesserten Gesundheitssystems und medizinischer Möglichkeiten werden die Menschen global immer älter - so stehen leicht einmal rund 40 Jahren Erwerbstätigkeit etwa 30 Jahre Ruhestand gegenüber. Darüber hinaus ist der Lebensstandard in den meisten Ländern gestiegen, wodurch die Menschen auch im Alter mehr Geld ausgeben wollen. Das bedeutet für die Immobilienwirtschaft zweierlei: Zum einen wenden Einzelhändler und Shoppingcenter sich immer stärker der älteren Bevölkerungsgruppe und ihren Bedürfnissen zu.

Zum anderen sind Pensionskassen in der entwickelten Welt in der Regel auch stark in Immobilien investiert. Um die Ausgaben für die steigenden Altersbezüge aufzubringen, werden sie zu gegebenem Zeitpunkt anfangen müssen, mehr Immobilien zu verkaufen als zu kaufen - und es bleibt abzuwarten, inwieweit Pensionsfonds aus demografisch jüngeren Ländern diese Verkäufe auf Käuferseite auffangen werden.

Zunehmende globale Vernetzung: Die Welt wächst zusammen

Die globale Vernetzung wird maßgeblich durch die Digitalisierung und die Internetnutzung getrieben. Die Zahl der Internetnutzer ist dabei in den vergangenen Jahren vor allem in den Industrienationen stark gestiegen, während es nach wie vor Länder gibt, in denen die meisten Menschen zwar Mobiltelefone besitzen, bislang aber nur wenige vernetzt sind. Derzeit wird die Zahl der weltweiten Internetnutzer auf zirka zwei Milliarden Menschen geschätzt, was etwas weniger als einem Drittel der Weltbevölkerung entspricht. Bis 2030 soll sich die Zahl der Internetnutzer Schätzungen zufolge auf 4,3 Milliarden Menschen insgesamt mehr als verdoppeln. In demselben Zeitraum wird prognostiziert, dass die Nutzung von Handys und anderen mobilen Endgeräten nochmals um ein Drittel steigt. Durch diese Entwicklung wächst die Welt zusammen: Zum einen werden kulturelle Elemente wie Musik, Mode oder auch das gesellschaftliche Leben homogener, wodurch die Nachfrage nach Konsumgütern und Einzelhandelsflächen beeinflusst wird - für Marken wird es einfach, global zu agieren. Zum anderen aber werden die globalen Immobilienmärkte besser zugänglich und analysierbar.

Die Auswirkungen für den Einzelhandel werden immer wieder ausführlich diskutiert. So setzen Einzelhändler verstärkt auf Multi-Channel-Konzepte, wobei die Logistik von den immer komplexeren Anforderungen der Händler profitiert. Schlüssel zum Erfolg der Händler in der vernetzten, digitalen Welt ist es, dem Kunden im Geschäft einen Mehrwert, ein Erlebnis, zu bieten, wie es online nicht möglich ist. Doch die Technologisierung beeinflusst auch den Wohnungs- und Büromarkt. So erlaubt die zunehmende Mobilität immer mehr Menschen, in urbane Randgebiete von Städten zu ziehen. Der zunehmende Einsatz technologischer Geräte im Arbeitsalltag wie auch die Tatsache, dass immer mehr Menschen (teilweise) von zu Hause aus arbeiten, anstatt jeden Tag ins Büro zu fahren, führen zudem dazu, dass weniger Büroflächen benötigt und zu Wohnungen/Hotels oder für andere Zwecke umgestaltet werden könnten.

Städte von Megatrends besonders beeinflusst

All diese Megatrends werden die Immobilienmärkte besonders auf Städteebene beeinflussen. Denn im Vergleich zum jeweiligen nationalen Durchschnitt sind Top-Städte produktiver und weisen ein deutlich höheres Bruttoinlandsprodukt auf. Im Schnitt sind Städte in den USA dabei leistungsfähiger als in Europa, einfach nur weil sie größer sind und damit Cluster- und Netzwerkeffekte stärker nutzen können. Zudem leben dort vergleichsweise mehr Menschen unter 40 Jahren, weshalb die Altersstruktur der großen Städte im nationalen Vergleich jünger ist. Oftmals ist auch zu beobachten, dass ein Land in einer wirtschaftlichen Krise steckt, während einzelne Städte dennoch Wachstum verzeichnen. Die Bevölkerung von Japan wird über die kommenden Jahrzehnte stark schrumpfen, während Tokio wohl stabil bleiben wird. Deshalb ist der vielversprechendste Investmentansatz im Immobiliensegment eher städte- als länderbasiert.

TH Real Estate hat vor diesem Hintergrund mehr als 200 europäische Städte untersucht und bewertet. Dabei wurde ein zweigleisiger Ansatz verfolgt, der sowohl die strukturellen Megatrends als auch sinnvolle Grundkriterien für Immobilieninvestments berücksichtigt, um zukunftssichere Städte für Investments zu identifizieren. Im Ergebnis wurden gut 40 Städte in Europa herausgefiltert, die heute und auch in Zukunft vielversprechende Investmentstandorte für Investoren darstellen. Abseits der Top-Märkte, die auch heute bereits im Fokus der Investoren stehen, sind darunter auch noch weniger entwickelte "Wachstumsstädte", für die in den kommenden 15 Jahren das stärkste Wirtschaftswachstum erwartet wird.

Auf der anderen Seite fallen Städte heraus, die heute als etabliert und stabil gelten, aber weniger gut aufgestellt sind, um langfristig von den oben diskutierten Megatrends zu profitieren. Denn das hohe Wachstum der starken Städte eröffnet zahllose Chancen für Immobilienanleger. Für Investoren gilt demnach: Wer erfolgreich in Immobilien investieren will, sollte die Trends von morgen kennen und seinen Blick eher auf einzelne Städte anstatt auf ganze Länder richten

Der Autor Stefan Wundrak Head of European Research, TIAA Henderson Real Estate Ltd., London

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