Internationale Immobilienmärkte

Stetiges Wachstum und neue Impulse: polnischer Gewerbeimmobilienmarkt weiter im Aufwind

Matthias M. Brodeßer, Head of Transaction Management International, Warburg-HIH Invest Real Estate GmbH, Hamburg

Dass viele Anleger den polnischen Immobilienmarkt nach wie vor nicht recht auf dem Schirm haben, liegt möglicherweise an den politischen Turbulenzen der jüngeren Vergangenheit. Rein von den Fundamentaldaten her betrachtet stehen das Land und sein Immobilienmarkt jedenfalls ordentlich da. Die Wirtschaft wächst seit vielen Jahren äußerst robust und strahlt dadurch positiv auf den Gewerbeimmobilienmarkt ab. Der Autor des folgenden Beitrags schildert die wichtigsten aktuellen Entwicklungen im gewerblichen Immobiliensektor unserer östlichen Nachbarn. Besonders vielversprechend erscheinen ihm dabei die potenziellen Auswirkungen des Brexit: Sowohl von Standortverlagerungen britischer Unternehmen als auch von der Rückkehr gut ausgebildeter Landsleute könnte Polen mittelfristig profitieren. Red.

Der polnische Gewerbeimmobilienmarkt ist ein Rekordgenerator. Sowohl bei Büros als auch in den Nutzungsarten Einzelhandel und Logistik sowie selektiv im Hotelsegment bieten sich Investoren vielfältige Möglichkeiten. Die wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen lassen auch langfristig eine überdurchschnittliche Rendite erwarten. Dennoch haben überraschend viele Anleger den polnischen Markt noch nicht im Blick.

Ein Grund dafür ist, dass die aktuelle Berichterstattung über Polen oft einen negativen Tenor hat. Im Zentrum stehen politische Entwicklungen, die von den westlichen Nachbarn mit Besorgnis betrachtet werden. Die dadurch verursachte Verunsicherung ist zwar einerseits nachvollziehbar, doch gerät durch diesen Fokus die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte Polens schnell aus unserem Bewusstsein. Das ist bedauerlich, weil Polen doch bereits eine beeindruckende Transformationsleistung erbracht hat. Und aus der Perspektive eines Investors sollten Chancen, die eine solide Volkswirtschaft mit großem Entwicklungspotenzial bietet, einfach nicht übersehen werden.

Die Daten sprechen dabei für sich: Seit dem wendebedingten Konjunktureinbruch ab 1992 hat Polen keine Rezessionsphase mehr durchlaufen und ist kontinuierlich gewachsen. Auf dem Höhepunkt der Weltfinanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 war Polen EU-weit der einzige Staat, dessen Wirtschaftsleistung weiter stieg. Und diese hervorstechende Performance setzt sich fort. Nach wie vor verzeichnet Polen im europäischen Vergleich ein deutlich überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum sowie eine niedrige und weiter sinkende Arbeitslosigkeit.

Business Process Outsourcing als Wachtumstreiber

Weil Polen daneben über viele junge, gut ausgebildete, oft mehrsprachige und im internationalen Vergleich günstige Arbeitskräfte verfügt, eine moderne Infrastruktur vorweisen kann und das politische Klima traditionell wirtschaftsfreundlich ist, sind die Bedingungen sehr gut, dass diese positive wirtschaftliche Entwicklung andauert. Besonders im Bereich des Business Process Outsourcing (BPO), dem Auslagern administrativer Tätigkeiten von Unternehmen, ziehen polnische Städte signifikante Investitionsströme aus Europa, Asien und den USA an. Weil Polen über die notwendigen Fachkräfte verfügt, erstreckt sich das BPO längst auch auf anspruchsvolle Dienstleistungen, etwa im IT-Bereich.

Dabei profitiert das Land von seiner günstigen geografischen Lage im Zentrum Europas und seiner Nähe zu wichtigen Märkten. Das Outsourcing von administrativen Tätigkeiten internationaler Auftraggeber hat in Polen dazu geführt, dass sich die Beschäftigtenzahl in diesem Bereich seit 2009 vervierfacht hat. In der Folge steigt so die Nachfrage am Immobilienmarkt, insbesondere in Bezug auf Büroimmobilien in urbanen Lagen. So betreibt beispielsweise Samsung in Polen seine größte R & D-Einrichtung außerhalb von Korea.

Polen gehört zu den Brexit-Gewinnern

Der Brexit könnte den Trend zum BPO nach Polen verstärken. Das gilt besonders für den "harten" Brexit, also das vollständige Ausscheiden Großbritanniens aus der Zollunion und dem EU-Binnenmarkt. In diesem Fall dürften viele Unternehmen Arbeitsplätze gerade im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen aufgrund der bereits genannten Standortvorteile nach Polen verlagern. Erste Londoner Investmentbanken signalisieren bereits ein erhöhtes Interesse an Büroräumen in polnischen Großstädten.

Ohnehin ist der Brexit für Polen von besonderer Bedeutung, da die größte Gruppe von EU-Ausländern in Großbritannien aus Polen stammt. Ohne eine großzügige Regelung für den Verbleib der EU-Bürger im Vereinigten Königreich dürften ab 2019 die meisten von ihnen nach Polen zurückkehren. Das würde dem Land einen deutlichen sogenannten "Brain Gain" oft junger und hochqualifizierter Menschen mit internationaler Arbeitserfahrung bescheren und in der Folge zu weiteren Wachstumsimpulsen für die polnische Volkswirtschaft führen.

Die Einzelhandelsinfrastruktur in Polen wird von Einkaufszentren dominiert. Nach Angaben von Colliers International machen sie 88 Prozent der Verkaufsflächen des Landes aus. Zwar ging die neu gebaute Einzelhandelsfläche 2016 auf 400 000 Quadratmeter zurück, das ist ein Minus von rund einem Drittel gegenüber 2015. Doch die Leerstandsquoten in den Einkaufszentren sind mit 1,9 Prozent in Warschau oder 2,6 Prozent in Krakau nach wie vor niedrig. Für Handel und Gastronomie ist Polen ein attraktiver Markt. Das lässt sich auch daran erkennen, dass im vergangenen Jahr 15 neue Marken den Markteintritt vollzogen haben, während nur sechs sich wieder zurückzogen.

Gute geografische Lage beflügelt Logistik

Als Logistikstandort profitiert das mit mehr als 38 Millionen Einwohnern recht bevölkerungsreiche Polen von seiner eigenen Konsumentenzahl, der zentralen Lage in Europa, fortgesetzten Investitionen in die Infrastruktur des Landes und niedrigen Lohnkosten. Dementsprechend gewinnt der Logistikimmobilienmarkt immer mehr an Bedeutung. Inzwischen ist eine Gesamtfläche von 11,2 Millionen Quadratmeter moderner Logistikflächen verfügbar, doch ein Ende der Bautätigkeit ist nicht abzusehen. 2016 wurden 30 Prozent mehr Flächen fertiggestellt als 2015. Im Herbst 2017 will Amazon in der Stadt Sosnowiec in Oberschlesien sein viertes Logistikzentrum eröffnen.

Charakteristisch für die polnische Hotellerie ist die Dominanz von Drei-Sterne-Hotels privater Betreiber. Aktuell vollzieht sich jedoch eine Konsolidierung dieses fragmentierten Marktes. Zugleich hält das Kapazitätswachstum an. 2016 lag es zwar rund 30 Prozent unter dem Vorjahreswert, zuletzt haben die in Planung und Entwicklung befindlichen Flächen jedoch schon wieder deutlich zugenommen. Nichtsdestotrotz ist die Auslastung relativ hoch, die durchschnittlichen Zimmerpreise steigen weiter an. Die Attraktivität des Standortes für das Beherbergungsgewerbe lässt sich auch daran erkennen, dass große internationale Hotelketten zuletzt ihren Marktanteil in Polen erhöht haben.

Die positive wirtschaftliche Dynamik hat zu einer gestiegenen Nachfrage geführt. Die Renditen polnischer Gewerbeimmobilien liegen über die verschiedenen Nutzungsarten hinweg über dem europäischen Durchschnitt. Büroobjekte in den Big-5-Städten Polens erzielen gegenwärtig etwa Anfangsrenditen von 6,25 Prozent. Etwas anders stellt sich die Situation in Warschau dar, wo die Anfangsrendite bei aktuell rund 5,5 Prozent liegt. Weil sich die Bautätigkeit in diesem Sektor stark auf die Hauptstadt konzentriert und die Mieten, wenngleich auf relativ hohem Niveau, stagnieren, ist aktuell auch kein Steigerungspotenzial zu erkennen.

Vergleicht man diesen Wert jedoch mit den durchschnittlich rund drei Prozent, die derzeit in vergleichbaren deutschen sowie westeuropäischen Marktsegmenten erzielbar sind, wird die Attraktivität des polnischen Marktes unmittelbar deutlich. Die Rendite von Einzelhandelsflächen beträgt rund 4,5 Prozent, während Logistikimmobilien mehr als sechs Prozent einbringen können. Hotelimmobilien erreichen knapp unter sechs Prozent in urbanen Lagen der polnischen Metropolen. Ein Grund für die hohen Renditeergebnisse sind die im internationalen Vergleich sehr niedrigen Transaktionskosten, da die staatliche Regulierung in Polen ausgesprochen investorenfreundlich ausgestaltet ist. So verzichtet das Land etwa auf eine Grunderwerbsteuer.

Sehr hohe Bau- und Arbeitsqualität

Lediglich eine Transaktionssteuer von zwei Prozent kann anfallen, die sich Käufer und Verkäufer üblicherweise hälftig teilen. Und um mit einem negativen Klischee aufzuräumen: Die Bauund Arbeitsqualität in Polen ist, anders als Vorurteile behaupten, sehr hoch. Auch das wirkt sich in mannigfaltiger Weise kostendämpfend aus. Diesen Vorteilen steht das Wechselkursrisiko gegenüber. Der Zloty ist als relativ kleine, frei handelbare Währung ohne Kopplung an größere Leitwährungen potenziell signifikanten Schwankungen unterworfen.

Das führt unter anderem dazu, dass es vielen institutionellen Anlegern nicht gestattet ist, in den polnischen Markt zu investieren. Allerdings sollte man dieses Risiko auch nicht überbewerten. So werden etwa Gewerbemieten inzwischen überwiegend in Euro vereinbart und auch einige deutsche Bankinstitu-te sind in Polen aktiv, sodass die anteilige Fremdfinanzierung bei Immobilienankäufen in Euro dargestellt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass sich der polnische Gewerbeimmobilienmarkt bei Investoren aus den USA, Südafrika, Europa und anderen Regionen fest etabliert hat. In allen Teilsegmenten zieht der Markt auch aufgrund seiner hohen Transparenz ausländisches Kapital an. 2016 erreichten die Gesamttransaktionen am polnischen Gewerbeimmobilienmarkt laut Colliers International den historischen Höchstwert von rund 4,6 Milliarden Euro (2015: 4,1 Milliarden Euro). Im Vergleich der ostmitteleuropäischen Staaten gingen damit 40 Prozent des Gesamtvolumens nach Polen.

Politische Faktoren nicht überbewerten

Ein zentraler Faktor, der den anhaltenden Erfolg der polnischen Wirtschaft und des Immobilienmarktes ermöglicht hat, ist die politische Stabilität und parteienübergreifende Offenheit für Handel, Investitionen und europäische Kooperation. So bekennen sich die Polen zu Europa, was die Zustimmungsquote von 70 Prozent mehr als deutlich zeigt.

Die rechtskonservative PiS-Regierung in Polen hat zwar einige neue Besteuerungsgesetze für den Einzelhandel und andere Branchen vorgelegt, jedoch bislang keine grundsätzlich wirtschafts- oder investitionsfeindliche Politik praktiziert. Polen profitiert wie kaum ein zweites Land sehr stark von EU-Mitteln. Dessen ist sich die polnische Regierung bewusst. Die politischen Risiken dürften daher überschaubar und Polen auch langfristig ein fester Bestandteil der Europäischen Union bleiben.

Insgesamt betrachtet zeichnet sich eine auf längere Sicht stabil steigende Nachfrage am polnischen Gewerbeimmobilienmarkt ab. Trotz jüngst leichter Abschwächung des Wirtschaftswachstums steigt die polnische Wirtschaftsleistung weiterhin deutlich stärker als im Durchschnitt der EU-Länder. Die Arbeitslosigkeit befindet sich auf einem Rekordtief und die Realeinkommen steigen seit Jahren kontinuierlich.

Sowohl in den unterschiedlichen Segmenten als auch in den einzelnen regionalen Teilmärkten lassen sich große Renditepotenziale für Immobilieninvestoren erkennen. Die politischen Entwicklungen sollten dabei selbstredend im Blick behalten werden.

Der Autor Matthias M. Brodeßer, Head of Transaction Management International, Warburg-HIH Invest Real Estate GmbH, Hamburg
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