Immobilienwirtschaft 4.0

Versteckter Leerstand: Mit digitalen Lösungen Ineffizienzen im Büromarkt beenden

Christian Mauer, Geschäftsführer, shareDnC GmbH, Köln

Viele digitale Geschäftsmodelle benötigen einen starken analogen Unterbau. Davon ist der Autor überzeugt. Insbesondere bei Büroflächen bedürfe es sowohl vertraglicher als auch marketingtechnischer Kniffe, um ein erfolgreiches Zusammenführen von Anbietern und Nachfragern zu erreichen. Die Allokation des knappen Gutes Büro ist seiner Meinung nach schlecht organisiert. Hier könnten digitale Geschäftsmodelle helfen, diesen Zustand zu entspannen. Kein Wunder, dass der Verfasser hier schwerpunktmäßig die Vermittlung freier Büroflächen mittels Internetplattformen ins Spiel bringt, betreibt sein Unternehmen doch selbst eine solche Plattform. Doch für eine solche Internetdienstleistung sei erweitertes Know-how notwendig. Auf der rechtlichen Seite müsse sie in der Lage sein, das Management des Mietvertrags, das Handling der Zahlungen sowie eine Absicherung im Schadensfall oder bei Mietausfällen zu übernehmen. Darüber hinaus sei eine ansprechende Darstellung von Vorteil, um die Attraktivität eines Online-Inserats zu erhöhen. Red.

Um gleich zu Beginn mit einem weitverbreiteten Vorurteil aufzuräumen: Digitale Geschäftsmodelle haben, ganz gleich in welcher Branche sie auftreten, nicht so häufig einen disruptiven Anspruch, wie es gemeinhin angenommen wird. Vielmehr liegt vielen Start-ups der Gedanke zugrunde, Ineffizienzen in einem Markt auszuräumen, Kundenzugänge und -nähe zu verbessern oder die Geschwindigkeit oder Zugänglichkeit von Dienstleistungen zu erhöhen beziehungsweise zu verbessern. Bei genauerer Betrachtung fällt auf: Viele digitale Geschäftsmodelle benötigen einen erheblichen analogen Unterbau. Wird der Begriff "digitales Geschäftsmodell" nicht sofort mit Revolution traditioneller Geschäftsmodelle gleichgesetzt, wird auch die Rolle von Start-ups für die Immobilienbranche klarer.

Mit einiger Verspätung zu anderen Branchen wie Handel, produzierendem Gewerbe oder sogar Finanzindustrie, ist die Digitalisierung in der Immobilienbranche angekommen. Was Fintechs für den Finanzbereich, sind sogenannte Proptechs (Kurzform von Property Technology) für den Real-Estate-Sektor. Mittlerweile gibt es Start-ups entlang der gesamten Immobilien-Wertschöpfungskette - von der Finanzierung bis hin zum Vertrieb, von privatem Wohneigentum bis hin zum Büromarkt.

Insbesondere den deutschen Büromarkt zeichnet eine Eigenschaft aus: Er ist in erheblichem Maße ineffizient. Genauer ist die Allokation des immer knapper werdenden Guts der freien, bezahlbaren Büroflächen ineffizient. Digitale Geschäftsmodelle können helfen, diesen Zustand teilweise zu entspannen.

Der Rekord ist der Normalzustand

Es scheint, als ob der Markt für Büroflächen in Deutschland nur noch Superlative kennt. Laut Zahlen von Colliers rangierte der Flächenumsatz im ersten Quartal 2017 an den Top-7-Bürostandorten in Deutschland wieder auf einem Rekordhoch. Der Nachfragedruck ist enorm - und wird es auf einige Zeit bleiben. Somit ist es wenig verwunderlich, dass die Leerstandsquoten auf dem Büromarkt weiter gesunken sind und nun laut Collier zwischen 2,9 Prozent für München und elf Prozent für Frankfurt pendeln. Die Spitzen- und Durchschnittsmieten in fast allen Top-7-Standorten steigen stetig. Hinzu kommt, dass laut Savills in den letzten Jahren ein positiver Saldo an Bürobeschäftigten in den A-Städten festzustellen war, aber die im Bau befindlichen neuen Projektentwicklungen seit einigen Jahren zurückgingen.

Das Beispiel München zeigt, dass das Wort Leerstand nicht mehr adäquat die Situation vor Ort beschreibt. Vollvermietet trifft es wohl eher. Vor allem, wer auf der Suche nach kleineren Flächen beziehungsweise Büros ist, muss Kompromisse eingehen - ob beim Mietpreis oder bei der Lage oder, was häufiger ist, bei beidem. Dem seit langem stetig sinkenden Angebot steht eine erhebliche Nachfrage gegenüber - und zwar eine Nachfrage seitens Kleinunternehmern, Selbstständigen und Freiberuflern oder Start-ups.

So gibt es in der Bundesrepublik pro Jahr rund 335 000 Unternehmensgründungen*, von denen rund 45 Prozent, also 150 000, vom Geschäftsmodell her auf klassische Büroflächen angewiesen sind. Ähnlich sieht es bei Selbstständigen oder kleinen Unternehmern mit bis zu zehn Mitarbeitern aus. Alles in allem ergaben unsere Analysen, dass pro Jahr 455 000 Suchende auf dem deutschen Markt die Nachfrageseite darstellen. Allen diesen sonst so unterschiedlichen Gruppen ist jedoch gemein, dass sie vor allem kleinere und meist kostengünstigere Büroflächen suchen.

Das Problem dabei ist die mangelnde Angebotsseite. So scheuen beispielsweise viele Makler die Vermittlung von Flächen unter 100 Quadratmetern. Gründe sind mangelnde Effizienz im Vermietungsprozess oder angeblich eingeschränkte Attraktivität der Flächen aufgrund kleinerer Größe. Der Effekt verstärkt sich, da die meisten Mietverträge eine bestimmte Mindestlaufzeit haben. Mietverhältnisse von wenigen Monaten, die für Neugründungen aber oftmals die einzige realistische Option sind, sind bei vielen Angeboten nicht vorgesehen. Die Folge: 455 000 Bürosuchende - dabei ist es gleich, ob es sich um ein Start-up mit wenigen Mitarbeitern oder um einen Freiberufler handelt - haben Zugangsprobleme zum Angebot des deutschen Büromarktes.

Verdrängung an den Rand der Städte

Bei Neugründungen, Kleinstbetrieben oder Selbstständigen ist die Frage nach dem Mietpreis noch elementarer als bei größeren Firmen. Ende des vierten Quartals 2016 lagen die Spitzenmieten in Toplagen an den sieben großen deutschen Bürostandorten zwischen 21 Euro in Stuttgart und 37 Euro in Frankfurt (Datenbasis JLL) - Tendenz weiter steigend. Doch nicht nur im Topsegment, sondern auch an anderen Lagen stiegen die Mieten weiter. In Folge dürften viele Nachfrager gezwungen sein, das Angebot an günstigeren Flächen immer weiter am Rand der Top-7-Standorte zu suchen. Überspitzt gefragt: Lässt die aktuelle Situation auf dem deutschen Büromarkt Neugründungen nur noch in der Peripherie zu?

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass der Rekordumsatz an Büroflächen aus dem vergangenen Jahr mit mehr als 3,9 Millionen Quadratmeter nochmals übertroffen wird. Zudem steigt die Vorvermietungsquote stetig an. Haupttreiber dieser Entwicklung sind - wenig überraschend - größere Büroflächen. Allerdings: Immer wieder ist festzustellen, dass Firmen Büroflächen auf Reserve anmieten, aber anschließend nicht nutzen. Was steht dahinter? Sind geeignete Büros an den Topstandorten solch ein rares Gut? Sind es Fehlkalkulationen beim Flächenbedarf oder schlicht die Hoffnung, dass diese einmal gebraucht würden? Sind es Personalfluktuationen innerhalb einer Firma? Oder ist es der Kampf um die besten Büroflächen und somit die Intention, der Konkurrenz die besten Flächen wegzuschnappen?

Gleich, was die Gründe sind, dieser "versteckte Leerstand" könnte nach unseren konservativen Schätzungen mindestens Fünf bis zehn Prozent der gesamten deutschen Bürofläche ausmachen - allerdings mit höherem Anteil in großen als in kleinen Städten.

Erheblicher versteckter Leerstand

Auf die drei oben beschrieben Ineffizienzen sind bisher verschiedene Antwort gefunden worden: Eine Möglichkeit liegt in sogenannten Coworking-Arbeitsplätzen, in denen die gesamte Infrastruktur von einem Anbieter vorgehalten wird und sich die Nachfrager stunden- oder tageweise einmieten können. Der Vorteil: Maximale Flexibilität bei meist attraktiver Lage. Der Nachteil dieser Modelle: Sie sind oftmals nicht für Arbeiten in Teams oder für eine längerfristige Nutzung geeignet, je nach Ausstattung recht unruhig und vergleichsweise teuer.

Dennoch werden Coworking-Modelle in den kommenden Jahren ein immer wichtigeres Element auf dem deutschen Büroimmobilienmarkt. Eine andere Möglichkeit sind Business Center, die zwar hochwertig ausgestattet sind, aber aufgrund der Kosten für junge Unternehmen kaum in Frage kommen. Eine dritte Möglichkeit ist in unserem Unternehmen umgesetzt, zu dem es mittlerweile auch einige wenige Nachahmer gibt, nämlich die Vermittlung freier Büroflächen mittels einer Internetplattform. Am bekanntesten dürfte die Grundidee beim US-Start-up AirBnB sein, bei dem nur ein Bett beziehungsweise eine Couch oder mittlerweile ganze Wohnungen zur kurzfristigen Vermietung angeboten werden.

Bislang keine ausschließenden Regeln

Dieses Modell wird viele verschiedene Bereiche des privaten und beruflichen Lebens durchdringen - so auch den Markt für Bürovermittlungen. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass es wie bei Privatwohnungen kaum ein Schema F gibt. Andersherum gesagt: Für den Erfolg eines Anbieter-Nachfrage-Matchings gibt es erstaunlicherweise keine ausschließenden Regeln. Grundsätzlich eignet sich jedes Büro, der Vermittlungserfolg hängt von Fragen der Lage, des Preises, der Verfügbarkeit oder der Ausstattung ab.

Wie bereits eingangs dargelegt, ist die Intention von Anbietern unterschiedlich (beispielsweise das Korrigieren von Flächenfehlkalkulationen). Gerade vor dem Hintergrund steigender Mieten ist für viele Firmen eine Untervermietung attraktiv, um Zusatzerträge zu generieren. Für Nachfrager bietet sich die Chance, zu günstigeren Kosten als auf dem "normalen" Mietmarkt Büroflächen in präferierten Gegenden oder mit gewünschter Ausstattung zu finden. Zeitgleich sind die Mietverhältnisse - und das ist ein Vorteil für beide Seiten - mit wenigen Monaten Laufzeit überschaubar und flexibel genug gehalten. In den Aspekten der Mietdauer und der -kosten liegen die großen Unterschiede zu Coworking-Modellen.

Ansprechende Darstellung von Vorteil

Doch funktioniert die AirBnB-Idee für den Büromarkt ausschließlich digital? Nein. Denn im Unterschied zu privaten Nutzungsverhältnissen bedarf es bei Büroflächen sowohl vertraglicher als auch marketingtechnischer Besonderheiten, um ein erfolgreiches Zusammenführen von Anbietern und Nachfragern zu erreichen: Auf der rechtlichen Seite muss eine Plattform in der Lage sein, das Management des Mietvertrags, das Handling der Zahlungen sowie eine Absicherung im Schadensfall oder bei Mietausfällen zu übernehmen.

Zudem bedarf es einer ansprechenden Darstellung, also beispielweise hochwertiger Fotografien, um die Attraktivität eines Inserats in der Online-Welt zu erhöhen. An dieser Stelle ist analoges Know-how unumgänglich, um erfolgreiche digitale Vermittlung zu ermöglichen. Interessanterweise ist der Vorteil dieser AirBnB-Lösung für Büros nicht auf die großen Städte beschränkt, da auch in Orten wie Kempten oder Ravensburg die beschriebenen Ineffizienzen festzustellen sind.

Revolution oder Evolution - was bringt die Digitalisierung für die Immobilienbranche? Klar ist, Start-ups beziehungsweise digitale Geschäftsmodelle im Immobilienbereich sind nicht als Revolution, sondern als Evolution zu sehen. Sie können helfen, Ineffizienzen zu glätten oder Lücken zu schließen, die durch Geschäftsmodelle etablierter Firmen nicht abgedeckt werden.

Dies kann wie in unserem Fall die Grundidee sein, den versteckten Leerstand auf dem deutschen Büroimmobilienmarkt auf effiziente und schnelle Weise zum Vorteil von Anbietern und Nachfragern zu verringern. Deswegen sollte auch seitens der etablierten Player die Proptech-Szene nicht als Angriff, sondern als kreative und zielführende Ergänzung der eigenen Geschäftsmodelle verstanden werden.

* Eigene Berechnungen aufgrund Daten statistischer Landesämter, Behörden und weiterer Forschungsinstitute.

Der Autor Christian Mauer, Geschäftsführer, shareDnC GmbH, Köln
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