Immobilienmärkte in Ballungszentren - das Beispiel Rhein-Main

"Das Konzept monofunktionaler Stadtteile hat sich als überholt erwiesen"

Olaf Cunitz

Der Ballungsraum Frankfurt wächst und wächst. Frankfurts Planungsdezernent Olaf Cunitz (Grüne) zieht eine sehr positive Bilanz seiner bisherigen Politik. Es seien eine Reihe neuer Baugebiete ausgewiesen worden, bislang gewerblich genutzte und nicht mehr benötigte Flächen und Bürogebäude würden für den Wohnungsbau umgewandelt und es werde behutsam nachverdichtet. Kritik, nicht genügend Wohnraum zu schaffen, weist er weit von sich. Frankfurt würde im Vergleich mit anderen Städten das meiste Bauland ausweisen. Gerade die Ausweisung benötige aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben jedoch seine Zeit. Eine engere Zusammenarbeit in der Region - insbesondere mit Offenbach - sei unumgänglich. Aber auch Gewerbeflächen dürften nicht zu kurz kommen. Daher habe man gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft im vergangenen Jahr einen Masterplan Industrie beschlossen. Red.

I&F Herr Cunitz, Frankfurt wächst rasant. Immer mehr Menschen ziehen in die Stadt. Wo sollen die künftig alle leben?

Nicht nur die Bevölkerung wächst, sondern auch das Angebot an Wohnungen: Wir können die besten Genehmigungs- und Fertigstellungszahlen im Wohnungsbau seit Jahrzehnten vorweisen. Im bundesweiten Vergleich haben wir auf die Einwohnerzahl gerechnet einen Spitzenplatz inne. Neben größeren Arealen wie dem Riedberg und dem Europaviertel sind es gegenwärtig auch viele Konversions- und Nachverdichtungsprojekte, bei denen Neubauwohnungen entstehen, beispielsweise im Ostend oder im Gallus. Auch mit dem Blick in die Zukunft kann Frankfurt weiter wachsen: Unser aktuelles Wohnbauland-Entwicklungsprogramm zeigt noch ein Flächenpotential für rund 30 000 Wohnungen auf. Dazu zählen Entwicklungsgebiete wie das Hilgenfeld, Bonames-Ost oder das Ernst-May-Viertel.

I&F Was sind die größten Herausforderungen, denen der Planungsdezernent der Stadt Frankfurt aktuell gegenüber steht?

An erster Stelle steht die Herausforderung, angemessenen Wohnraum in ausreichender Zahl für alle Bevölkerungsschichten zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus müssen wir den Anforderungen der wachsenden Stadt unter Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Belangen gerecht werden, um Frankfurt nachhaltig in die Zukunft zu entwickeln.

I&F Was ist das besondere an der Rhein-Main-Region und der Stadt Frankfurt?

Frankfurts Kompaktheit in einer polyzentrischen Metropolregion - und seine hohe Attraktivität: Frankfurt ist die Kernstadt der Rhein-Main-Region. Legt man die Fläche anderer europäischer Städte zugrunde, würde fast die gesamte Region innerhalb der Stadtgrenzen liegen. Doch Frankfurt gilt zu Recht als kleinste Metropole der Welt. Es ist eine Stadt der kurzen Wege, mit einem riesigen Arbeitsplatzangebot, aber auch hohem Wohn-, Lebens- und Freizeitwert. Durch die zentrale Lage, dem Flughafen und den anderen Verkehrsknotenpunkten gilt sowohl für die Stadt als auch für die Region, was die Fans von Eintracht Frankfurt seit jeher singen: "Im Herzen von Europa".

I&F Wenn Sie die vergangenen Jahre als Planungsdezernent und Bürgermeister Revue passieren lassen: Was ist gut gelaufen, was hätten Sie mit Blick zurück besser machen können?

Neben den bereits genannten Erfolgen bei den hohen Genehmigungs- und Fertigstellungszahlen im Wohnungsbau konnte ich auch einige wichtige Weichenstellungen vornehmen. Bei der Überarbeitung des eben erwähnten Wohnbauland-Entwicklungsprogramms konnten wir ein zusätzliches Flächenpotenzial von 10 000 Wohnungen aufzeigen. Wir haben die Mittel für den geförderten Wohnungsbau verdoppelt, ein neues Programm für studentisches Wohnen ins Leben gerufen und bei der Schaffung von Planungsrecht für neue Gebietsentwicklungen sollen 30 Prozent geförderte Wohnungen entstehen.

Den Schwund an Sozialwohnungen konnten wir stoppen: Durch Neubau, aber vor allem auch durch ein äußerst erfolgreiches Programm zum Ankauf und zur Verlängerung von Sozialbindungen. Wir haben ein Innenstadtkonzept beschlossen, viele richtungsweisende Bauprojekte begleitet und die Erarbeitung eines integrierten Stadtentwicklungskonzepts gestartet, das letztendlich Antworten auf die Frage geben soll, wie wir in den nächsten Jahren weiter wachsen wollen. Was man hätte besser machen können? Vieles. Aber ich denke, das Erarbeitete kann sich durchaus sehen lassen.

I&F Wie kann ausreichend neuer Wohnraum geschaffen werden, über welche neuen Konzepte denken Sie nach?

Wir setzten hier auf unterschiedliche Konzepte: Hierzu zählt die klassische Ausweisung neuer Baugebiete, wie in unserem Wohnbauland-Entwicklungsprogramm aufgeführt, die Konversion bislang gewerblich genutzter und nicht mehr benötigter Flächen und Bürogebäude für den Wohnungsbau, behutsame Nachverdichtung - wo für die Umwelt und das Umfeld verträglich. Klar ist aber auch: Nur im Wechselspiel mit der Region und den dortigen Kommunen wird es gelingen können, Arbeit, Wohnen, Erholung und Verkehr in der Metropolregion so zu organisieren, dass alle davon profitieren.

I&F Gibt es Projekte, die Sie als wegweisend und damit vielleicht auch als beispielshaft für andere Ballungsräume ansehen würden?

Das geplante Ernst-May-Viertel ist ein gutes Beispiel, wie an einer innerstädtischen Autobahn sowohl neue Erholungsflächen, Lärmschutz für die bestehenden Quartiere, eine Wiederherstellung zerschnittener Landschaftsräume und neue Wohnflächen in der Größenordnung von fast 4000 Wohnungen erreicht werden können.

I&F Geht Ihnen die Schaffung neuen Wohnraums schnell genug? Wo und vor allem wie könnten Sie als beschleunigender Faktor eingreifen? Kritische Stimmen behaupten, es wird nicht genug Bauland ausgewiesen: Was entgegnen Sie diesen?

Wir haben im innerdeutschen Vergleich die besten Zahlen. Das bedeutet, so schlecht kann es um Frankfurt nicht bestellt sein. Gerade die Ausweisung von neuem Wohnbauland benötigt aufgrund der bundesrechtlichen Vorgaben aber seine Zeit. Auch deshalb ist eine engere Zusammenarbeit in der Region künftig unumgänglich.

I&F Wachstum bedeutet immer auch der Spagat zwischen Flächen für Wohnraum und Flächen für Gewerbe - kann man beides in einer Stadt wie Frankfurt vereinen oder wird hier zunehmend eine Konkurrenzsituation entstehen?

Richtig ist, es gibt eine natürliche Flächenkonkurrenz zwischen den Ansprüchen gewerblicher Nutzungen und dem Bedarf an Wohnraum. Deshalb haben wir als Stadt Frankfurt den gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft erarbeiteten Masterplan Industrie im vergangenen Jahr beschlossen. Darin ist ein klares Bekenntnis zu bestehenden Gewerbegebieten enthalten. Mir ist sehr deutlich bewusst, dass die Attraktivität Frankfurts zum großen Teil durch das hohe Angebot an Arbeitsplätzen begründet ist - das soll auch künftig so bleiben.

I&F Ein städtebauliches Konzept in Frankfurt ist es, ehemals reine Büroviertel mehr und mehr auch für Wohnraum zu öffnen - zum Beispiel Niederrad. Wie sind die bisherigen Erfahrungen mit solchen Projekten?

Überraschend gut. Als wir vor rund einem Jahrzehnt erstmals sehr vorsichtig prognostiziert haben, dass wir bei der Umwandlung der monofunktionalen Bürostadt Niederrad in ein gemischt-genutztes Gebiet rund 3000 Wohneinheiten für möglich halten, haben uns viele für verrückt erklärt.

Wer will denn da wohnen, hieß es. Wenn wir nun zusammenzählen, wie viele Wohnungen bereits gebaut, im Bau, in der Planung oder in der Bauberatung sind, dann sind wir heute schon bei mehr als 3400 Wohneinheiten. Die Umwandlung funktioniert also - und das Konzept monofunktionaler Stadtteile hat sich als überholt erwiesen.

I&F Wie beurteilen Sie die Entwicklung auf dem Frankfurter Büromarkt?

Erfreulich. In den guten und sehr guten Lagen gibt es faktisch keinen Büroleerstand. Auch die Neubauprojekte in den zentralen Lagen werden stark nachgefragt.

Bei älteren Bürogebäuden an den weniger zentralen Lagen sieht es teilweise etwas anders aus. Das gibt aber auch die Chance, solche Lagen - wie in der Bürostadt Niederrad - stärker für den Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen.

I&F Wie kann die richtige "Durchmischung" von Stadtteilen und Quartieren dauerhaft gesichert werden? Oder wird bezahlbarer Wohnraum mehr und mehr in die Peripherie abwandern? Wie groß ist die Bereitschaft der Investoren, auch bezahlbaren Wohnraum in ihre Projekte zu integrieren?

Wir haben einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung herbeigeführt, der besagt, dass bei der Erarbeitung von neuem Planungsrecht in Form von Bebauungsplänen mindestens 30 Prozent der neu entstehenden Wohnbaufläche als geförderter Wohnraum entstehen muss.

Das haben wir beispielsweise beim Europaviertel schon ohne diese Beschlusslage erreicht. Und das ist ein wichtiger Bestandteil von unserer aktuellen, nachhaltigen Stadtplanung, die den Gedanken einer vernünftigen sozialen Durchmischung von Anfang an berücksichtigt.

I&F Sie sind Befürworter der Mietpreisbremse - diese gilt allerdings nicht für ganz Frankfurt. Wird es hier noch Bewegung geben?

Selbstverständlich hätten wir es lieber gesehen, wenn die Mietpreisbremse im gesamten Stadtgebiet gelten würde. Entscheidender ist jedoch, dass das Bundesgesetz zahlreiche inhaltliche Mängel aufweist und somit für Wohnungssuchende kaum eine Wirkung entfaltet.

So gibt es beispielsweise viel zu viele Ausnahmen und es wurde vom Bundesgesetzgeber versäumt, Verstöße gegen die Bestimmungen als Ordnungswidrigkeit einzustufen - die kommunalen Aufsichtsbehörden haben somit rechtlich keine Möglichkeit, die Einhaltung der Mietpreisbremse zu überwachen und wirkungsvoll gegen Verstöße vorzugehen.

I&F Wie bewerten Sie die Entstehung der zahlreichen Wohntürme - wird damit die Wohnungsnot wirklich gelindert oder ist das nur etwas für die Reichen? Die geforderten Quadratmeterpreise sind jedenfalls recht üppig.

Wo sollten denn neue Wohnhochhäuser entstehen, wenn nicht in Frankfurt? Wir sind die Stadt der Hochhäuser und wollen dies auch bleiben. Aus meiner Sicht ist entscheidend, dass hierbei zusätzlicher Wohnraum entsteht und damit das Angebot an Wohnraum wächst und vielseitiger wird. Und wer hier einzieht, nimmt auch keine andere Wohnung in Anspruch. Wohnhochhäuser sind durch den geringen Flächenverbrauch sehr effiziente Gebäude. Und wenn für sie neues Planungsrecht geschaffen wird, gilt auch hier die Regel, dass 30 Prozent der entstehenden Wohnfläche als geförderter Wohnraum entstehen muss.

I&F Wie kann man den Einzelhandel in das Stadtbild integrieren, welche Modelle schweben Ihnen hier vor?

Die Zeit der eingeschossigen Märkte mit hohem Flächenverbrauch innerhalb des engbebauten Stadtgebiets ist vorbei. Wir setzten ausschließlich auf integrierte Lösungen, bei denen der Einzelhandel beispielsweise im Erdgeschoss von Wohngebäuden untergerbacht wird, wie am Gravensteiner-Platz, am Frankfurter Berg, am Grünhof, am Rebstock oder auch beim Platz an der Friedberger Warte.

I&F Gibt es in Frankfurt eine Preisblase auf dem Wohnungsmarkt?

Ich glaube nicht: Wir gehen davon aus, dass der Wohnraum in Frankfurt tatsächlich eine sichere Geldanlage ist. Es scheint eher so, als ob der Höhepunkt erreicht ist und der Markt sich entschleunigt und abkühlt.

I&F Die Städte Frankfurt und Offenbach arbeiten derzeit bei einigen Projekten zusammen - ist eine derartige interkommunale Kooperation eine der Antworten auf die Herausforderungen, denen sich fast alle Gemeinden in Ballungsräumen gegenüber sehen?

Uneingeschränkt ja. Die Menschen leben und arbeiten in der Region. Ähnlich vernetzt muss auch die weitere Entwicklung der Städte in enger Zusammenarbeit geschehen und eine Weiterentwicklung in der Politik stattfinden.

I&F Woran möchten Sie am Ende Ihrer Amtszeit gemessen werden?

An der Frage, ob es mir gelungen ist, dazu beizutragen, die Stadt nachhaltig in die Zukunft zu entwickeln und dafür die richtigen Weichenstellungen vorgenommen zu haben.

Zur Person Olaf Cunitz Bürgermeister, Dezernat II - Planen und Bauen, Frankfurt am Main
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