Im Gespräch

"Der Konzertbetrieb steht uneingeschränkt im Vordergrund"

Rainer Hollang, Geschäftsbereichsleiter Nord, SPIE GmbH, Ratingen

Quelle: SPIE GmbH

Wie funktioniert das Facility Management (FM) in Deutschlands derzeit wohl berühmtester Immobilie, der Elbphilharmonie? Im Interview mit der Redaktion steht Rainer Hollang vom dafür zuständigen Dienstleister Spie Rede und Antwort. Dabei wird schnell deutlich, dass das liebevoll als "Elphie" bezeichnete Konzerthaus mit einigen ganz besonderen Herausforderungen aufwartet. Sei es das Lenken der bemerkenswert hohen Besucherströme, die Priorisierung des Konzertbetriebs oder die Reinigung der imposanten Glasfassade: Das Ratinger Unternehmen wird gehörig auf Trab gehalten. Welche Strategien zur Bewältigung dieser Aufgaben verfolgt werden, erörtert er ebenso wie die erhofften Vorteile des zu Jahresbeginn vollzogenen Erwerbs der SAG, die Verfügbarkeit von Fachkräften sowie den Stellenwert der Digitalisierung für sein Unternehmen. Red.

I&F Die Elbphilharmonie ist derzeit sicherlich Deutschlands berühmteste Immobilie und wurde unter großem öffentlichen Interesse im Januar 2017 eröffnet. Wie empfinden Sie als Facility Manager diesen Hype? Ist es ein Auftrag wie jeder andere, oder doch etwas Besonderes?

Ich persönlich empfinde es als etwas ganz Besonderes, die Elbphilharmonie mit dem Spie-Team betreiben zu dürfen. Das Gebäude hat eine einzigartige Architektur und ist bereits jetzt eines der berühmtesten Gebäude Deutschlands und sicher weltweit bekannt. Seit der Eröffnung zu Beginn des Jahres wurde die Plaza der Elbphilharmonie von mehr als 1,6 Millionen Gästen besucht. Alle Konzerte der aktuellen Spielzeit sind ausgebucht, sodass nochmals mehr als 250 000 musikbegeisterte Besucher hinzukommen. Die Elbphilharmonie erhält viel Aufmerksamkeit seitens der Presse. Diese interessiert sich dabei auch für unsere Mitarbeiter und deren Leistungen in und am Gebäude. Wir haben in letzter Zeit unsere Aufgaben und Leistungen im Betrieb für die Elbphilharmonie auf verschiedenen Kongressen und Symposien darstellen dürfen.

I&F Wie umkämpft war das Mandat unter den Wettbewerbern und welche Kriterien waren letztlich ausschlaggebend bei der Vergabe?

Der Auftrag stammt bereits aus dem Jahr 2006. Damals wurde der Bau des Gebäudes gemeinsam mit dem Betrieb ausgeschrieben und an Hochtief vergeben. Beim Übergang des Segments Service Solutions von Hochtief auf Spie gingen sowohl die Mitarbeiter als auch die Aufträge zu Spie über. Das traf auch auf den Vertrag für das Gebäudemanagement und die Funktionserhaltung der Elbphilharmonie zu.

I&F Wie hoch ist das finanzielle Volumen des Auftrags?

Der Vertrag erstreckt sich über eine Gesamtlaufzeit von 20 Jahren und vier Monaten. Dabei ist neben dem Betrieb auch die Erneuerung der technischen Anlagen in der Vergütung enthalten. Über die Gesamtvergütung möchte ich nicht sprechen.

I&F Die Fertigstellung des Konzertsaals war ursprünglich schon für 2010 angedacht, musste allerdings mehrfach verschoben werden. Auch die Kosten sind aus dem Ruder gelaufen. Täuscht der Eindruck, oder gelingen in Deutschland derartige Großprojekte nicht mehr reibungslos? Und könnte durch eine frühzeitige Einbindung des FM - bereits in der Planungsphase - Abhilfe geschaffen werden?

Grundsätzlich kann ich nicht über Großprojekte generell sprechen, da jede Situation anders ist. Für die Elbphilharmonie kann ich sagen, dass es nach der vertraglichen Neuregelung im Jahr 2013 keine Zeitverzögerungen mehr gegeben hat. Seit dem sind die Verantwortlichkeiten eindeutig und rechtssicher geklärt worden und ich bin fest davon überzeugt, dass genau dies für das Projekt Elbphilharmonie entscheidend war.

Wir haben in der Planungsphase einen gewissen Einfluss auf die Auswahl der technischen Anlagen nehmen können. Die Architektur und Gestaltung standen aber durchgängig im Vordergrund.

I&F Wie funktioniert die Elbphilharmonie beziehungsweise wie komplex gestaltet sich das Gebäudemanagement? Wie hoch sind die Anforderungen hinsichtlich der Personalsteuerung?

Da sämtliche Anlagen und Gebäudeteile einzig der Architekturvorstellung folgten, gibt es nun verschiedene Herausforderungen im Betrieb, die wir bewältigen müssen und können. Dazu ist es notwendig, dass wir unsere Servicetechniker in einem Schichtmodell über die gesamte Betriebszeit des Gebäudes vor Ort bereitstellen.

I&F Sie verfolgen für das FM der Elbphilharmonie einen "Life-Cycle"-Ansatz. Was sind die wichtigsten Inhalte dieses Modells?

Im Rahmen des gesamten Life-Cycle-Ansatzes bei der Elbphilharmonie übernehmen wir die Leistungen in der Betriebsphase. Wir stellen die Funktions- und Werterhaltung in dieser Lebensphase des Gebäudes sicher.

I&F Stellt Sie die extravagante Architektur beziehungsweise der rege Besucherandrang vor besondere Herausforderungen?

Ja, wie schon gesagt, ist das öffentliche Interesse enorm, was die schon genannten Besucherzahlen auch eindrucksvoll belegen. Wir müssen diese Besucherströme lenken, um insbesondere in Puncto Sicherheit jederzeit in der Lage zu sein, das Gebäude evakuieren zu können. Das kann auch bedeuten, dass einige Besucherbereiche zeitweise gesperrt werden müssen. Eine sichtbare Herausforderung ist die Glasfassade, die dreimal im Jahr durch Industriekletterer gereinigt wird.

I&F Es wird viel gefachsimpelt über die Klangqualität der Elbphilharmonie. Welche Rolle spielt der Faktor "Musik" bei der Gebäudebewirtschaftung?

Oberste Priorität ist es, den Konzertbetrieb der Elbphilharmonie sicherzustellen. Der Konzertbetrieb steht uneingeschränkt im Vordergrund, sodass Inspektionen, Wartungen und Instandsetzungen in den Zeitfenstern erledigt werden müssen, in denen der Konzertbereich nicht genutzt wird.

I&F Das Geschäftsjahr 2016 war von zwei großen Übernahmen geprägt: Während Gegenbauer die RGM übernommen hat, hat Spie die SAG akquiriert. Auch die Lück-Gruppe gehört mittlerweile zu Ihrem Unternehmen. Wachsen FM-Unternehmen eigentlich auch noch auf organische Weise?

Laut der Lünendonk-Studie 2017 "Facility Service-Unternehmen in Deutschland" ist der Markt für externe Facility Services in Deutschland um 4,2 Prozent auf 52,6 Milliarden Euro gestiegen. Der Anstieg beinhaltet beide Komponenten - anorganisches und organisches Wachstum. Für Spie geht es grundsätzlich um nachhaltiges Wachstum: Wir verfolgen konsequent die Strategie, unsere vorhandenen technischen Kompetenzen durch Akquisitionen auszubauen, um so unser Leistungsspektrum entlang unserer Wertschöpfungskette zu erweitern und zu vertiefen.

Die Kunden profitieren durch diese kontinuierliche Weiterentwicklung von einem umfassenden Multitechnik-Angebot aus einer Hand. Organisches Wachstum wird dabei aber nicht außer Acht gelassen. Insgesamt wächst Spie organisch auf Marktniveau.

I&F Wie komplex ist die Integration beziehungsweise der Zusammenschluss zweier FM-Unternehmen? Welchen Mehrwert erhoffen Sie sich davon?

Spie ist ein Multitechnik-Anbieter. Das Facility Management und hierbei insbesondere das technische Facility Management ist ein wichtiger Leistungsbereich unseres Unternehmens und wird es auch bleiben. Wir erwirtschaften einen erheblichen Teil unseres Umsatzes durch das FM-Geschäft. Die Kundenanfragen zeigen zudem, dass die Marktpositionierung als Multitechnik-Dienstleister der richtige Weg ist. So eröffnet die Akquisition der SAG ungeahnte Perspektiven in Deutschland und Zentraleuropa. Die Kombination beider Unternehmen schafft einen deutschen Marktführer in multitechnischen Diensten und eine breitere Plattform für den weiteren Ausbau.

I&F Wird sich die Konsolidierung der Branche weiter fortsetzen?

Davon ist auszugehen.

I&F Wie groß ist die Sorge um ausreichend professionellen Nachwuchs im FM? Kämpft die Branche noch immer mit einem gewissen Imageproblem?

Wie in jeder anderen Branche auch, ist die Gewinnung von Nachwuchskräften eine unserer Kernaufgaben. Das hat aber weniger mit dem Image zu tun. Als unabhängiger europäischer Marktführer für multitechnische Dienstleistungen in den Bereichen Elektrotechnik, Mechanik, Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik, Energie und Kommunikation setzt Spie bei der Suche nach kompetenten und engagierten Mitarbeitern bewusst auf die Ausbildung im eigenen Haus. Insgesamt beschäftigten wir zum 31. Mai 2017 519 Auszubildende in Deutschland. Darüber hinaus werden vielfältige Einstiegsmöglichkeiten - sowohl für Hochschulabsolventen, Studierende und Berufsanfänger als auch für Fach- und Führungskräfte geboten. Im Fokus stehen dabei besonders Allrounder und Experten in den Bereichen Elektrotechnik, MSR-Technik, Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Energieübertragung und -verteilung.

I&F Die Digitalisierung hält unvermindert Einzug in die Branche. Welches Potenzial sehen Sie grundsätzlich in neuen Technologien wie Apps, Datenbrillen oder dem Building Information Modeling?

Wir sehen den Trend zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen mittels neuer Technologien und Tools als strategische Herausforderung und Chance zugleich. Die Auswirkungen der digitalen Transformation betreffen alle Bereiche - Technik, Prozesse, Organisationen und Menschen. Neue Geschäftsmodelle und neue Berufsbilder bilden sich heraus. Vor allem aber ändern sich mit den Möglichkeiten der Digitalisierung schon jetzt unsere Kundenziehungen hin zu einem partnerschaftlichen Miteinander. Bereits heute können wir über Remote Control direkt Anlagenverfügbarkeiten überwachen beziehungsweise steuern und Störungsausfälle minimieren. Wir nutzen die 3D-Scan-Technologie zur Datenaufnahme in FM-Verträgen.

Der Kunde erhält ein digitales Abbild des Gebäudes mit all seinen technischen Anlagen sowie dem geometrischen Aufbau. Unsere Servicetechniker können mit Mobile Device-Endgeräten auf diese Daten zugreifen und Instandhaltungsaufträge "papierlos" bearbeiten. Dies verkürzt Bearbeitungszeiten und reduziert administrative Aufwendungen. Lassen Sie mich hierzu zwei Beispiele nennen: Im September 2016 hat Spie die Cisco-Gold-Zertifizierung erhalten. Zum Erreichen dieser Zertifizierung mussten die von Cisco festgelegten strengen Standards in den Bereichen Netzwerkkompetenz, Dienstleistung, Support und Kundenzufriedenheit erfüllt werden. Erst vor wenigen Tagen erhielt Spie den "Digital Leader Award 2017" in der Kategorie "Spark Collaboration" mit dem Digitalisierungsprojekt "Field Service Management". Mit dem Projekt ist es uns gelungen, manuelle Prozesse, wie zum Beispiel die Erfassung von Aufträgen oder die Tourenplanung, zu digitalisieren und zu automatisieren.

Künftig gehen wir noch einen Schritt weiter. Im Mittelpunkt steht die Vernetzung von Systemen mit Gebäude- und Anlagendaten, die unter dem Stichwort "Big Data" Transparenz über die Total Cost of Ownership schaffen. Wesentlicher Optimierungshebel ist hierbei die Umstellung von "Preventive Maintenance" hin zu "Predictive Maintenance". Damit wandeln sich auch die Verträge weg von einer reinen Verrichtungsorientierung und hin zu transparenten Kosten pro Quadratmeter betreuter Fläche. Von den hieraus resultierenden Effizienzgewinnen profitieren letztlich auch unsere Kunden - etwa in Form der Optimierung von Betriebskosten und Ressourcenschonung.

Zur Person Rainer Hollang Geschäftsbereichsleiter Nord, SPIE GmbH, Ratingen
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