Im Gespräch

"Nur höchste Qualitätsstandards garantieren die privilegierte Behandlung"

Jens Tolckmitt

Die Europäische Kommission diskutiert mit den Marktteilnehmern Vorschläge zur Harmonisierung von Covered Bonds. Jens Tolckmitt zeigt sich optimistisch, dass darunter der deutsche Pfandbrief nicht leiden wird. Er geht davon aus, dass die EU-Kommission in Richtung Minimalharmonisierung geht beziehungsweise ein neues, 29. Covered Bonds Regime schafft. Zufrieden zeigt sich der Hauptgeschäftsführer des Verbandes über die aktive Rolle von Aufsicht und Gesetzgeber zur Wahrung der Pfandbriefqualität. Weiterhin wenig Aufgeschlossenheit gibt es für Ideen, Mittelstandsfinanzierungen für den Pfandbrief deckungsfähig zu machen. Begrüßt würde, wenn auch die Bausparkassen, aufgrund ihrer Spezialisierung und langfristigen Ausrichtung, das Pfandbriefprivileg bekommen würden. Red.

I&F Die EU-Kommission arbeitet an einem Vorschlag zur Harmonisierung von Covered Bonds - was bedeutet das für den Pfandbrief?

Erstmals in der Geschichte scheint eine stärkere Integration der europäischen Märkte für gedeckte Schuldverschreibungen realistisch zu sein. Die EU-Kommission hat das Vorhaben jedenfalls zu einer der Prioritäten im Finanzmarktbereich in den nächsten fünf Jahren erklärt. Angesichts der Bedeutung, die Covered Bonds in der Krise bekommen haben, ist das auch keine wirkliche Überraschung. Der vdp sieht das Projekt differenziert: Die Einführung von qualitativ hochwertigen Mindeststandards bietet durchaus Chancen.

Gleichzeitig wehren wir uns gegen eine mögliche Maximalharmonisierung, weil sie verhindern würde, die Qualität des Produkts Pfandbrief auf nationaler Ebene weiterzuentwickeln. Nach allem was wir heute wissen, besteht hier indes kein Anlass zur Sorge, da die Kommission in Richtung Minimalharmonisierung beziehungsweise 29. Regime zu tendieren scheint. Beides erlaubt den Erhalt und die Weiterentwicklung bewährter nationaler Covered Bonds wie dem Pfandbrief.

I&F Brüssel ist ein Ort für Kompromisslösungen, wie kann verhindert werden dass die deutschen Qualitätsstandards gefährdet werden?

Der Versuch einer stärkeren Integration der nationalen Covered-Bonds Märkte in der EU hängt eng mit der privilegierten Eigenkapitalgewichtung und anderen Vorzugsbehandlungen von Covered Bonds zusammen. Diese dauerhaft zu erhalten, ist primäres Ziel der Emittenten. Klar ist, dass nur höchste Qualitätsstandards dies garantieren werden. Andernfalls wird die Privilegierung mittelfristig von Aufsehern und europäischem Gesetzgeber hinterfragt. Erfreulicherweise ist diese Qualitätsorientierung bereits in den best practices von EBA aus dem vergangenen Jahr klar erkennbar. Wir sind deshalb überzeugt, dass auch die Kommission das Ziel einer qualitativ hochwertigen Harmonisierung verfolgt.

I&F Stehen die deutsche Aufsicht und das Finanzministerium hinter ihren Forderungen?

Einbußen an der Qualität sind für den vdp und seine Mitgliedsinstitute wie gesagt nicht akzeptabel. Das ist nach unserem Verständnis auch die Haltung des Finanzministeriums und der deutschen Aufsicht.

I&F Kritische Bestandsaufnahme - ist die deutsche Pfandbrief-Community nicht zu sehr auf ihre nationalen Besonderheiten stolz und übersieht dabei ein wenig die internationale Entwicklung?

Nein, wir stehen Innovationen nicht im Weg. Im Gegenteil: Die Pfandbriefbanken treiben sie immer wieder maßgeblich voran, wie die stetige Arbeit am Gesetz und einige neuartige Emissionen der jüngsten Vergangenheit gezeigt haben. Aber wir legen größten Wert darauf, dass bei allen rechtlichen und regulatorischen Veränderungen, also auch bei der angestrebten europäischen Harmonisierung, die Grundpfeiler des Pfandbriefs nicht geschwächt und seine Qualitätsmerkmale nicht verwässert werden. Denn darauf beruht der Erfolg, den nicht nur der Pfandbrief, sondern auch Covered Bonds insgesamt über die vergangenen Jahre und insbesondere während der Finanzkrise gehabt haben. Dies ist auch der Grund dafür, dass unser Produkt - übrigens als einziges privates Wertpapier - heute systematisch in jedem relevanten Regulierungsprojekt privilegiert wird. Eine Abwendung von der strikten Qualitätsorientierung würde diese Erfolge gefährden.

I&F Der vdp war einer der Gründer des European Covered Bond Council - fühlen Sie sich dort noch richtig vertreten?

Wie bereits von Ihnen angemerkt, ist Brüssel ein Ort, an dem Kompromisse erarbeitet werden. In diesem Geist muss auch Verbandsarbeit in Europa betrieben werden. Wir fühlen uns gut vertreten. Aber natürlich beobachten wir aufmerksam, ob und wie sich die inhaltliche Strategie unserer beiden europäischen Verbände weiter entwickelt - und ob sie bei aller Kompromissbereitschaft mit unserer eigenen, stark qualitätsorientierten Haltung vereinbar ist. Im Moment haben wir da keine Bedenken. Sollte sich das einmal ändern, werden wir unseren Standpunkt entsprechend klar vertreten.

I&F Welche Änderungswünsche hat der vdp und seine Mitgliedsinstitute an die nächste Novelle des deutschen Pfandbriefgesetzes - wo besteht Handlungsbedarf?

Nach der jüngsten Novelle, die Ende vergangenen Jahres in Kraft getreten ist, stehen aktuell einige weitgehend technische Anpassungen des Pfandbriefgesetzes an den "Resolution Mechanism" auf dem Programm. Daher ist die laufende Novelle Teil des Abwicklungsmechanismus-Gesetzes, das im Juni in erster Lesung den Bundestag passiert hat. Im Herbst dieses Jahres soll das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein. Für die Pfandbriefbanken ist hier insbesondere erfreulich, dass der Entwurf auch eine Klarstellung zur Nicht-Anwendung der 10-Prozent-Grenze auf staatlich gewährleistete Exportfinanzierungen vorsieht, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

I&F Was halten Sie davon, Mittelstandsfinanzierungen deckungsfähig zu machen oder Pfandbriefe mit Fälligkeitsverschiebung zu erlauben?

Wir finden es schwierig, Mittelstandsfinanzierungen für den Pfandbrief deckungsfähig zu machen. Weil sie keine dingliche Sicherheit bieten, wie es bei Gebäuden, Schiffen und Flugzeugen der Fall ist, haben Mittelstandsfinanzierungen ein anderes Risikoprofil. Meist ist die Laufzeit auch wesentlich kürzer als bei dinglich gesicherten Finanzierungen. Zudem sind Mittelstandskredite schwer zu standardisieren. Insgesamt können sie damit wesentliche Voraussetzungen für eine Refinanzierung durch Pfandbriefe nicht erfüllen.

Der European Covered Bond Council (ECBC) hat in seiner Stellungnahme zur Kapitalmarktunion einen Vorstoß gemacht, Mittelstandsfinanzierungen mit Hilfe eines gesetzlich neu zu schaffenden Instruments, sogenannten "European Secured Notes" (ESNs) deckungsfähig zu machen oder zu verbriefen. Abzuwarten bleibt, ob dieser Vorschlag von den Banken aufgegriffen wird und der Mittelstand tatsächlich von einem deutlich ausgeweiteten Kreditangebot zu günstigeren Konditionen profitieren kann. Im Übrigen ist mir nicht bekannt, dass es in Deutschland derzeit viele Mittelständler gäbe, die über Finanzierungsprobleme klagen.

Für den Pfandbrief sehen wir daher keinen Bedarf für eine solche Erweiterung der Deckungsmassen. Und sollte doch ein neues Instrument zu diesem Zweck geschaffen werden, muss sichergestellt sein, dass es inhaltlich und in seiner Wahrnehmung sauber vom traditionellen Pfandbrief differenziert wird.

Die mögliche Einführung einer Fälligkeitsverschiebung, also einer sogenannten "Soft-Bullet-Struktur", sehe ich etwas positiver. Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass das helfen kann, die hohen Überdeckungsanforderungen der Ratingagenturen abzuschmelzen. Und es würde die Liquiditätsversorgung des Sachwalters wohl spürbar erleichtern. Die sorgsame Analyse der Arbeit des Sachwalters in seinem speziellen Umfeld legt nahe, dass Vereinfachungen hilfreich sein könnten, damit er seine Verantwortung - insbesondere in der Anfangsphase seiner Tätigkeit - erfolgreich wahrnehmen kann.

I&F Ein Blick zurück - der damalige Verband deutscher Hypothekenbanken war gegen die Einführung eines allgemeinen Pfandbriefgesetzes, waren Ihre Vorgänger zu skeptisch?

Unsere Vorgänger waren sicherlich vorsichtig, aber nicht zu vorsichtig. Es ging damals um eine sehr grundlegende Veränderung, da versteht es sich von selbst, dass man es sich nicht zu leicht machen darf.

Man musste sich mit der Frage befassen, weil die Öffnung des ehemaligen Hypothekenbankgesetzes auch verfassungsrechtlich geboten erschien. In der Rückschau können wir feststellen: Sowohl das Gesetz selbst, dessen Entwicklung wir beim vdp - inklusive der Abschaffung des Spezialbankprinzips - aktiv begleitet haben, als auch der aus dem Verband deutscher Hypothekenbanken VdH hervorgegangene vdp haben sich bewährt und gut entwickelt.

Unsere Dienstleistungen werden heute sehr aktiv nachgefragt und Mitglieder wie Landesbanken, kleinere Universalbanken sowie Sparkassen, die erst durch die damalige Veränderung der gesetzlichen Grundlagen pfandbrieffähig wurden, sind aus unserem Kreis nicht mehr wegzudenken. Heute gibt es wegen der Umbrüche in der Bankenlandschaft und insbesondere der Flut regulatorischer Anforderungen keinen Zweifel daran, dass unsere Vorgänger richtig lagen, das Spezialbankprinzip abzuschaffen und die Pfandbriefemission für Universalbanken zu öffnen.

I&F Die BaFin hat die Aufsicht über die Pfandbriefbanken verloren - hat dies negative Auswirkungen für ihre Mitgliedsinstitute?

Ungeachtet der Ansiedlung der Aufsicht über die größten Banken der Eurozone bei der Europäischen Zentralbank bleibt die Aufsicht der BaFin über das Pfandbriefgeschäft erhalten, und das ist gut so. Denn die Aufsicht durch die BaFin trägt wesentlich dazu bei, die hohe Qualität unseres Produkts zu bewahren.

I&F Die deutschen Bausparkassen sollen ebenfalls das Pfandbriefprivileg erhalten, passt der Pfandbrief zu deren Geschäftsmodell?

Auf jeden Fall, schließlich sind Bausparkassen wie die meisten Pfandbriefbanken klassischer Prägung auch auf Immobilienfinanzierungen spezialisiert und langfristig orientiert. Zwar wird die Einlagenrefinanzierung nach unserer Einschätzung auch zukünftig den Schwerpunkt der Refinanzierung dieser Institute darstellen. Allerdings besteht bei den Bausparkassen - ebenso wie bei vielen anderen einlagenstarken Banken - der Wunsch, den Pfandbrief zum eigenen Refinanzierungsmix hinzuzufügen. Das ist nachvollziehbar und sinnvoll.

I&F Die Europäische Zentralbank sorgt mit ihren Käufen von Pfandbriefen und europäischen Covered Bonds für Preis- und Marktverzerrungen - leidet das Produkt Pfandbrief künftig darunter?

Wir beobachten die durch die Aufkäufe verursachte Verdrängung privater Investoren mit Sorge. Nach allem, was die EZB dazu gesagt hat, gehen wir davon aus, dass sie sich an die zeitliche Befristung des "Covered Bond Purchase Programme 3" bis mindestens September 2016 halten wird.

Entscheidend wird sein, ob die EZB den Ausstieg ohne große Verwerfungen an den Bond-märkten bewerkstelligen kann. Unter dem Strich bin ich zuversichtlich, dass der Pfandbrief die derzeitige Phase ohne dauerhaften Schaden überstehen wird.

I&F Einige namhafte Investoren verabschieden sich von der Assetklasse Covered Bonds - wie kann man verhindern, dass dies von Dauer sein wird?

Institutionelle Anleger spielen traditionell eine wichtige Rolle am Pfandbriefmarkt - insbesondere, da sie die Pfandbriefe über längere Zeit hinweg halten.

Insofern ist es eine Schlüsselaufgabe der Emittenten und ihres Verbandes, mit diesen Emittenten im Gespräch zu bleiben und das Produkt für sie durch konsequente Weiterentwicklung interessant zu halten.

I&F Zwei Mitgliedsinstitute haben nachhaltige oder grüne Pfandbriefe begeben - wie nachhaltig wird diese Entwicklung sein?

Die Emissionen der Münchener Hyp und der Berlin Hyp belegen die große Innovationsfähigkeit der Pfandbriefbanken und haben international Maßstäbe gesetzt. Das junge Segment wird dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, Standards zu entwickeln, die das Produkt für Anleger transparent machen, und wenn sich auf dieser Basis dann ein volumenmäßig relevanter Markt entwickelt.

I&F Immer mehr Agenturen sind in der Lage Covered Bonds zu raten. Ist mehr Wettbewerb zu begrüßen oder legt es die Basis für schädliches Rating-Shopping, wo das höchste Rating zu niedrigsten Preisen mandatiert wird?

Grundsätzlich begrüßen wir mehr Wettbewerb - auch bei Covered-Bonds-Ratings. Dabei beobachten wir, dass sich neue Anbieter klassischer Bank- und Covered-Bonds-Ratings schwertun. Wir glauben nicht, dass Niedrigpreisstrategien und Rating-Shopping langfristig erfolgreiche Strategien sein können.

I&F Zum Verband - sie haben erhebliche Restrukturierungen und Kosteneinsparungen vorgenommen, hat das Leistungsspektrum gelitten?

Unser Ziel war von Anfang an, unser Angebot an Dienstleistungen weitgehend unverändert zu lassen, dieses aber kosteneffizienter zu gestalten.

Vor der Umstrukturierung haben wir eine umfangreiche Organisationsuntersuchung durchgeführt und mittels einer Umfrage im Mitgliederkreis die Dienstleistungen identifiziert, die unseren Mitgliedsinstituten tatsächlich wichtig sind. Was nicht dazu gehörte, haben wir entsprechend reduziert oder abgeschafft. Letztlich hat dieser Prozess neben der Fokussierung bewirkt, dass wir die Qualität unserer Dienstleistungen nochmals gesteigert haben. Mein Eindruck aus zahlreichen Gesprächen ist, dass uns die Restrukturierung insgesamt gut und für die Mitglieder unmerklich gelungen ist.

I&F Wie können Sie ihre Einnahmenseite verbessern, gibt es Ideen für neue Dienstleistungen oder Produkte?

Zunächst einmal ging es bei der Verbandsreform darum, überhaupt ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Finanzierung eines Verbandes teilweise auch über ein kommerzielles Dienstleistungsangebot erfolgen kann. Das war bislang in Verbänden der Finanzindustrie in Deutschland mit einigen Ausnahmen nicht gerade üblich.

Die Reform hat übrigens neben der reinen Finanzierungsfunktion auch noch andere Vorteile: Wir haben die Verbandsarbeit dem Wettbewerb ausgesetzt und so ein Gefühl dafür bekommen, ob wir mit den angebotenen Dienstleistungen den Bedarf der Zielgruppe präzise treffen.

Die Kosten für bestimmte Dienstleistungen, die nur für bestimmte Gruppen von Mitgliedern interessant sind, werden verursachergerecht auf die Mitgliedsinstitute umgelegt, die die Dienstleistung wirklich nutzen. Das ist fair und aus unserer Sicht die Finanzierungsform der Zukunft - zumindest für einen Teil unseres Etats.

Grundsätzlich konzentrieren wir uns auf die Dienstleistungen, die wir bereits bisher erfolgreich angeboten haben. In einem zweiten Schritt überlegen wir uns, ob es Sinn macht, weitere Dienstleistungen in unser Angebot aufzunehmen.

Pure Gewinnerzielung ist für uns dabei kein Wert an sich - Vorrang hat immer der ideelle, also der kollektiv finanzierte Verbandsbereich. In diesem Rahmen werden wir uns sicherlich nicht neu erfinden.

Ziel ist es vielmehr, unser Angebot gemäß den Bedürfnissen unserer Mitglieder punktuell zu ergänzen. Dabei orientieren wir uns am Markenkern des vdp: also am Know-how rund um den Pfandbrief, die kapitalmarktbasierte Refinanzierung, das Pfandbriefgesetz und das pfandbrieffähige Aktivgeschäft.

Und schließlich haben wir unsere Verbandsstatuten so geändert, dass auch Nicht-Emittenten mit Interesse an unserem Produkt als außerordentliche Mitglieder von der Verbandsarbeit profitieren können.

Zur Person Jens Tolckmitt Hauptgeschäftsführer, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin
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