Im Gespräch

"Veraltete Denkmuster und mangelhafte Rahmenbedingungen"

Bettina Timmler, Leiterin der Regionalgruppe Rheinland, Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V., Köln

Quelle: comm.pass

Kein Zweifel, die Immobilienbranche ist nach wie vor eine Männerdomäne. In den vergangenen zwei bis drei Jahren habe sich hier jedoch einiges getan, sagt Bettina Timmler im I&F-Interview. Dabei hätten Frauen im Vergleich zu Männern häufig größere empathische Kompetenzen und seien darüber hinaus immer besser ausgebildet. Knapp zwei Drittel verfügten über ein abgeschlossenes Hochschulstudium und 15 Prozent hätten ein Weiterbildungsstudium absolviert. Ziel der Unternehmen müsse es immer stärker werden, die Erhöhung des Frauenanteils als Teil ihrer Firmenstrategie zu begreifen. Sie spricht sich ebenfalls für die Einführung einer Frauenquote aus, obwohl es in einer Umfrage des Vereins Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V. keine Mehrheit für diese Maßnahme gab. Für die kommenden fünf Jahre ist sie optimistisch. Es werde gelingen, die Immobilienbranche zu einem höheren Frauenanteil zu bewegen. Red.

I&F Es gibt kaum bekannte Unternehmerinnen in Deutschland. Kein Dax-Unternehmen wird von einer Frau geführt. Woran liegt es, dass speziell in deutschen Unternehmen kaum Frauen in den obersten Führungsebenen zu finden sind? Fehlen Vorbilder?

Der Frauen-Anteil in deutschen Vorstandsetagen wächst kaum, das ist richtig. Aber es gibt Frauen in Dax-Unternehmen, nur nicht in der Immobilienwirtschaft. Die Führungszirkel börsennotierter Firmen bleiben eine Männer-Domäne, das belegen Studien. Unter den Branchen ist der Unterschied allerdings erheblich so die Ergebnisse einer Studie der Unternehmensberatung EY. Es fehlen also keine Vorbilder.

I&F Warum können sich Frauen Ihrer Meinung nach so schwer durchsetzen? Es heißt doch, Frauen seien die besseren Manager.

Ja, doch beispielsweise dort, wo Frauen gefördert werden, sehen wir auch mehr Frauen in Führungspositionen. Es liegt an den Führungskräften, diese Quote weiter zu verbessern.

I&F Welche Charaktereigenschaften und Fähigkeiten sind für Frauen wichtig auf dem Weg in Führungspositionen?

Frauen im Management sind immer noch die Ausnahme in Deutschland. Viel zu oft werden sie durch veraltete Denkmuster und mangelhafte Rahmenbedingungen ausgebremst. Unternehmen können Einiges tun, um sich das wertvolle Potenzial weiblicher Führungsqualitäten zu erschließen. Mit Diversity Management entsteht eine Vielfalt, die viele Vorteile hat. Es gibt dabei auch nicht die männlichen und die weiblichen Fähigkeiten. Ob Frau oder Mann, jeder besitzt sowohl männliche als auch weibliche Eigenschaften. Eine Tendenz gibt es aber meist schon. So wird Frauen mehr empathische Kompetenz zugeschrieben als Männern. Eine Frau sollte sich selbst treu bleiben und authentisch sein. Natürlich sind eine gesunde Portion Selbstbewusstsein, Hartnäckigkeit, Mut, Teamfähigkeit, Lernbereitschaft, Verfolgen von Visionen, Motivieren, Erfüllen einer Vorbildfunktion, Selbsterkenntnis und Empathie wichtige Eigenschaften auf dem Weg nach oben - für Mann und Frau!

I&F Gibt es Fehler, die Frauen eher machen als Männer? Was sind die großen Stärken von Frauen im Vergleich zu Männern?

Frauen sind tendenziell multitaskingfähig und haben durch die Zwei - oft Dreifachbelastung gelernt, sich exzellent zu organisieren, vorausschauend zu planen und sie können auf Augenhöhe kommunizieren. Die neue Arbeitswelt stellt Arbeitnehmer aller Hierarchieebenen vor Herausforderungen und bietet gleichzeitig insbesondere Frauen viele Chancen. Die neuen technischen Möglichkeiten machen es einfacher, Berufliches und Privates zu kombinieren. Als Führungskräfte in der Arbeitswelt 4.0 können Frauen mit ihren Stärken punkten, sie sind als Moderator, Coach und Wertevermittler gefragt. Sie setzen Rahmenbedingungen, vermitteln Werte und Ziele.

I&F Auch die Immobilienwirtschaft ist immer noch eine Männerdomäne. Ist die Branche Ihrer Meinung nach in dieser Frage rückständiger als andere Branchen?

Die Immobilienwirtschaft ist traditionell sehr männerdominiert. Doch sind gerade in den vergangenen zwei bis drei Jahren echte Fortschritte zu erkennen. Dazu trägt auch unser Netzwerk Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V. mit bundesweit über 800 Mitgliedern bei. Wir machen Frauen sichtbarer, auf der Expo Real ist der Anteil der Frauen, die zur Messe fahren, von Jahr zu Jahr gestiegen. Wir haben mit unserer zweiten Studie in 2016 nochmals auf die Situation der Frauen in der Immobilienwirtschaft aufmerksam gemacht.

I&F Sollte es Ihrer Meinung nach Firmenstrategie werden, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen?

Ja, das ist eine unserer Hauptforderungen, die wir als Fazit in unsere Studie eingebunden haben. Es gibt immer noch die gläserne Decke in den Unternehmen. Die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen ist leider noch vielerorts kein Ziel in der Strategie der Unternehmen. Die Antworten in der Studie spiegeln hierzu die immer noch vorherrschende Realität in den Unternehmen wider, denn auf diese Frage antworteten knapp zwei Drittel (62 Prozent) der Frauen mit Nein, 17 Prozent konnten sich nicht dazu äußern und lediglich bei einem Fünftel (20 Prozent) der Frauen ist die Erhöhung des Frauenanteils als Ziel in der Unternehmensstrategie verankert! Im Vergleich zur Studie in 2012 hat sich hier leider nur wenig geändert. Auch die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen in ihrem Unternehmen ist für zwei Drittel der Befragten kein Teil der Zielvereinbarung, gut 20 Prozent konnten hierzu keine Angaben machen und nur zirka acht Prozent haben die Frage mit Ja beantwortet. Diese Zahlen sprechen für eine mangelnde Transparenz und zeigen die Kluft zwischen Sonntagsreden und der Realität in den Unternehmen. Das ist umso erstaunlicher, da anerkannte Studien den Erfolg von gemischten Führungsteams bestätigen.

I&F Was halten Sie von gesetzlichen Vorgaben wie der Frauenquote? Ist so etwas sinnvoll und zielführend?

Auch nach der Frauenquote haben wir in unsere Studie gefragt und die Befragten haben die Frauenquote nicht nur befürwortet: 44 Prozent der befragten Frauen lehnen eine Frauenquote ab, 41 Prozent befürworten eine Frauenquote und 15 Prozent hatten dazu keine Meinung. Interessant ist die Betrachtung des Für und Wider nach Altersgruppen: So befürworten die Frauen im Alter von 21 bis 30 und ab einem Alter von 51 plus in der Mehrzahl die Frauenquote nicht. In der Altersgruppe von 31 bis 49 ist die Mehrheit für die Frauenquote. Die Erfahrungen der vergangenen 15 Jahre zeigen allerdings, dass eine Frauenquote wichtig ist - das heißt, es muss Druck von außen vorhanden sein, um an der jetzigen Situation etwas zu ändern.

I&F Wie denken Kolleginnen aus der Immobilienwirtschaft über derartige Lösungen? Plädieren diese eher für stärkere gesetzliche Regelungen oder setzen sie eher auf Freiwilligkeit?

Viele denken, dass gesetzliche Regelungen notwendig sind - bei Freiwilligkeit bleibt es vielfach bei reinen Lippenbekenntnissen. Wenn die Einhaltung der Vorgaben dann noch kontrolliert wird beziehungsweise zusätzlich noch gekoppelt ist an beispielsweise Bonuszahlungen, werden wir spürbare Veränderungen in den Führungsetagen zugunsten von weiblichen Führungskräften sehen.

I&F In welcher Weise können Immobilienunternehmen von Frauen profitieren?

Unsere Studie hat auch gezeigt, dass die Frauen in der Immobilienwirtschaft so gut ausgebildet sind wie noch nie: Knapp zwei Drittel verfügen über ein abgeschlossenes Hochschulstudium und 15 Prozent absolvierten ein Weiterbildungsstudium. Die meisten Frauen sind länger als zehn Jahre in der Immobilienbranche tätig, davon haben 32 Prozent noch nie und 24 Prozent nur einmal den Arbeitgeber gewechselt. Ein Investment in Frauenförderung verspricht auch wegen der hohen Unternehmenstreue der Frauen eine überdurchschnittliche Rentabilität.

I&F Wenn auf Entscheiderseite mehr Positionen von Frauen besetzt wären, was würde das Ihrer Meinung nach bei der Ausrichtung des Unternehmens verändern?

Mehrere namhafte Studien von PwC, Ernst & Young oder Kienbaum belegen, dass Unternehmen mit hohem Frauenanteil in Führungspositionen die besten finanziellen Ergebnisse vorweisen.

I&F Vor mittlerweile 17 Jahren wurde der Verein "Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V." gegründet. Mit welcher Zielsetzung?

Ingeborg Warschke, im Mai 2014 überraschend verstorben, hat am 23. August 2000 mit sieben weiteren Frauen aus der Immobilienbranche den Verein Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V. in Frankfurt gegründet. Das Frauennetzwerk ist inzwischen eine feste Institution und ein willkommener gerngesehener Mehrwert in der Welt der grau-blauen Zweireiher. Anlass für die Gründung war der eklatante Männerüberschuss in der Immobilienbranche und der schwere Zugang zu den Männer-Netzwerken. Auf einer dieser Veranstaltungen als einzige Frau unter Männern hörte Ingeborg Warschke, ehemalige Leiterin Immobilien bei der Helaba, von den AREW-Frauen in den USA (AREW steht für Association of Real Estate Women) und gründete nach diesem Vorbild den deutschen Verein.

Der Verein ist seitdem stetig gewachsen, im Gründungsjahr 2000 stieg die Mitgliederzahl auf etwa 30 an, bis 2002 wuchs die Zahl auf etwa 150, 2004 waren es bereits 400 Mitglieder und mit Stand Oktober 2016 hat der Verein etwa 800 Mitglieder, Tendenz weiter steigend. Die "Immofrauen", wie sie in der Branche auch genannt werden, sind mittlerweile in elf Regionalgruppen sehr aktiv: Berlin, Franken, Hamburg, München, Münsterland, Rhein-Main, Rheinland, Ruhrgebiet, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Stuttgart. Die Regionalgruppen bieten den Mitgliedern und Gästen jährlich mehr als 160 Fortbildungs- und Netzwerk-Veranstaltungen an. Einmal im Jahr findet seit 2004 auf Bundesebene der Bundeskongress, die Visionale, mit etwa 200 Expertinnen und Experten aus der Immobilienbranche statt.

I&F Sind Sie mit der bisherigen Bilanz zufrieden? Was wurde erreicht? Wo sehen Sie noch großen Handlungsbedarf?

Wir sind sehr zufrieden und wir haben gemeinsam seit der Gründung im August 2000 schon viel erreicht. Unser Netzwerk bietet allen Frauen in der Immobilienwirtschaft eine Plattform für den interdisziplinären Fach- und Erfahrungsaustausch und für eine Vergrößerung des persönlichen und beruflichen Netzwerks sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene. Dazu dienen insbesondere die regelmäßig durchgeführten Exkursionen ins - bislang - europäische Ausland. Handlungsbedarf sehen wir nach wie vor in der Gewinnung des akademischen Nachwuchses für unsere Branche. Dazu haben wir erstmals in 2013 begonnen, einen Nachwuchsförderpreis für die beste Bachelor- und Masterarbeit und Dissertation auszuloben. In diesem Jahr werden wir den Ingeborg-Warschke-Nachwuchsförderpreis traditionell am zweiten Messetag der Expo Real in München bereits zum fünften Mal verleihen. Der Preis ist mit jeweils 1 250 Euro dotiert. Daneben fördern wir weibliche Führungskräfte auf ihrem Karriereweg, in dem wir die Teilnahme an einem Mentoring-Programm beziehungsweise Leadership-Forum ermöglichen. Weiteren Handlungsbedarf sehen wir in der Transparent-Machung der Frauenförderung in Unternehmen. Geplant haben wir dazu, die in 2016 durchgeführte Studie in regelmäßigen Abständen zu wiederholen, um darüber im Laufe der Zeit ein Benchmarking zu etablieren.

I&F Wie können Unternehmen Frauen bei deren Karriereplanung besser unterstützen? Was fordern Sie als Verband von Unternehmen ein?

Auch diese Frage haben wir im vergangenen Jahr den Frauen gestellt und die Ergebnisse der Befragung haben bei den Maßnahmen zur Frauenförderung und Karriereplanung in den Unternehmen eine Diskrepanz zwischen Angebot und Inanspruchnahme festgestellt. Von insgesamt 13 angebotenen Maßnahmen zur Frauenförderung stehen an Platz eins und zwei die "flexible Arbeitszeitgestaltung" und "Home-Office", doch bereits an dritter Stelle wurde die "Unterstützung von Mitgliedschaften in externen Netzwerken und Vereinen" genannt.

Sehr positiv ist in diesem Punkt die Relation zu Angebot und Nutzung dieses Angebots. Nur in diesem Punkt "Netzwerken" liegt die Relation bei nahezu 100 Prozent! Das bestätigt den Nutzen unseres Netzwerkes. Der Verein bietet mit seinem Leitbild und dem gelebten Motto "Klug. Stark. Vernetzt." seinen Mitgliedern und Interessentinnen bundesweit eine ergänzende Plattform zum Netzwerk, neben den ansonsten auch genutzten gemischt geschlechtlichen Netzwerken.

Unsere Vorsitzende Christine Hager, Geschäftsführerin der redos invest management GmbH, möchte das Netzwerk in unserem Verein weiter optimieren und noch mehr Raum geben, denn ein gut funktionierendes Netzwerk sei als Karrierefaktor essenziell wichtig.

I&F Wagen Sie bitte einen Ausblick: Wie wird sich die Situation in fünf Jahren darstellen? Werden wir dann mehr Frauen in verantwortlichen Positionen in der Immobilienwirtschaft sehen?

Ja, wir werden mehr Frauen auf Podien und in Diskussionsforen sehen, wir werden mehr Frauen in Führungspositionen sehen und wir werden Frauenförderung als Zielvereinbarung und Unternehmensstrategie verankert sehen.

Zur Person Bettina Timmler, Leiterin der Regionalgruppe Rheinland, Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V., Köln
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