Bausparen und Bausparkassen 2017

"Ein weiterer Konzentrationsprozess würde mich nicht überraschen"

Tilmann Hesselbarth, Vorsitzender des Vorstandes, LBS Landesbausparkasse Südwest, Stuttgart

Im vergangenen Jahr haben sich die Landesbausparkassen (LBS) Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zur LBS Südwest zusammengetan. Damit ist die größte Landesbausparkasse Deutschlands entstanden. Mit 1 150 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von mehr als 17 Milliarden Euro ist das neue Institut größer als die LBS West und die LBS Bayern. Tilmann Hesselbarth übernahm den Vorstandsvorsitz. Immobilien& Finanzierung sprach mit ihm über die Herausforderungen für Bausparkassen und eine Fusion im aktuellen Marktumfeld. Dabei verteidigt er das BGH-Urteil zur Rechtmäßigkeit der Kündigung von Bausparverträgen, kritisiert die EZB-Niedrigzinspolitik und die schärferen Anforderungen der internationalen Aufsichtsbehörden deutlich und zieht eine bislang positive Bilanz der Fusion. Red.

I&F Herr Hesselbarth, wie wichtig war das BGH-Urteil zum Umgang mit Altverträgen für die deutschen Bausparkassen?

Die Entscheidung des BGH stärkt den Bausparvertrag in seinem Kernnutzen: nämlich Menschen mithilfe eines zinssicheren Darlehens in die eigenen vier Wände zu bringen. Das Urteil hat deshalb für die Bausparkassen eine große Bedeutung. Damit hat der Bundesgerichtshof die Auffassung der Bausparkassen höchstrichterlich bestätigt. Die Entscheidung war eindeutig: Die Kündigung von Bausparverträgen, die seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif sind, ist in der Regel möglich. Das Darlehensrecht ist hier anzuwenden.

Das war ein wichtiges Signal für die gesamte Bausparbranche und für die Kunden, die zu 99 Prozent ohnehin nicht von den Kündigungen betroffen sind. Der Bausparvertrag ist eben kein reiner Sparvertrag, sondern besteht aus zwei Phasen: Ansparen und Finanzieren. Keine der beiden Seiten ist verzichtbar.

I&F Wie würden Sie das gegenwärtige Marktumfeld für Ihre Branche beschreiben?

Das gegenwärtige Marktumfeld will ich für unser Haus als positiv, aber gleichzeitig mit Risiken verbunden, beschreiben. Die große Nachfrage nach Wohnimmobilien befeuert sowohl unser Neu- als auch insbesondere unser Kreditgeschäft. Die LBS-Kunden sehen die Notwendigkeit, sich gegen mögliche Zinsanstiege in der Zukunft abzusichern.

Mit unseren Kombinationsfinanzierungen aus Bausparvertrag und Wohnbaudarlehen als Zwischenfinanzierung bieten wir eine hervorragende Möglichkeit, zu marktgerechten Konditionen langlaufende Finanzierungen von bis zu 30 Jahren ohne Zinsrisiko zu realisieren. Als problematisch empfinde ich aber die zunehmenden Überhitzungstendenzen auf dem Immobilienmarkt und die ungelöste Frage, wie die EZB ihre expansive Geldpolitik ohne Verwerfungen auf den Märkten beenden will.

I&F Was sind die größten Herausforderungen: Die niedrigen Zinsen, die zunehmende Regulatorik oder die Veränderungen durch die Digitalisierung?

Kurzfristig sind sicher die Niedrigzinsen und die stetig steigenden Anforderungen an die Regulatorik unsere größten Herausforderungen, weil sie unsere Erträge massiv unter Druck setzen. Hier geht es um die Zukunftsfähigkeit unseres Hauses, die wir mit einem vielfältigen Maßnahmenpaket von Produktanpassungen über organisatorische und prozessuale Verbesserungen bis hin zu personellen Anpassungen sicherstellen. In der Digitalisierung sehe ich eine große Herausforderung, aber auch eine sehr große Chance, wenn wir es schaffen, die hohe persönliche Kompetenz unserer Berater in der Baufinanzierung mit digitalen Angeboten und Prozessen zu verbinden.

I&F Für das Neugeschäft ist die Geldpolitik der EZB ein Segen, für die Gewinn- und Verlustrechnung ein Fluch - welche Empfindung überwiegt bei Ihnen?

Die politisch motivierte Niedrigzinsphase ist die extremste Herausforderung, der sich die Bausparkassen seit ihrer Gründung gegenübersehen. Die guten Ergebnisse sowohl im Neu- als auch im Kreditgeschäft sind für die LBS Südwest in dieser Situation sehr wichtig, können aber die negativen Folgen der EZB-Zinspolitik nicht ausgleichen. Mit diesen kämpfen aber nicht nur die Bausparkassen, sondern die gesamte einlagenbasierte Finanzbranche und darüber hinaus in wichtigen Fragen unserer Lebensplanung auch jeder von uns persönlich. Wie geht es in dieser Situation mit der Rente weiter, der privaten Altersvorsorge, der Lebensversicherung? Viele Folgen der aktuellen europäischen Geldpolitik wurden meiner Meinung nach nicht ausreichend bedacht und werden uns noch lange beschäftigen.

I&F Wie können Bausparkassen in diesem Umfeld gegensteuern?

Die Kernkompetenzen der LBS Südwest liegen im Management eines Bausparkollektivs und in der Baufinanzierung als solche. Sie ist also - alleine und im Verbund mit der Sparkasse - der ideale Partner für Menschen, die den Weg in die eigenen vier Wände gehen wollen. Und deren Zahl steigt nicht zuletzt angesichts guter realwirtschaftlicher Rahmenbedingungen und fehlender Anlagealternativen. Es ist insbesondere die Kombination aus kollektiven Bauspardarlehen und außerkollektiven Baukrediten, die den Bausparkassen auf dem Finanzierungsmarkt ein Alleinstellungsmerkmal verschafft, das sicher noch stärker nutzbar ist als gegenwärtig.

Und wenn man noch etwas weiter denkt, dann könnten die Bausparkassen ihr Spezialwissen im Management von großen Kollektiven, das heute "nur" für Maßnahmen rund um die Immobilie genutzt wird, auch auf anderen Finanzierungsfeldern einsetzen.

I&F Wo nutzen Sie die neuen Freiheiten, die Ihnen das Bausparkassengesetz einräumt?

Die Novellierung des Bauspargesetzes ist für die Bausparkassen grundsätzlich positiv. Die Änderungen sind insgesamt ausgewogen und eröffnen Gestaltungsfreiräume, ohne in bestehende Systeme einzugreifen. Die LBS Südwest hat bisher insbesondere die für unser Kreditgeschäft relevanten Änderungen des Bausparkassengesetzes genutzt. Dazu zählen zum Beispiel Vereinfachungen beim gewerblichen Wohnungsbau, die Erhöhung der Beleihungsgrenze von 80 Prozent auf 100 Prozent bei der Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum oder verbesserte Kumulierungsregelungen bei Krediten. Andere Möglichkeiten, die das neue Gesetz bietet, wie der größere Spielraum im Rahmen der Geldanlage, sind sicher interessant, gerade unter den Vorzeichen des aktuellen Anlagenotstandes angesichts der EZB-Politik, müssen aber vor dem Einsatz sorgfältig geprüft werden.

I&F Wie beurteilen Sie den Umgang der Bankenaufsicht mit den Bausparkassen - ist diese zu besorgt?

Sicher haben die Anforderungen an die Regulatorik und das Meldewesen seit der Finanzkrise deutlich zugenommen. Während aber unsere nationale Bankenaufsicht, die BaFin, die Besonderheiten des Bausparens und der Bausparkassen versteht und auch in ihrer Arbeit entsprechend berücksichtigt, fehlt dieses Verständnis bei den leider immer größeren Einfluss gewinnenden internationalen Aufsichtsbehörden. Entsprechend undifferenziert sind deshalb viele Anforderungen - mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Ertragsentwicklung und damit auf die Zukunftsfähigkeit der Bausparkassen.

I&F Ihr Haus hat gerade die Konsolidierung innerhalb der Branche durch die Fusion mit der LBS Rheinland-Pfalz vorangetrieben. Hilft Größe im gegenwärtigen Marktumfeld?

Die LBS Südwest ist mit einer Bilanzsumme von mehr als 17 Milliarden Euro die größte der acht Landesbausparkassen in Deutschland. Eine gewisse kritische Größe trägt natürlich dazu bei, die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern. Ebenso wichtig für den Markterfolg sind aber gute Produkte, effektive Strukturen, ein schlagkräftiger Vertrieb, motivierte, qualifizierte Mitarbeiter und eine vorausschauende Unternehmenspolitik. Größe hilft, reicht allein aber nicht aus. Alle Faktoren müssen passen.

I&F Was sind die größten Herausforderungen, denen man bei der Fusion zweier Bausparkassen begegnet?

Auch wenn beide Vorgängerinstitute als Landesbausparkassen in der gleichen Familie aufgewachsen sind, so gibt es doch zahlreiche Unterschiede. Die Zusammenführungen der IT-Welten und der Bausparkollektive der Häuser zählen dabei sicher zu den größten Herausforderungen. Aber natürlich müssen nicht nur die Technik, sondern vor allem die Belegschaften zusammenwachsen. Immerhin arbeiten an den Standorten in Stuttgart, Mainz und Karlsruhe über 1100 Mitarbeiter. Da ist es wichtig, dass sowohl die Prozesse als auch die Kommunikation und das Miteinander stimmen. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg.

I&F Wie schnell können/werden Sie als ein Institut am Markt sein und was sind die nächsten Schritte bei der Vereinheitlichung?

Bereits seit Jahresbeginn bietet die LBS Südwest ein neues, einheitliches Produktangebot im gesamten Geschäftsgebiet an. Nun liegt der Fokus darauf, den Vertrieb in Rheinland-Pfalz umzustellen. Bislang ist dieser noch im sogenannten Agenturmodell organisiert, bei dem der LBS-Außendienst weitgehend selbstständig von den 23 Sparkassen agiert. Schrittweise wollen und werden die Sparkassen und der LBS-Außendienst auch dort die Kooperation intensivieren, so wie es bereits erfolgreich in Baden-Württemberg der Fall ist.

I&F Wie viele Landesbausparkassen braucht man in Deutschland? Wird die Konsolidierung bei Bausparkassen weitergehen?

Überlegungen zur Struktur der Landesbausparkassen sind Sache der Eigentümer. Ein weiterer Konzentrationsprozess würde mich aber nicht überraschen. Bereits heute realisiert die öffentlich-rechtliche LBS-Gruppe zahlreiche Synergien - zum Beispiel bei der Werbung mit der gemeinsamen Marke LBS oder ab Ende 2017 mit einer einheitlichen IT-Plattform. Das unterstützt die differenzierte, auf die lokalen Märkte zugeschnittene Vertriebsarbeit der einzelnen Institute. Zudem verschlanken alle Landesbausparkassen ihre Prozesse, realisieren Produktivitätssteigerungen und verringern Sachkosten. Auch Effizienzverbesserungen durch noch mehr Gemeinschaftsaktivitäten finden laufend statt.

I&F Können Sie den Kollegen/ Eigentümern in der Sparkassen-Organisation mit Ihren Erfahrungen Mut machen?

Ja, das kann ich. Die Erfahrungen, die wir bisher im Rahmen der Fusion gemacht haben - sowohl innerhalb unseres Hauses als auch im Umgang mit unseren Partnern und Kunden - sind ganz überwiegend positiv. Die betriebswirtschaftlichen Vorteile, die ein solcher Zusammenschluss bringt, lassen sich ja im Wesentlichen im Voraus überblicken, aber wie die beteiligten und betroffenen Menschen und Organisationen mit den daraus resultierenden Veränderungen umgehen, ist schwer vorherzusagen. Unsere Mitarbeiter gehen mit großer Aufgeschlossenheit und Bereitschaft an die Herausforderungen, die sich aus der Fusion ergeben. Dasselbe gilt für unsere Handelsvertreter im Außendienst und unsere Verbundpartner in der Sparkassen-Finanzgruppe. Im Vordergrund stehen die Chancen und Möglichkeiten, die sich für eine erfolgreiche LBS Südwest zukünftig ergeben.

I&F Zum Schluss ein Blick nach vorn: Wie kann sich das Geschäftsmodell Bausparkasse verändern, um zukunftsfähiger zu sein?

Ich bin überzeugt davon, dass das Geschäftsmodell Bausparen zukunftsfähig ist. Unsere Grundidee, Menschen in die eigenen vier Wände zu bringen, ist und bleibt erfolgreich. Es wird aber entscheidend darauf ankommen, inwieweit die Bausparkassen ihre Expertise als kompetente Baufinanzierungsexperten weiterentwickeln können. Der Bausparvertrag ist das einzige Produkt, mit dem sich ein privater Kreditnehmer nahezu ohne Kosten gegen steigende Zinsen absichern kann. Mit seinen nach wie vor positiven Guthabenzinsen - in den aktuellen Bauspartarifen der LBS Südwest zum Beispiel 0,1 Prozent - kann er mit vergleichbaren Produkten wie dem Sparbuch unverändert konkurrieren.

Gleichwohl wird sich der Schwerpunkt des Produktes weiter in Richtung eines gesicherten, attraktiven und marktgängigen Bauspardarlehens verschieben. Die Zinssicherungsfunktion des Bausparvertrages rückt noch stärker in den Fokus. Gleichzeitig gibt es Überlegungen, das Produkt zu flexibilisieren, ohne diese Kernfunktion aufzugeben. Ergänzt werden muss die Produktqualität des Bausparvertrages durch ein konkurrenzfähiges Angebot im außerkollektiven Bereich für Kunden, die sofort finanzieren wollen.

I&F Glauben Sie an steigende Zinsen?

Wir stellen uns darauf ein, dass die Zinsen noch eine Zeit lang niedrig bleiben werden. Aber die Phase der extremen Niedrigzinsen wird nicht ewig dauern, denn sie ist kein Ausdruck wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, sondern einzig und allein politischer Maßnahmen - mit Risiken und Folgewirkungen, die heute nur schwer abzuschätzen sind, aber umso gravierender ausfallen werden, je länger dieser Ausnahmezustand anhält.

Europa wird mittelfristig wieder zu einem normalen Zinsumfeld zurückkehren müssen. Wie schnell die Zinsen wieder ansteigen können, haben wir - zugegebenermaßen noch auf mäßigem Niveau - bereits in den vergangenen Monaten gesehen. Ich gehe davon aus, dass mit weiteren Schritten zurück in die Zinsnormalität zu rechnen ist.

Zur Person Tilmann Hesselbarth, Vorsitzender des Vorstandes, LBS Landesbausparkasse Südwest, Stuttgart
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