Analoge Köpfe in der digitalen Welt

Daniel Rohrig

Digitale Transformation - das klingt nach einem abstrakten Modebegriff. Stimmt so aber nicht mehr. Es ist nichts anderes als die unvermeidliche Anpassung an Realitäten. In der Industrie und anderen Dienstleistungsbranchen hat die Adaption der Betriebsabläufe schon mächtig Fahrt aufgenommen. Die Immobilienbranche allerdings zögert noch. Investitionen fließen bislang zögerlich. Und wenn, dann setzen die Firmen die digitalen Möglichkeiten vorwiegend für die Veränderung von internen Prozessen ein. Ziel: Effizienzsteigerung und Kostenoptimierung. Wenig erkannt hat die Branche bisher offenbar die Chancen der Digitalisierung für die Gestaltung von Kundenbeziehungen.

Klar, solche Datenbanken steigern die Transparenz und die Vergleichbarkeit der Anbieter. Das scheint viele noch zu beunruhigen. Oft plagt die Branche die Angst, durch Vergleichbarkeit Wettbewerbsvorteile zu verlieren. Vielleicht geht es der Immobilienbranche ja zu gut. Der Markt in den A- und B-Lagen boomt. Und trotz fallender Margen stimmt das Ergebnis. Warum also umdenken, neu denken, digitalisieren? Viele Akteure scheinen es sich mit der Tatsache gemütlich gemacht zu haben, dass ihr Markt ein vergleichsweise intransparenter ist. Denn gerade in einer kleinteiligen und heterogenen Marktstruktur dient Undurchsichtigkeit allzu oft als Konkurrenzblocker. Problem dabei: Es gilt damit gleichzeitig auch als Innovationsblocker.

Denn viele Proptechs sitzen mittlerweile nicht mehr nur in den Startlöchern, sondern sind schon munter am Markt aktiv. Hinter diesem Namen verbirgt sich eine Wortschöpfung, die sich aus "Property" und "Technology" zusammensetzt. Sämtliche digitale Neuerungen in der Immobilienbranche werden hier zusammengefasst - vom Online-Vermietungsdienst über Apps bis zu Lösungen für das sogenannte Internet der Dinge. Gerade junge Mieter und Wohnungssuchende treiben mittlerweile die altgedienten Unternehmen vor sich her. Denn diese wollen Dienstleistungen digital nutzen. Statt verwackelter Fotos macht Virtual Reality (VR) die Wohnungsbesichtigung zum dreidimensionalen Erlebnis. Statt der jährlichen Betriebskostenabrechnung in Papierform erhält der Mieter Einblicke in ein webbasiertes Mieterkonto. Statt langwieriger Gespräche mit der Bank hilft die Crowd beim Immobilieninvestment. Ein weiterer Punkt ist das vernetzte Heim, also Smart Building.

Dies alles sind die großen Stärken der "Neuen Wilden" am Markt. Denn diese nehmen sich einfach heraus, die Prozesse zu vereinfachen, fortschrittliche Vertriebskanäle zu eröffnen oder neue Produkte auf den Markt zu bringen. Dank ihrer unkonventionellen Art finden sie schneller optimale Mieter und vereinfachen das Darlehens- und Hypothekenmanagement. Und es kommt noch dicker: Sie bündeln jetzt auch ihre Interessen. Diverse der derzeit auf die Zahl 110 geschätzten Start-ups am Markt, die ihre digitalen Dienstleistungen bereits für die Immobilienbranche anbieten, haben jüngst in Berlin die German Proptech Initiative (GPTI) gegründet. Ziel: Eine stärkere Wahrnehmung dieser jungen Unternehmen in der Öffentlichkeit und der Aufbau von strategischen Partnerschaften. Initiiert wurde GPTI von Carl von Stechow von der Crowdinvesting-Plattform Zinsland, von Nicolas Jacobi, dessen Plattform Immomio die Vermietung von Wohnimmobilien abwickelt sowie Alexander Ubach-Untermöhl von Blackprintpartners - ein auf die Immobilienbranche spezialisierter Business-Angel.

Was passiert aber, wenn die Zahl der Proptechs weiter wächst und der Marktboom auf dem Immobilienmarkt nachlässt? Folgt dann das große Erwachen? Oder ist es an diesem Tag X nicht schon zu spät? Bereits heute ist das Bestellerprinzip Realität. Die Folge ist, dass viele Wohnungsgesellschaften und Vermieter mittlerweile selbst die Wohnungsbesichtigungen abwickeln. Auch hier setzen die ersten Proptechs an: Es gibt Plattformen, die diesen Vermietungsprozess in digitalisierter Form anbieten - mit angelegten Profilen. Als Wohnungsanbieter hat man auf diese Weise eine Übersicht und kann sich auf dieser Grundlage nur diejenigen einladen, die zu bestimmten Kriterien passen. Diese Art der Dienstleistung springt sozusagen in die Maklerlücke. Die Zukunft ist also bereits längst Realität. Und das Argument, dass im eigenen Unternehmen schlicht das Know-how für eine solche Umstellung fehle, ist bei näherer Betrachtung eigentlich auch keines mehr: "Chief Technonolgy Officer", kurz CTO, ist die in einigen Büros bereits jetzt gebräuchliche Abkürzung für die neue Schnittstelle in digitalen Immobilienunternehmen.

Daniel Rohrig , Redaktion Immobilien und Finanzierung , Verlag Helmut Richardi
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