Bessere Daten = bessere Regulatorik?

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Die Wohnimmobilien-kreditrichtlinie (WIKRL) wird reformiert. Diese Nachricht dürfte insbesondere in den Kreditabteilungen des Landes mit Freude aufgenommen worden sein, standen diese doch seit der Einführung im März 2016 auf Kriegsfuß mit dem Gesetz. Weit übers Ziel hinausgeschossen war in ihren Augen die Bundesregierung bei der Umsetzung der EU-Richtlinie. Mit dem kurz vor Weihnachten verabschiedeten Gesetzentwurf ("Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz"), über den im Rahmen der ersten Lesung bereits im Bundestag debattiert wurde, sollen diese Wogen nun geglättet werden. Im Kern sieht der Entwurf eine Entschärfung der WIKRL vor, in erster Linie sollen künftig Wertsteigerungen von Wohnimmobilien im Rahmen der Bonitätsprüfung wieder Berücksichtigung finden dürfen.

Eine Korrektur, die insbesondere Rentnern und jungen Familien zugutekommen dürfte. Parallel dazu tüfteln die Ministerien für Finanzen und Justiz bereits an ergänzenden Leitlinien für die Kreditwürdigkeitsprüfung privater Bauherren. Diesen Leitlinien kommt eine Schlüsselrolle zu, sorgen schwammige Formulierungen an entscheidenden Stellen bislang doch für reichlich Frust und Rechtsunsicherheit. Berichte über kreditwürdige Verbraucher, denen infolge unklarer Gesetzestexte ein Immobiliendarlehen verwehrt wird, sind nicht hinnehmbar und gehören bald hoffentlich der Vergangenheit an.

Die Freude der Immobilienfinanzierer über die Nachbesserungen bei der WIKRL dürfte sich dennoch in Grenzen halten, schließlich wird im selben Atemzug die Grundlage für ein anderes, ebenfalls kontroverses Regulierungsvorhaben geschaffen. Die deutschen Aufsichtsbehörden sollen künftig gegen potenzielle Immobilienblasen und den damit verbundenen Gefahren für die Finanzmarktstabilität vorgehen können. Das zur Erfüllung dieser Aufgabe vorgesehene Instrumentarium setzt direkt an der Beziehung zwischen Kreditgeber und -nehmer an und reicht von der Festsetzung von Obergrenzen beim Fremdkapitaleinsatz bis hin zur Vorgabe von Tilgungszeiträumen. Tatsächlich zum Einsatz kommen sollen die Instrumente wohlgemerkt nur dann, wenn konkrete Indizien für die Existenz einer Immobilienblase gegeben sind. Nun liegt die Krux bei kreditinduzierten Blasen erfahrungsgemäß genau darin, dass sie erst dann identifiziert werden, wenn es bereits zu spät ist. Dass Deutschland hier eine Ausnahme bilden könnte, darf Stand heute bezweifelt werden. Auch im Zeitalter von "Big Data" ist die Verfügbarkeit des zur Identifizierung von Immobilienblasen benötigten Datenmaterials nämlich längst keine Selbstverständlichkeit. Während die Bundesbank einerseits zwar Statistiken über aggregierte Preis- und Kreditentwicklungen auf den Immobilienmärkten führt, tappt sie bei anderen wichtigen Parametern (Beleihungsausläufe, Tilgungssätze) unverändert im Dunkeln.

Somit kann die für die Regulatorik essenzielle Frage hinsichtlich der zugrunde liegenden Kreditvergabestandards nach wie vor keineswegs gesichert beantwortet werden. Zweifellos: Alternativ verfügbare Daten, etwa von Finanzierungsplattformen wie Europace, bestätigen auf den ersten Blick die These der konservativen Finanzierungsansätze in Deutschland. Dazu gehören die unverändert niedrigen Beleihungsausläufe, lange Zinsfestschreibungen sowie relativ hohe Tilgungsvereinbarungen. Da es sich hierbei aber lediglich um einen kleinen Anteil der neuvergebenen Kredite handelt, sind solche Kennziffern nicht zwangsläufig repräsentativ und grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen. Darüber hinaus kann der Blick auf Durchschnittswerte unter Umständen trügerisch sein: Wie ist es etwa um die "Ausreißer" am unteren Ende mit hohen Beleihungen und/oder geringen Tilgungen bestellt, die bei konjunkturellen Abschwüngen schnell zu Problemfällen werden könnten? Aggregierte Daten verbergen derartige Details. Das ist ein unbefriedigender Zustand, der die Wirksamkeit der noch verhältnismäßig jungen makroprudenziellen Politik gefährdet. Damit sich aus ihr in Zukunft wirklich belastbare Erkenntnisse und zielführende Handlungsempfehlungen ableiten lassen können, ist die nachhaltige Verbesserung der Datenbasis unabdingbar. Die Bundesregierung verzichtet im vorliegenden Gesetzentwurf jedoch auf die Schaffung eines vertieften Meldewesens und hofft allem Anschein nach auf eine europäische Lösung. Bis dahin bleibt jeder noch so gut gemeinte Regulierungsvorstoß nicht viel mehr als bloßes Stückwerk.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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