BOOM MIT FRAGEZEICHEN

Philipp Hafner

"Berliner Büromarkt bärenstark", "Büromarkt München übertrifft alle Erwartungen", "Feuerwerk an Logistik-Investments", "Äußerst starkes Jahr beim Handel mit deutschen Einzelhandelsobjekten" - dieser kleine Auszug von Schlagzeilen führender Immobilien-Researchabteilungen aus den vergangenen Wochen lässt nur einen Schluss zu: Der deutsche Immobilieninvestmentmarkt hat seine große Attraktivität auch 2017 eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Das gilt insbesondere für Gewerbeimmobilien: Nach Angaben von JLL erreichte das Transaktionsvolumen mit 56,8 Milliarden Euro schon wieder ein neues Allzeithoch. Ausländische Investoren blieben dabei ein wichtiger Treiber. Auf sie entfiel fast die Hälfte der Käufe und sie zeichneten gar für sieben der zehn größten Deals verantwortlich. Neben den üblichen Verdächtigen aus dem angelsächsischen Raum bauten vor allem asiatische Investoren mit einem Anteil von rund zehn Prozent am Kaufvolumen ihre deutschen Portfolios merklich aus. Endgültig auf der großen Investmentbühne angekommen sind zudem Logistikimmobilien: Drei der zehn größten Gewerbetransaktionen entfielen 2017 auf das einstige Nischensegment, der Verkauf der "Logicor-Plattform" für 1,9 Milliarden Euro war sogar der größte Deal des Jahres.

Und auch am Wohnimmobilieninvestmentmarkt herrschte reges Treiben: Ein Transaktionsvolumen in Höhe von 15,7 Milliarden Euro (JLL) ist das drittbeste Ergebnis der vergangenen zehn Jahre. Zwar fehlte es dieses Mal an Megadeals über eine Milliarde Euro, kleinere Losgrößen in der Bandbreite zwischen 100 bis 250 Millionen Euro waren jedoch reichlich vorhanden. Insgesamt summierte sich das Transaktionsvolumen somit auf 72,5 Milliarden Euro, ein Plus von rund zehn Prozent gegenüber 2016.

Ob sich an der Beliebtheit des deutschen Betongolds im noch jungen Jahr 2018 etwas ändern wird? Vermutlich nicht. In dem EY-Trendbarometer "Immobilieninvestmentmarkt 2018" erachten beeindruckende 94 Prozent der rund 220 befragten institutionellen Investoren Deutschland auch in diesem Jahr als attraktiven beziehungsweise sehr attraktiven Standort für Immobilieninvestments. Die Gründe dafür sind schnell ausgemacht. Zwar hat das Land seit über vier Monaten keine ordentliche Regierung, doch gerade die makroökonomischen Zeichen bleiben hervorragend: Führende Forschungsinstitute haben zuletzt ihre Wachstumsprognosen 2018 für die deutsche Volkswirtschaft noch einmal kräftig erhöht, hinzu kommen eine niedrige Arbeitslosigkeit sowie die weiter anziehende Kaufkraft der Bevölkerung. Auch die bei Investoren geschätzte einzigartige "Multi-Metropolen-Struktur", die eine regionale Risikodiversifikation ermöglicht, ist hier zu nennen. Und last, but not least: Alles spricht dafür, dass die EZB 2018 nicht an ihrer Nullzinspolitik rütteln wird. Gleichwohl impliziert dies nicht, dass die am deutschen Immobilienmarkt zu erzielenden Renditen anno 2018 noch uneingeschränkt auskömmlich sind. Die Anlageverzweiflung ist mittlerweile so ausgeprägt, dass im vergangenen Jahr mancherorts mehr als das 33-Fache der Jahresmiete für Topeinzelhandelsimmobilien und Büros gezahlt wurde. In Berlin etwa purzelte die Spitzenrendite für Büros im Schlussquartal 2017 erstmals unter drei Prozent. Welche Schallmauer wird als nächstes durchbrochen? Und vor allem: Ist diese Entwicklung gesund? Sind die institutionellen Immobilieninvestments im neunten Jahr des Booms noch risikoadäquat?

Laut dem aktuellen Investorenbarometer von Brickvest ist gerade bei deutschen Gewerbeimmobilieninvestoren der Risikoappetit zuletzt deutlich gestiegen. Gewiss: Selbst konservative Renditeziele sind in Draghis künstlicher Nullzinswelt mit herkömmlichen, sicherheitsorientierten Strategien immer schwieriger zu erreichen. Ein gewisses Aufweichen der Ankaufkriterien für Immobilien tut da wohl oder übel not. Aber ist es nicht ein wenig befremdend, dass 91 Prozent der von EY Befragten den Forward Deal, also den Kauf einer Immobilie inmitten der Projektentwicklungsphase teils ohne Vorvermietungen, als "gut am Markt etabliert" sehen? Dass für "Trophybuildings" wie das Sony Center in Berlin astronomische Preise (1,1 Milliarden Euro) gezahlt werden? Dass darüber hinaus komplexe und ein hohes Immobilien-Know-how erfordernde Manage-to-Core sowie Value-Add-Strategien oder das verstärkte Ausweichen auf Märkte abseits der Top-7-Standorte inzwischen Routine sind? Sind Städte aus der zweiten und dritten Reihe wie Oberhausen, Bochum oder Bremen auch in Zeiten konjunktureller Abschwünge sowie des absehbaren demografischen Wandels langfristig gut vermiet- und veräußerbar? Wird Megatrends wie dem steigenden Wunsch von Unternehmen nach flexiblen Büroräumen (Stichwort "Co-Working-Spaces") ausreichend Rechnung getragen? All diese Fragen seien trotz - oder vielleicht gerade wegen - der anhaltend hervorragenden Rahmenbedingungen auf dem deutschen Immobilieninvestmentmarkt erlaubt.

PHILIPP HAFNER

REDAKTEUR

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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