Messebericht

Expo Real 2016 - Bodenhaftung statt Euphorie

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Alle Jahre wieder Anfang Oktober übt die bayerische Landeshauptstadt eine besondere Anziehungskraft auf Immobilienfinanzierer und Immobilieninvestoren aus. Der besondere Reiz geht dabei nicht etwa von einem des größten und sicherlich auch berühmtesten Volksfests der Welt aus, dem Oktoberfest. Vielmehr öffnet dann die ICM ihre Hallentore für die Besucher. Die Expo Real ruft und alle kommen gerne nach München. Denn seit dem Start 1997 hat sich die größte Immobilienmesse Deutschlands zum geschäftlichen Höhepunkt am Jahresausklang entwickelt, während die MIPIM in Cannes stets im Frühjahr ein erstes Stimmungsbild vermittelt. Man sollte dabei keineswegs den Fehler machen, schon mit vollen Büchern nach München zu kommen, sagte einer der Messeteilnehmer. Denn es werde schon erwartet, dass in den drei Tagen noch der ein oder andere Deal zustande komme.

In diesem Jahr folgten 39000 Teilnehmer aus 77 Ländern dem Ruf der 19. Auflage der Internationalen Fachmesse für Immobilien und Investitionen, um ins Gespräch zu kommen, Gedanken auszutauschen, die neusten Trends zu erspähen und eben auch das ein oder andere Geschäft anzubahnen. Während es da zumeist höchst professionell zuging, erfreute ein Exot aus Zypern die Menge, der durch die Hallen streifend verzweifelt die "letzten Millionen" für ein "wundervolles Hotelressort" in seiner Heimat einsammeln wollte. Erfolg wird er mit seinen Bemühungen wohl kaum gehabt haben, denn auch wenn Liquidität im Übermaß vorhanden ist, sitzt das Geld dann doch nicht so locker.

Insgesamt ist die Expo Real in diesem Jahr noch einmal ein Stück größer geworden. Die 39 000 Besucher entsprechen einem Wachstum gegenüber dem Vorjahr um rund 1,9 Prozent. Dabei legten alle "Teilsegmente" zu: 19 000 Fachbesucher (2015: 18 985) und rund 20 000 Unternehmensrepräsentanten (2015: 18 872) tummelten sich in den sechs Messehallen A1 bis C2. Der internationale Anteil der Fachbesucher stieg auf 29,5 Prozent (2015: 28 Prozent). Die Top-Ten-Besucherländer waren nach Deutschland: Großbritannien, Niederlande, Österreich, Schweiz, Polen, Frankreich, Tschechische Republik, USA, Luxemburg und Spanien. Die insgesamt 1 768 Aussteller (plus 3,6 Prozent gegenüber 2015) kamen aus 29 Ländern, der Anteil internationaler Unternehmen lag bei 23,3 Prozent. Die Top-Ten-Ausstellerländer waren neben Deutschland: Österreich, Niederlande, Polen, Schweiz, Großbritannien, Ungarn, Frankreich, USA, Luxemburg sowie gemeinsam auf Platz 10 Italien und die Tschechische Republik. Nach längerer Auszeit auf der Messe war die schwedische Hauptstadt Stockholm wieder mit von der Partie, ebenso Ungarn. Das südosteuropäische Land gewinnt offenbar - so hört man - bei Investoren wieder zunehmend an Ansehen. Ebenfalls neu dabei in diesem Jahr waren der Großbritannien- und der Italien-Pavillon.

Keine Sorge vor dem Brexit

Überhaupt war der Brexit eines der beherrschenden Themen auf der Messe. Dabei waren allerdings weder allzu große Euphorie seitens der Kontinentaleuropäer noch allzu große Befürchtungen eines größeren Immobiliencrashs in UK zu spüren. Den Briten werde schon das ein oder andere einfallen, den Standort, vor allem die City of London, attraktiv zu halten. Natürlich warfen Städte wie Frankfurt, Paris, Edinburgh, Dublin oder Amsterdam auch auf der Expo Real ihre Angeln aus, aber diese Werbungsversuche wurden von den Spezialisten richtig eingeordnet: So viele Arbeitsplätze wie zusammengezählt aus den Hochrechnungen der Projektentwickler von UK in die kontinentaleuropäischen Hauptstädte verlagert werden sollen, gebe es in ganz London nicht. Und auch wenn man derzeit etwas zurückhaltender mit Investitionen auf der Insel sei, man sondiere den Markt natürlich immer nach sich bietenden Gelegenheiten. So der allgemeine Tenor.

Diese professionelle Zurückhaltung war ein Spiegelbild für die generelle Stimmung auf der Messe. Zwar hätte die Branche ob der Rahmenbedingungen allen Grund zum Ausflippen - hohe Liquidität, niedrige Zinsen, permanent steigende Werte und mittlerweile auch ziemlich gesunde Fundamentaldaten - doch war jeder bemüht, mindestens einen Fuß am Boden zu halten und den Boom zwar als gegeben hinzunehmen, aber trotzdem nüchtern abzuwägen und zu kalkulieren. Und das lag keinesfalls am trüben Wetter am ersten Messetag mit dicken, grauen Wolken und Regen über München. Denn schon am Mittwoch zeigte sich wieder das Expo-Real-typische Bild fröhlicher Menschen in der Sonne auf den zahlreichen Biergarnituren oder den mittlerweile schon zum Standard gehörenden gelben "Savills-Würfeln". Die Bodenhaftung aber blieb. "Es ist sehr wichtig, dass man trotz der guten Entwicklung der Immobilienbranche die Erdung behält", bringt es Andreas Pohl, Vorstandsvorsitzender der Nord-LB-Tochter Deutsche Hypo, auf den Punkt.

Dabei ist auch der Blick nach vorne trotz des intensiven Wettbewerbs erfreulich: "Ich erwarte nicht, dass sich der Markt in den kommenden zwei oder drei Jahren grundlegend ändern wird", sagt beispielsweise Peter Axmann, Managing Director und Leiter Immobilienkunden der HSH Nordbank. Dafür sind die Rahmenbedingungen derzeit einfach zu gut. Vor allem die hohe Liquidität im Markt und die fehlenden Anlagealternativen werden auch in den kommenden Monaten und Jahren die Nachfrage nach Immobilien hoch halten. "Der Druck im Markt ist heute definitiv größer als 2007", stellt Ignaz Trombello, Head of Investment Germany bei Colliers International, fest.

Allerdings wurden von allen Messeteilnehmern unisono große Unterschiede zu den Bedingungen 2007 festgestellt, die zu den dann folgenden schweren Verwerfungen führten, von denen sich die europäischen Immobilienmärkte erst Jahre später ganz erholt hatten. Die Finanzierer seien nach wie vor sehr diszipliniert, die LTVs lägen mit im Schnitt 60 bis 70 deutlich unter denen, die man vor zehn Jahren gesehen hätte. Das ist allerdings ob der gestiegenen Werte der Objekte nicht ganz vergleichbar, zeugt aber dennoch von gesunder Zurückhaltung. Und der Umgang zwischen Investoren und Finanzierern sei sehr viel professioneller geworden. Thomas Köntgen, Vorstandsmitglied der pbb, fasst die Lage wie folgt zusammen: "Eine gestiegene Risikobereitschaft ist grundsätzlich nichts, worüber man sich freut. Aber wir sind heute ein ganzes Stück von dem entfernt, was an Risikonahme 2006/2007 üblich war."

Aber: Es fällt immer schwerer, in Deutschland Objekte zu finden, die sowohl den Preis- als auch den Risikovorstellungen entsprechen. Die Objekte würden im Schnitt schlechter und man müsse mehr aussortieren als noch vor einem Jahr, analysiert Peter Axmann von der HSH Nordbank die Lage. Das zeigt sich auch beim Blick auf die gesamten Immobilieninvestments in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres, denn es ist laut einer Analyse von BNP Paribas Real Estate ein Rückgang des Investitionsvolumens um 29,7 Prozent von 57,3 Milliarden Euro auf 40,4 Milliarden Euro zu verzeichnen. Dabei ist das Bild zweigeteilt. Während die Wohninvestmentmärkte ob fehlender großer Transaktionen oder gar ganzer Übernahmen drastisch eingebrochen sind (minus 61 Prozent), machen sich die Gewerbeinvestmentmärkte auf, das Vorjahr noch einzuholen. Aufgrund eines sehr starken dritten Quartals liegt das gesamte Gewerbetransaktionsvolumen mit knapp 33 Milliarden Euro "nur noch" 14 Prozent unter dem Niveau aus dem Jahr 2015. "Das Interesse der Investoren ist trotz des sehr harten Wettbewerbs, der sich auch in weiter gestiegenen Preisen widerspiegelt, ungebrochen und nimmt tendenziell eher noch zu", erläutert Piotr Bienkowski, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland. "Wir erwarten eine Jahresendrallye", ergänzt BNP-Geschäftsführer Andreas Völker, denn vier bis fünf große Transaktionen befänden sich derzeit in der Pipeline. Für das Gesamtjahr rechnen die Experten mit einem Transaktionsvolumen von wiederum über 50 Milliarden Euro.

Allerdings wird, auch das ist eine Erkenntnis der Messe, immer noch sehr wenig spekulativ gebaut, sodass eine Vergrößerung des Angebotes kaum in Sicht ist und der Preisdruck sicherlich anhalten wird. Diese Marktkonstellation sorgt insbesondere bei A-Lagen für immer aggressivere Bieterverfahren am Markt, bei denen sich oft nur derjenige durchsetzt, der dazu bereit ist, den höchsten Preis zu zahlen. Ob das dann am Ende auch der seriöseste und zuverlässigste Anbieter ist, steht in den Sternen. "Heutzutage bekommt der Mutigste den Zuschlag. Das führt teils zu Verärgerung in der Branche", beklagt Martin Herkenrath, Geschäftsführender Gesellschafter der Omega Immobilien Gruppe, die sich auf sogenannte Off-Market-Deals, also diskrete Verkaufsprozesse von Immobilien spezialisiert hat. "Viele Anleger bleiben auf ihren Due-Dilligence-Kosten sitzen - und das führt zu einer nachhaltigen Verärgerung und ist eine exorbitante Verschwendung von Ressourcen." Hier liege die große Chance von Off-Market-Deals, so Herkenrath und hofft: "Off-Market-Deals werden die Zukunft sein." Die Entstehung eines Parallelmarktes fürchtet der Geschäftsführer indes nicht, denn die Art des entsprechenden Auswahlverfahrens wähle der Verkäufer, bevor das Objekt an den Markt kommt. Viele Maklerhäuser könnten beides leisten.

Zwar finden immer noch rund 80 Prozent aller Transaktionen in den klassischen Märkten Büro, Wohnen und Einzelhandel statt, doch zeigen sich hier echte Bremsspuren. Das Investmentvolumen in Büros beispielsweise ging gegenüber dem Vorjahr deutschlandweit um gut 15 Prozent auf etwa 13 Milliarden Euro zurück. Damit hat diese Assetklasse einen Anteil von 45,5 Prozent am gesamten gewerblichen Transaktionsvolumen und bleibt dennoch die stärkste Assetklasse im Gewerbesegment. Ungebrochen scheint zudem die Nachfrage nach Büros an den Top-7-Standorten.

Laut Colliers International summiert sich der Flächenumsatz in den ersten neuen Monaten auf rund 2,7 Millionen Quadratmeter Bürofläche, womit der Vorjahreswert um 15 Prozent gesteigert, der bisherige Rekordwert aus dem Jahr 2007 eingestellt und das zehnjährige Mittel um 24 Prozent übertroffen wurde. Allerdings verstärkt sich der Preisdruck immer mehr, denn Bürofläche wird knapp. In den deutschen Top-7-Städten nähern sich die Leerstandsquoten fünf Prozent an, in Berlin Stuttgart und München liegen sie jetzt schon bei nur noch drei Prozent. So geringe Leerstandsquoten seien nicht gesund, resümiert Trombello.

Die Spitzenrenditen für Büroobjekte und Geschäftshäuser sind laut Savills im dritten Quartal nochmals auf 3,8 Prozent beziehungsweise 3,6 Prozent im Durchschnitt der Top-7-Standorte gefallen und lagen damit jeweils etwa 100 Basispunkte unter ihrem zehnjährigen Durchschnitt. Entspannung gibt es bei den Mieten, hier sehen Experten erstmals seit längerer Zeit wieder echte Chancen für ein Wachstum, und zwar losgelöst von den Investmentmärkten und damit der Liquidität, stattdessen getrieben von den verbesserten Fundamentaldaten.

Den ungestillten Hunger nach Gewerbeobjekten zeigt auch die Auftragslage der Bauindustrie. So verzeichnet das Bielefelder Familienunternehmen Goldbeck, das im Sommer durch die Aufspaltung von Bilfinger quasi aus Versehen zum größten deutschen Bauunternehmen aufgestiegen ist, per 30. September ein deutliches Plus der Auftragseingänge. "Unsere Erwartungen wurden auch im laufenden Jahr übertroffen", so Geschäftsführer Jan-Hendrik Goldbeck. Die hohe Nachfrage erstreckte sich über das gesamte angebotene Spektrum von Logistikimmobilien, Bürobauten bis hin zu Parkhäusern, einer zwar kleinen und speziellen, aber durchaus lukrativen Assetklasse. Allerdings sei dieses starke Wachstum in Deutschland endlich, glaubt Goldbeck. Von daher will sein Unternehmen in den kommenden Jahren einerseits die Internationalisierung vorantreiben, andererseits das Produktspektrum erweitern.

Der Auslandsanteil soll von derzeit etwa 25 Prozent auf über 50 Prozent in zehn Jahren steigen. Über das noch junge Geschäftsfeld Public Private Partnership verspricht man sich mehr Aufträge von der öffentlichen Hand. Und darüber hinaus wird über die Ausweitung der Palette in Richtung industriell gefertigtes Wohnen nachgedacht.

Die Assetklasse Retail nimmt langsam Schwung auf. Nach einer Analyse von BNP Paribas Real Estate beläuft sich das Transaktionsvolumen im dritten Quartal auf gut 8,5 Milliarden Euro. Damit liegt das Ergebnis aber 39 Prozent unter dem Allzeitrekord des Vorjahres. Allerdings war das Vorjahr geprägt durch zwei Portfoliodeals von Corio und Kaufhof. Ausschlaggebend, so heißt es in dem Bericht, sei aber nicht ein mangelndes Investoreninteresse, sondern einzig und allein ein nicht ausreichendes Angebot. Die spezifischen Probleme des Einzelhandels bleiben derweil dieselben: "Der Online-Handel wächst weiter und die Geschäftsgrößen stagnieren. Kleine und mittelgroße Städte geraten unter Druck", erklärt Frank Emmerich. Er ist bei CBRE für den Einzelhandelsbereich zuständig. Indes wirkt sich das unterschiedliche Kaufkraftniveau in Ost- und Westdeutschland nicht mehr auf die Mieterträge aus. "Ob ich als Retailer nach Heidelberg oder nach Erfurt gehe, hängt nur noch von den Mikrodaten ab," sagt TLG-Immobilien-Vorstandsmitglied Peter Finkbeiner.

Die Entwicklungen auf den Büro- und Einzelhandelsmärkten zwingen die Investoren, sich breiter aufzustellen. Kaum einer kann es sich heute noch leisten, Wachstumsmärkte wie Logistik oder Hotel nicht zu bearbeiten. Entsprechend fließen immer mehr Mittel in diese beiden Assetklassen, die zu den wenigen Segmenten des deutschen Gewerbeinvestmentmarktes gehören, die im bisherigen Jahresverlauf ein Umsatzplus verzeichnen konnten. In den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres wechselten Logistik- und Industrieimmobilien für etwa 3,0 Milliarden Euro den Eigentümer, was einer Zunahme gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent entspricht.

Allerdings fand das Wachstum größtenteils außerhalb der Top-7-Logistikregionen statt, innerhalb der Top-7-Regionen war das Volumen mangels verfügbaren Angebots dagegen leicht rückläufig. Ausnahme Berlin. Hier sei die Lage entspannter als an anderen deutschen Standorten, sagt Rainer Koepke, Head of Industrial & Logistics Germany bei der CBRE GmbH. Im Umland würden sogar ehemalige Militärareale in Logistikflächen umgewidmet.

Während sich Logistik nicht zuletzt aufgrund der Veränderungen in der Handelsbranche mit der starken Zunahme des Online-Handels dabei längst als eigenständige und sichere Assetklasse etabliert hat, sind bei Hotelinvestments durchaus auch vorsichtigere Stimme auf der Messe zu hören. Zum einen sei viel Wert auf die Auswahl der Partner und Investoren zu legen, da es sich um Betreiberimmobilien handele. Zum anderen könnten angesichts des Preisanstiegs der vergangenen Jahre, Hotels werden inzwischen auch schon jenseits der zwanzigfachen Jahresmiete gehandelt, die höheren Risiken dieser Assetklasse kaum angemessen berücksichtigt werden. So neigen viele der deutschen Immobilienfinanzierer dazu, ausschließlich Businesshotels in den Metropolen zu finanzieren.

Hohe Nachfrage, wenig Angebot - die Zeiten könnten für Projektentwickler wahrlich schlechter sein. Von daher waren auf der Expo Real aus diesen Reihen auch keine Klagen zu hören. Selbst - kaum zu erwartende - Aktivitäten der EZB sorgen für keine Unruhe. "Steigende Zinsen würden vielleicht zu einem kurzen Wackeln des Investmentmarktes führen, aber nicht zu einem Einbruch. Dafür sind die Marktdaten zu gut und dafür ist zu viel Liquidität im Markt, die erst noch investiert werden muss", so Gordon Gorski, Geschäftsführer der Hochtief Projektentwicklung GmbH. Mehr Sorge bereiten ihm da schon die zunehmenden geopolitischen Spannungen, die bislang weitestgehend spurlos an den Immobilienmärkten vorübergezogen sind. Kein Wunder, denn noch ist gerade die deutsche konjunkturelle Entwicklung ausgesprochen stabil. Was aber, wenn sich das aufgrund von Spannungen mit Russland oder der Türkei eintrüben würden und Investoren plötzlich Zurückhaltung über würden? Für Andreas Pohl hilft da nur strikte Qualität: "Ich sehe kein Problem darin, dass Investoren für ein gutes Objekt einen angemessenen Preis bezahlen." So ist das Rückschlagpotenzial in Zeiten eines sich abschwächenden Marktes sicherlich begrenzt. Denn der Immobilienmarkt ist und bleibt zyklisch. Andreas Segal, CFO des deutsch-österreichischen Immobilienunternehmens Buwog gibt sich aber entspannt. "Wir haben noch ein wenig Puffer nach oben, bevor dieser Zyklus einsetzt."

Eine weitere Erkenntnis der Messe ist auch: Investoren müssen bescheidener werden. "Die Drei ist die neue Fünf", so Ignaz Trombello prägnant und treffend. Soll heißen, Investoren müssten sich heute mit Renditen von drei Prozent zufriedengeben, wo es vor einigen Jahren noch hieß, unter fünf geht gar nichts. Und er fügt hinzu, entscheidend sei mittlerweile die relative Attraktivität, ein kleines Minus sei besser als ein größeres. Und da schneiden Immobilieninvestments eben im Vergleich zu beispielsweise deutschen Staatsanleihen immer noch gut ab - der EZB sei Dank (oder auch nicht!).

Von daher ist die Suche nach Rendite längst in vollem Gang. Natürlich ist das langfristig topvermietete Gebäude in einer Spitzenlage in einer der Metropolen nach wie vor die gesuchte Perle, allerdings wird diese immer rarer und damit teurer. Die Folge: A-Lagen in B-Städten und B-Lagen in A-Städten gewinnen an Bedeutung. "Core ist nicht immer intelligent. B-Lagen in A-Städten oder Topimmobilien in B-Städten können aufgrund der höheren Anfangsrenditen und wegen der oftmals geringeren Refurbishmentkosten bei Mieterwechseln kluge Alternativen sein", so Peter Axmann. Sein Arbeitgeber HSH Nordbank jedenfalls hat klare Vorstellungen bei Finanzierungen. So muss ein Objekt einen Reinertrag von sechs Prozent abwerfen, um bei künftigen Zinssteigerungen einen Puffer zu haben. In der Breite sehen die Messeteilnehmer mehr Potenzial und weniger Risiko in den Toplagen der B-Städte. Denn auch wenn die Liquidität in Städten wie Heidelberg, Hannover oder Nürnberg vielleicht nicht ganz so groß ist wie in Köln, Hamburg oder München, sind die B-Lagen der Metropolen doch wahrscheinlich eher von einer Konjunktureintrübung betroffen. Und der Anlagedruck sorgt an der ein oder anderen Stelle auch für Unvernunft: "Ich beobachte, dass für Nicht-Core-Immobilien immer öfter Core-Preise bezahlt werden," so Axmann.

Eine andere Möglichkeit an Objekte zu kommen ist, sich weitere Teile der Wertschöpfungskette zu sichern: "Investoren steigen heute früher in Projekte ein und bringen sich teilweise die Mieter sogar selber mit, das wäre vor fünf Jahren undenkbar gewesen", sagt Gorski. Union Investment Real Estate hat sich beispielsweise in den vergangenen Jahren rund ein Drittel der Ankäufe bereits im Status der Projektentwicklung gesichert. Der Vorteil dieser sogenannten Forward Deals liegt zum einen in der Möglichkeit, höhere Renditen als bei reinen Bestandskäufen zu erwirtschaften. Zum anderen nimmt der Einfluss des Investors auf wesentliche Qualitätseigenschaften einer Immobilie in der Planungs- und Bauphase zu. Derzeit dominiert die Variante "Forward Sale", bei der der Investor das Objekt vor Baubeginn zwar erwirbt, eine Bezahlung aber erst nach Fertigstellung und einer gewissen Vorvermietung stattfindet. Das Risiko trägt hier allein der Projektentwickler.

Größere Zurückhaltung ist dagegen noch bei echten Forward Fundings zu beobachten, bei denen sich der Investor ebenfalls früh im Prozess einkauft, sich aktiv an Planung- und Baucontrolling beteiligt und den Kaufpreis in Raten je nach Baufortschritt zahlt. Hauptgrund für die Zurückhaltung ist für die Experten der Diskussionsrunde "Neue Partnerschaften: Banken und Versicherungen, Projektentwickler und Versicherungen" vor allem die hohe Komplexität solcher Deals bei der Umsetzung. Nur wenige Investoren hätten die Mittel und Möglichkeit, entsprechende Expertise aufzubauen, weiß Michael Wurzinger, Vorstandsmitglied und COO des österreichischen Projektentwicklers UBM Development. Er schätzt, dass höchsten einer von zehn Deals künftig als Forward Funding verwirklicht würde. Ähnlich sieht es Gerhard Meitinger, verantwortlich für das Immobiliengeschäft in Deutschland der pbb, der zudem fragt, was von den Leistungen eines Projektentwicklers eigentlich übrig bleibe, wenn sich der Investor auch noch die Mieter selber mitbringe.

Wie viel der gegenwärtigen Aktivitäten bei Forward Deals allein den Rahmenbedingungen geschuldet ist, wird sich zeigen, wenn der Immobilienmarkt seinen nächsten Zyklus erreicht und der Wettbewerb um Objekte entsprechend etwas nachlässt. Ähnliches gilt sicherlich für das ebenfalls aufkommende Thema Crowdfunding, was von den Messeteilnehmern aufmerksam beobachtet wird. "Crowdfunding halte ich für eine interessante Variante, die zeigt, welche neuen Wege sich das Kapital sucht", sagt beispielsweise Gordon Gorski.

Mehr Rendite versprechen auch noch relativ junge Assetklassen. "Bei Pflegeimmobilien kann man derzeit noch Renditepunkte gutmachen", weiß Karsten Jungk, Geschäftsführer von Wüest & Partner Deutschland. Aber er bemerke eine erhebliche Preissteigerung in diesem Segment, erklärt Jungk. Da gebe es aktuell Kaufpreisfaktoren, die zwei bis drei Jahresmieten über dem Niveau lägen, als man es noch Jahre zuvor gesehen habe. Zudem gibt es große Unterschiede bei der Qualität dieser Immobilien. Für Christof Winkelmann von der Aareal Bank kommt noch der politische Einfluss hinzu, der eine Kalkulation der Renditen schwer möglich mache. Wenn sich Pflegesätze plötzlich ändern, schlage das direkt durch und man habe als Investor keinen Einfluss darauf. CBRE rechnet für das laufende Jahr bei Pflegeimmobilien mit einem Transaktionsvolumen von drei Milliarden Euro.

Neben Pflegeimmobilien rücken auch Studentenwohnheime mehr und mehr in den Fokus: "Studentenwohnungen gehen derzeit weg wie geschnitten Brot", sagt Jungk. Auch temporäres und teils möbliertes Wohnen in Mikroappartments sei spannend. Ein Problem ist aber, geeignete Gelände oder Gebäude zu finden, denn: "Bei Studentenwohnungen ist das Interesse eher für A-Lagen vorhanden", sagt Andreas Quint, Head of Corporate Finance & Portfolio Transactions bei BNP Paribas Real Estate. Eines hörte man auf der Messe auch immer wieder: Man solle die Assetklasse Parkhäuser nicht außer Acht lassen. Trotz häufig unmittelbar bevorstehendem und auch notwendigen Modernisierungsbedarf seien hier noch etwa 4 bis 4,5 Prozent Rendite zu erwirtschaften, ergänzt Wolfgang Schneider, Leiter Research Immobilien bei BNP Paribas Real Estate.

Natürlich war auch das Thema bezahlbarer Wohnraum ein großes Thema. Immer noch wird viel zu wenig gebaut, um der wachsenden Nachfrage Herr zu werden. Generell bezogen auf die deutsche Wohnungsmarktpolitik kritisiert Dr. Marcus Cielebak, Head of Research bei Patrizia Immobilien AG, die Politik: Die Regierung habe das Problem des knappen Wohnraums grundsätzlich erkannt, schaffe aber momentan nicht die Voraussetzungen für mehr neue Kapazitäten. "Ich habe nicht das Gefühl, dass sich da etwas bewegt", ärgert sich Cielebak. Kruno Crepulja, Vorsitzender der Geschäftsführung des Wohnungsprojektvermittlers Formart aus Essen sieht derzeit schlicht eine Überlastung der einen oder anderen Kommune. "Ganz plötzlich sollen eine Reihe neuer Wohnungen entstehen - wenn da das gesetzliche Korsett zu eng ist, ist da wenig Handlungsspielraum", kritisiert er. Das bedeute, dass mehr gesetzliche Flexibilisierungs- und Entscheidungsmöglichkeiten für Kommunen geschaffen werden müssten. Hier sei der Bundesgesetzgeber gefragt. Ein Beispiel: "Die Lockerung der Stellplatzverordnung in Berlin sorgt für mehr Spielraum. Hier müssen Sie keine Stellplätze mehr nachweisen."

Überhaupt Berlin. Die Bundeshauptstadt entwickelt sich mehr und mehr zu Deutschlands neuer Immobilienboomregion. Die Stadt habe sich in den vergangenen Jahren immens entwickelt, sagt Peter Finkbeiner, Mitglied der Geschäftsführung bei der TLG Immobilien GmbH. "Es ist dort viel internationaler geworden - auch in der Arbeitswelt." Viele Büromieter sprächen mittlerweile Englisch, Spanisch und Französisch. Tec, Media und nach wie vor die öffentliche Hand prägen das Bild. "Wir haben in Berlin einen enormen Zuzug", ergänzt Karsten Jungk. Und das wirke sich auf die berufliche Nachfrage aus. Die Stadt hole nun im Vergleich zu Frankfurt und München extrem zügig auf.

Boomregion Berlin

"Berlin hat im Bürobereich Hamburg mit den Durchschnitts- und Spitzenmieten eingeholt", stellt Jungk fest. Bedenklich ist der niedrige Leerstand. Lange Zeit sind die Mieten einfach zu niedrig gewesen, um Büros zu bauen. Das ändert sich nun zwar schnell, bringt aber auch negative Nebeneffekte mit: Andreas Völker, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate Consult GmbH, sieht derzeit in der Hauptstadt eine starke Zunahme der Grundstücksspekulation. Was aber begrenzend wirke, seien von der Stadt forcierte Mischkonzepte.

Der Berliner Wohnungsmarkt erfreut sich ebenfalls einer immer größeren Beliebtheit: Der schwedische Projektentwickler Bonava - seit Neustem an der Börse in Stockholm gelistet - hat nur die besten Erfahrungen gesammelt: "In Berlin sind wir derzeit die Nummer eins", freut sich CEO Joachim Hallengren. Das Unternehmen mit dem deutschen Bürositz im brandenburgischen Fürstenwalde konnte sich mit einem Projektvolumen von knapp 377 000 Quadratmetern Wohnfläche in der Hauptstadt auf dem Spitzenplatz halten. "Wir lassen in Deutschland die teuren Standorte aus und sind damit erfolgreich." Man wolle in den kommenden Jahren fast ausschließlich hierzulande investieren - und zwar in bezahlbaren Wohnraum. Nur 30 Prozent wolle man exklusiver bauen. "Der deutsche Markt ist für uns deshalb so interessant, weil es hier einfacher als in vielen anderen - vor allem skandinavischen - Ländern ist, kostensparend zu bauen", erklärt Hallengren.

Immer stärker auf Investitionen in den Berliner Markt setzt auch die deutschösterreichische Buwog Group: "Ein interessanter Markt für den Verkauf unserer Eigentumswohnungen, den Bau für den eigenen Bestand und die Mieteinnahmen", freut sich CFO Andreas Segal. In den vergangenen Jahren habe man vor allem die Projektentwicklungspipeline erhöht und sich auch in vermeintlich weniger attraktive Regionen wie Köpenick oder Neukölln gewagt. "Wir bewegen uns in Projektgrößen zwischen 100 und 1000 Wohneinheiten." Dr. Marcus Cielebak von der Patrizia Immobilien AG setzt argumentativ noch einen drauf: "Ich prognostiziere für Berlin eine Wertentwicklung von vier Prozent." Es sei die am meisten unterschätzte Stadt.

Die südwärts gerichtete Entwicklung der Renditen in Deutschland liegt aber immer noch über den andernorts zu erzielenden Verzinsungen. Das lockt nach wie vor viele Ausländer auf den deutschen Markt. Und auch wenn deren Anteil am gesamten Transaktionsvolumen von mehr als der Hälfte auf derzeit noch rund ein Drittel abgenommen hat, so strecken Asiaten, US-Amerikaner und Kanadier ganz gezielt ihre Fühler Richtung Deutschland aus. Und werden gerne gesehen, denn sie scheuen nicht vor hohen Preisen zurück, da diese im internationalen Vergleich eher gering sind.

Gute Bedingungen sehen die Spezialisten derzeit auch für deutsche Kreditinstitute, ihre Non-Performing Loans an den Mann zu bringen. Das Problem: Sie tun dies nur sehr zögerlich, beklagt Thorsten Brogt, Chef des neu gegründeten Bereichs Distressed Debt/Real Estate Opportunity Funds bei Engel & Völkers Investment Consulting GmbH (EVIC), die Käufer und Verkäufer von notleidenden Kreditportfolios im Rahmen von Underwriting- und Transaktions-Advisory unterstützt. "Für viele Banken ist das Thema NPL weiterhin nachrangig. Dabei wollen Private-Equity-Häuser sehr viel Geld investieren". Viele deutsche Banken und Sparkassen haben beispielsweise einen überdurchschnittlichen NPL-Anteil von über 2,5 Prozent, aber man traue sich nicht daran. Dabei sei aber der Markt derzeit bereit, relativ hohe Preise zu zahlen. Sein Appell an die Banken: "Einmal richtig durchfegen und danach ein sauberes Buch haben." Das sollte laut Brogt das Ziel sein. "Weiter die Probleme zu verschleppen wird sich spätestens bei der nächsten Krise rächen", prognostiziert er. "Ich rechne im den kommenden 15 Monaten mit einem hohen einstelligen Milliardenbetrag beim Transaktionsvolumen."

Was bleibt nach drei Tagen München also festzuhalten. Der deutschen Immobilienbranche geht es gut. Die Immobilienmärkte boomen nach wie vor. Es bieten sich abseits der breit getretenen Pfade noch interessante Anlagealternativen sowohl mit Blick auf die Standorte als auch die Assetklassen. Die hohe Wettbewerbsintensität lässt zwar die Renditen sinken, aber die Geschäfte laufen immer noch gut, da Margen stabil gehalten werden können. Und das nach wie vor gesunde Risikobewusstsein ist ein gutes Zeichen. Denn: "Die Zyklen im Immobiliengeschäft sind in den vergangenen 30 Jahren kürzer geworden, die Volatilitäten höher", so pbb-Vorstand Thomas Köntgen.

Die nächste EXPO REAL findet von Mittwoch, den 4. Oktober, bis Freitag, den 6. Oktober 2017, in München statt.

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