Der Exportschlager wird zwanzig

Horst Bertram

Ach, wie war das schön vor zehn Jahren. Die Alte Oper war hübsch ausstaffiert, es gab leckeres Essen und gute Drinks, einige kurzweilige Reden und die Moderatorin leerte das Wasserglas eines überraschten Diskussionsteilnehmers. Es war einfach herrlich und es gab einen guten Grund zum Feiern. Begangen wurde das zehnjährige Jubiläum des deutschen Jumbo-Pfandbriefs. Und jetzt, zehn Jahre später, keine Feier und keine Reden. Irgendwie schade, denn der Pfandbrief gehört doch zu den wenigen Erfolgsschlagern des deutschen Kapitalmarktes. Während es im Geburtsjahr des großvolumigen Pfandbriefs, 1995,

nur in ganz wenigen Ländern gedeckte Schuldverschreibungen gab, genießen mittlerweile Emittenten aus rund 30 Staaten die Vorteile dieser Titel.

Dabei sah es nicht immer so rosig aus. Das auf das Jahr 1769 zurückgehende deutsche Traditionsprodukt Pfandbrief war seit Beginn der neunziger Jahre in einer ernsthaften Krise. Die liquiden Bundestitel, deren Volumen durch die Finanzierung der deutschen Einheit massiv gewachsen war, sorgten für mächtige Konkurrenz. Erschwerend kam hinzu, dass sich die Strukturen auf der Investorenseite verändert hatten und die Nachfrage immer mehr von Kapitalsammelstellen und nicht mehr von privaten Anlegern kam. Diese großen institutionellen Investoren suchten liquide Produkte. In diesem Umfeld galt der traditionelle Pfandbrief 1995 als antiquiert. Seine Überlebensfähigkeit wurde teilweise angezweifelt. Das mag alles übertrieben gewesen sein, aber der traditionelle Pfandbrief war zumindest nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

Sein Hauptproblem war die fehlende Handelbarkeit, bei 18 000 ausstehenden Pfand briefen und einer durchschnittlichen Emissionsgröße von rund 70 Millionen D-Mark kein Wunder. Eine Optimierung des Produktes musste her.

Die passende Idee und den nötigen Mut hatte Henning Rasche, der damalige Treasurer der Frankfurter Hypothekenbank (ein Vorläufer der Eurohypo) und spätere Präsident des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken. Am 26. Mai 1995 gab er auf der Reuters-Seite seines Hauses bekannt, dass er ab sofort bereit sei, für einen neuen vierjährigen und auf 500 Millionen D-Mark angewachsenen Öffentlichen Pfandbrief auch Geld-Kurse zu stellen, die nur 10 Pfennige unter dem Verkaufspreis liegen. Es war das erste Mal, dass ein Pfandbriefemittent einer Emission durch feste Zweiwegepreise zu echter Liquidität verhalf. Die Entscheidung war durchaus als mutig zu bezeichnen, schnell hätten sich durch Rückkäufe unerwünschte Eigenbestände aufbauen können. Ein Rückzieher bei der Zusicherung hätte die Bank zum Gespött des Marktes gemacht und Rasche womöglich seinen Job gekostet. Glücklicherweise kam alles anders - alles ging gut. Das aufgefrischte Produkt wurde akzeptiert. Schnell gab es Nachahmer und Optimierer. 17 Hypothekenbanken brachten in den folgenden sechs Monaten solche liquiden Pfandbriefe auf den Markt. Im März 1996 folgten dann Mindeststandards für die sogenannten Jumbo-Pfandbriefe mit einem Volumen von mindestens einer Milliarde D-Mark, später wurde daraus bemerkenswerterweise fast diskussionslos eine Milliarde Euro. Über viele Jahre hinweg herrschte am Pfandbriefmarkt eitel Sonnenschein.

Die schwarzen Wolken, die sich im Hintergrund zusammenbrauten, waren erst gut zehn Jahre später zu sehen. Das Donnerwetter folgte ein paar weitere Jahre später. Das Hauptproblem war die zunehmend exzessive Nutzung des öffentlichen Pfandbriefs und die nicht fristengerechte Refinanzierung von Engagements in der Staatsfinanzierung durch einige Banken. Die Emission von einige Milliarden Euro schweren Pfandbriefen schwappte übermäßig viel Liquidität in die Häuser, die - verbunden mit einer steilen Zinskurve - "zum Zocken" verleitete. Im Rückblick darf man fragen, warum mittelgroße Häuser Pfandbriefe im Umfang von fünf Milliarden unters Volk bringen konnten. Zu den Hasardeuren gehörten unter anderem die Allgemeine Hypothekenbank, die DePfa und die Hypothekenbank in Essen, um die wesentlichen Spieler zu nennen.

Es gab aber frühzeitig warnende Stimmen. So schrieb der damalige Ressortleiter der Börsen-Zeitung, Robert von Heusinger, 1995 einen Leitartikel zum Thema "Hypo Hedgefonds". Dem folgte ein langer Beitrag im Magazin Euromoney über "Germany´s secret gamblers". Geändert hat sich aber jahrelang nichts, die Emissionsgrößen blieben hoch, die Fristentransformation ging weiter und die Zinsänderungsrisiken nahmen zu. Glücklicherweise erkannte die Aufsicht, das damalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, die Risikolage und strebte nach Lösungen. Innerhalb kurzer Zeit wurde im Jahre 2000 mit dem Verband der Hypothekenbanken ein Konzept zur Messung und zum Ausweis von Zinsänderungsrisiken entwickelt. Vonseiten der Aufsicht war damit die Absicht verbunden, diese Risiken einzuschränken.

Die Verantwortlichen in der Bankenaufsicht - häufig voran Thomas Happel und Stefan Schrader - spielten bei der Entwicklung des deutschen Pfandbriefs generell eine herausragende Rolle. Es ging der Aufsicht immer um Qualitätsverbesserungen und entsprechende Vorschläge des Verbandes wurden positiv begleitet. Wohl gelitten war und ist der Pfandbrief auch in der deutschen Finanzpolitik. Kaum ein Finanzmarktgesetz wird verabschiedet, in dem nicht an irgendeiner Stelle das deutsche Vorzeigeprodukt eine Rolle spielt oder privilegiert wird.

Die Intervention der Aufsicht, die Veränderung der Zinslandschaft und der Zinskurve führten in den Folgejahren zu einem deutlichen Nachlassen der häufig spekulativ durchgeführten Staatsfinanzierung. Die großen Spieler wie die Allgemeine Hypothekenbank oder die Hypothekenbank in Essen wurden von den deutschen Privatbanken gerettet oder unter sanftem Druck in die Commerzbank integriert. Das war auch gut so, der Akzeptanz des Pfandbriefs und der Qualität des Produktes hat es geholfen.

Damit verbunden war aber auch das Schrumpfen des Marktes für die großvolumigen Öffentlichen Pfandbriefe im Jumbo-Format aufgrund der hohen Fälligkeiten in den Deckungsstöcken. Verstärkt wurde die Tendenz durch das kontinuierliche Auslaufen der garantierten Landesbank-Anleihen, die sich in riesigem Umfang in der Pfandbriefdeckung befanden. Nachdem das Segment der Öffentlichen Pfandbriefe im Jahre 2000 noch ein Volumen von knapp 860 Milliarden Euro aufwies, waren es am Jahresende 2014 nur noch 207 Milliarden Euro. Das Volumen neuer Hypothekenpfandbriefe blieb dafür über die ganzen Jahre stabil. Neuemissionen über eine Milliarde Euro und mehr sind selten geworden, dieses Jahr zeigte sich bisher nur die Helaba mit einem solchen Titel auf dem Markt.

Dem Pfandbrief hat es nicht geschadet, ganz im Gegenteil. Der Markt ist zwar weniger spannend oder unterhaltsam geworden, da die früheren Charaktere und deren "Geschichten" nicht mehr anzutreffen sind. Sie tauchen höchstens noch am Rande von Veranstaltungen, beim Stichwort: "Weißt du noch?" auf. Das Produkt ist aber besser geworden, zumal die beteiligten Akteure wieder unisono vernünftiger und seriöser handeln. Die Verwalter der Deckungsstöcke und die Treasurer sind seit Jahren fachlich versierte und risikobewusste Spezialisten und der gesamte Regulierungsrahmen für Banken verhindert Auswüchse wie in den "wilden" Zeiten des Marktes. Die Zeiten, in denen ein Vorstand auf dem Weg nach Hause seiner Nase vertrauend über Nacht eine Milliarde Euro auf eine günstige Zinsentwicklung in den USA gesetzt hat, sind glücklicherweise lange vorbei.

Die hohen Qualitätsstandards, der gesetzliche Rahmen und eine aufmerksame Aufsicht haben dazu geführt, dass sich die deutschen Emittenten auch in den schwarzen Tagen der Finanzkrise durch den Verkauf von Pfandbriefen im vernünftigen Umfang refinanzieren konnten. Der Erfolg des deutschen Pfandbriefs fand im Ausland viele Nachahmer. Daran hat auch der Jumbo-Pfandbrief einen erheblichen Anteil. Er brachte Liquidität und Schwung in den Markt und legte die Saat für neue Covered-Bonds-Produkte auf der ganzen Welt.

Dass es mittlerweile mehr gedeckte Schuldverschreibungen aus Frankreich oder Spanien gibt, stört nicht. Auf was es wirklich ankommt, ist die Qualitätsführerschaft. Hier bleibt zu hoffen, dass die kommende Harmonisierungsinitiative der Europäischen Kommission dem deutschen Pfandbrief keine Nachteile bringt. Dies wäre etwa der Fall, wenn es Maximal-Qualitätsstandards geben sollte, die unter den derzeitigen deutschen Merkmalen liegen würden. Gemeinsam sollten aber die Verantwortlichen im Pfandbriefverband, der Aufsicht und der deutschen Politik gravierende Verschlechterungen vermeiden können. Dann gibt es vielleicht zum 25-jährigen Geburtstag wieder etwas zu feiern. Bis dahin, alles Gute.

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