Grüne Nachverdichtung auf fehlenden Parkplätzen

Daniel Rohrig

Nachverdichtung! Das Wort an sich klingt in der Tat sperrig und unangenehm. In den Ballungsräumen dieser Republik wird immer lebhafter darüber diskutiert, wie angesichts des gewaltigen Nachfragedrucks mehr Wohnraum, aber auch mehr Büros, Logistikflächen, Hotels und, und, und entstehen können. Allein eine Stadt wie Frankfurt am Main wächst und wächst. Bis 2030 sollen es noch einmal 100 000 Menschen mehr sein. Kommunen, Land, Bund - sie alle überschlugen sich in den vergangenen Monaten mit Ideen: mehr Stockwerke, Wohnblöcke zwischen Wohnblöcke, "urbane Gebiete", moderne Hochhäuser, Konversion bei ungenutzten Gebäuden. Eine mittlerweile immer tabuärmere Diskussion und eine Reihe konkreter Verdichtungsprojekte sind die Realität des Jahres 2017.

Und nun dies: Das Bundesbauministerium plant mehr Grün in deutschen Städten. Dazu möchte Frau Hendricks in diesen Tagen ein "Weißbuch Stadtgrün" vorstellen. Schon in diesem Jahr sollen erstmals 50 Millionen Euro aus einem Förderprogramm fließen. Diese Ideen müssen sich in den Ohren der Planungsdezernenten und Oberbürgermeister wie Worte von einem anderen Planeten anhören. Natürlich hört es sich in Wahlkampfzeiten wohlwollend an, wenn Hendricks davon spricht, wie sie mit diesem Ansatz einen "aktiven Schutz vor den Folgen der Klimaveränderung" leisten kann. Sie möchte Stellplatzverordnungen der Kommunen aufweichen, wie sie sagt. Aber nicht etwa zum Bau neuer Immobilien verschiedener Assetklassen, sondern als mögliche neue Frei- und Grünflächen. Wie bitte? Es sei ja ohnehin so, dass der Trend zum Fahrradfahren und zum Carsharing zunehme. Daher bestünde auch weniger Bedarf an Parkplätzen. Wie bitte? Wurde im Berliner Ministerium Wunschdenken mit der Realität verwechselt? Wer wünscht sich nicht mehr Grün vor dem Fenster, bessere Luft in den Städten oder weniger Autos auf den Straßen?

In den Städteplanungen des Jahres 2017 ist jedoch kein Platz für Träumereien - leider! Natürlich steht es einer Bundesregierung frei, Autofahrten in den Ballungsräumen so unattraktiv wie möglich zu machen - vielleicht ist dies auch wünschenswert und sogar notwendig, um den ansonsten bald drohenden Verkehrskollaps zu vermeiden. Aber die aktuelle Realität sollte man bei der Erstellung eines "Weißbuches" schon zur Kenntnis nehmen. Und die geht so: 3,4 Millionen neu zugelassene Pkw und somit eine Zunahme von 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr weist die Jahresbilanz 2016 des Kraftfahrtbundesamtes aus. Einen noch größeren Zuwachs konnten die Nutzfahrzeuge verzeichnen: Ihre Neuzulassungszahl steigerte sich gar um 5,5 Prozent und summierte sich auf 398 794. Wo befinden sich angesichts dieser Zahlen die immer weniger benötigten Parkplätze? Es spielt hierbei - wie gesagt - keine Rolle, wie man diese Situation bewertet. Man sollte sie nur zur Kenntnis nehmen.

Falls die planungsgeplagten Kommunen noch nicht so recht wissen sollten, wie sie dieses Mehr an Grün denn in ihre Städte integrieren können, haben Frau Hendricks und ihr Ministerium bereits einige Handlungsempfehlungen ausgearbeitet. Darin kann nachgelesen werden, wie man Grünflächen fachgerecht plant, anlegt und unterhält. Man hört es schon schallen, das laute "Dankeschön" aus den Rathäusern. Besonders laut eventuell aus Berlin selbst, wo - zumindest teilweise - auch das Ministerium beheimatet ist. Die Landesregierung versucht aktuell verzweifelt, die 13 400 Flüchtlinge, welche immer noch in provisorischen Sammelunterkünften wohnen, längerfristig unterzubringen. Und zwar in sogenannten modularen Unterkünften für Flüchtlinge (MUF) oder in Tempohomes, wie dort Wohncontainer genannt werden. Zahlreiche dieser provisorisch-dauerhaften Unterkünfte sind nicht nur in der Hauptstadt in den vergangenen Monaten entstanden - meist auf Grünflächen oder auf ungenutzten versiegelten Arealen. Auch das ist die Realität.

Frau Hendricks täte gut daran, sich trotz Wahlkampfes derzeit mit solchen Vorstößen zurückzuhalten. Auch wenn das "Weißbuch" längst nicht so viel Beachtung erlangen wird wie die einen oder anderen träumerischen Aussagen ihres Parteigenossen Martin Schulz, so ist die Wirkung doch möglicherweise langfristig eine ähnliche.

Daniel Rohrig , Redaktion Immobilien und Finanzierung , Verlag Helmut Richardi
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