Von Haken und von Ankern

Daniel Rohrig

"Logistik ist das neue Retail!" So sieht es der Frankfurter Colliers-Geschäftsführer Peter Kunz. Kein Zweifel, das Geld ist da. Logistikimmobilien als attraktive Assetklasse sind gefragt und bleiben gefragt. Noch immer liegen die Renditen schließlich über denen, die man bei den klassischen Gewerbeimmobilien Büro und Einzelhandel erzielt. Und: Hier liegt eine Menge Zukunftspotenzial. Die Eintrittsbarrieren in den Markt sind vergleichsweise niedrig, denn es ist viel leichter, eine große Lagerhalle zu bauen, als beispielsweise ein Bürogebäude. Colliers hat Ende 2015 jedenfalls Bruttoanfangsrenditen in München und Düsseldorf von 5,9 Prozent ermittelt. In Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln und Stuttgart kreisen sie bei sechs Prozent.

Zum Vergleich: Für Büros liegen sie etwa einen Prozentpunkt darunter. Und sie sind weniger volatil als Renditen anderer Immobilien-Assetklassen. In den vergangenen zehn Jahren tummelten sie sich bei durchschnittlich 6,75 Prozent und schwankten maximal um 0,75 Prozentpunkte nach oben oder nach unten. Das Ganze hat aber zumindest für Anleger einen derzeit noch kleinen, aber mit der Zeit immer größer werdenden Haken: Mit zunehmender Attraktivität sinken die Renditen weiter und weiter. Wird der Markt mit Objekten geflutet, sind über die Vermietungen der Objekte immer weniger attraktive Einnahmen zu erzielen.

Mieter von Logistikimmobilien frohlocken. Sie können sich indes über die Beliebtheit "ihrer" Klasse am Markt nur freuen. Die Projektentwickler liefern sich einen immer härteren Wettbewerb. Die Taktik, mit günstigeren Angeboten Mieter anzulocken, gewinnt mehr Raum. Das Münchener Investmenthaus Realogis Real Estate spricht sogar von einem regelrechten Bieterkampf bei den Angeboten. Das führt mittlerweile zu skurrilen Situationen: Teilweise seien die Mieten in Neubauten günstiger als in den Bestandsgebäuden. Prima, denken sich da Handelsketten, Logistikdienstleister oder Industrieunternehmen. Sie haben die Wahl. Klar gilt dieser quasi-paradiesische Zustand nicht überall in der Republik: In München und in Stuttgart sind die Mieten unverändert hoch und steigen sogar noch. Grund: der dortige drastische Flächenmangel. Und eben jener Mangel könnte bald in vielen anderen Regionen Deutschlands die große Logistikimmobilien-Party etwas abflauen lassen. Wer allerdings nicht unbedingt auf Flächen in der Stadt angewiesen ist, kann natürlich noch deutlich länger feiern. E-Commerce-Unternehmen wollen zwar Wege verkürzen und deshalb immer mehr Dependancen in der Nähe von Ballungsräumen eröffnen. Ihre Hauptlager können sie jedoch weit draußen auf dem flachen Lande betreiben. Dabei lohnt es sich zumeist, die Hallen nicht zu kaufen, sondern sie aufgrund der attraktiven Preise zu mieten.

Amazon verfolgt diese Strategie seit Jahren erfolgreich. Ein zweiter großer Nutzer von Flächen ist die Automobilindustrie. BMW baut im Süden des Landes drei neue Lager für Ersatzteile auf einer Fläche von 370 000 Quadratmetern. Aber auch hier wartet schon ein Haken: Arbeitskräfte außerhalb von Ballungsräumen werden aufgrund des demografischen Wandels immer knapper. Der ungebremsten Expansion auf die grüne Wiese sind daher in absehbarer Zukunft auch Grenzen gesetzt. Und auch die großen Logistikhubs im polnischen Posen oder im tschechischen Pilsen, die bislang immer als sichere Ausweichhäfen galten, stoßen, wie man in Fachkreisen hört, ebenfalls an ihre personellen Grenzen. Profiteure dieser Situation könnten die kleineren und mittelgroßen deutschen Städte sein. Kleinere Warenverteilzentren, die im Idealfall eine Same-Day-Delivery ermöglichen, bieten Wachstumspotenzial in diesen Lagen. Auch der Lebensmittelverkauf über das Internet steht vor besonderen Herausforderungen. Hier und bei der Belieferung von unterschiedlichen Foodkonzepten im urbanen Raum - ebenfalls ein neuer Trend - müssen unter anderem lückenlose Kühlketten aufrechterhalten werden. Das verhilft auch den kleinsten Logistikflächen zum Durchbruch.

Fast könnte man meinen, jeder dieser Haken hat die Eigenschaft, dass er auch als Ankerhaken für neue Trends dienen kann. Trotz regionaler Verschiebungen bleibt der Logistikimmobilienmarkt jedenfalls eine zukunftsfähige Assetklasse, wenn Investoren bereit sind, die stetigen Veränderungen und Ansprüche an die Aufgaben dieses Sektors mitzutragen. Tun sie dies, spielt die Partymusik noch lange weiter.

Daniel Rohrig , Redaktion Immobilien und Finanzierung , Verlag Helmut Richardi
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