Handlungsbedarf

Philipp Otto

Wenn sich Anfang Oktober die große Immobilienfamilie wieder in München zur Expo Real versammelt, werden vor allem zwei Themen an den Ständen diskutiert werden: die nicht enden wollenden Flüchtlingsströme und die Demografie. All die tausend Menschen, die derzeit nach Deutschland drängen, wollen, sofern sie bleiben dürfen, auch wohnen. Turn- und Messehallen wie unter anderem auch in München sind da nicht mehr als eine Übergangslösung. Und da diese Menschen auch arbeiten wollen, wird dieser enorme Zuzug die Wohn- und Gebäudesituation in den Ballungszentren nicht entspannen, im Gegenteil. Da, wo sie hinwollen, ist kein Raum, und da, wo Raum ist, wollen sie genauso wenig hin wie die bundesdeutschen Mitbürger.

Das treibt manchem Bürgermeister die Sorgenfalten auf die Stirn, denn weder sind Geld und Investoren für Neubauten vorhanden noch lässt die Schuldenbremse eine neue Kreditaufnahme zu. Schnell neuen Wohnraum zur Verfügung zu stellen ist schwer, denn Bebauungspläne sind längst geschrieben und das Baurecht wirkt als ein verzögerndes Hindernis. Eine Ansiedlung in Gewerbegebieten oder am Stadtrand wirkt kontraproduktiv für die Integration der Menschen. Und der Wettbewerb um günstigen Wohnraum ist ohnehin schon groß. Eine wie auch immer geartete Bevorzugung von Zuwanderern kann da schnell für böses Blut sorgen. Bei diesen Themen ist die Bundes- und Landespolitik in großem Maße gefordert. Daneben müssen auch für die Herausforderung einer älter werdenden Bevölkerung, die möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben möchte, Lösungen gefunden werden. Dabei gewinnt das Thema Smarthomes an Bedeutung: Von der Möglichkeit der externen Steuerung von Heizungen, Haushaltsmaschinen und Herden bis hin zur "Überwachung" der Eltern kann das die Sorgen der sich verantwortlich fühlenden nachfolgenden Generation spürbar verringern. Auch dieses Thema kann die Immobilienwirtschaft aber nicht alleine lösen.

Dabei kann sie sich nach wie vor äußerst günstiger Rahmenbedingungen erfreuen. Denn Immobilien lieben billiges Geld. Zum einen sorgen die Nullzinspolitik und die Liquiditätsschwemme für äußerst günstige Finanzierungsbedingungen und somit für eine anhaltende Sonderkonjunktur. Zum anderen erhöhen die mangelnden Anlagealternativen die Nachfrage von renditesuchenden Akteuren wie Versicherungen und Pensionskassen. Und zum dritten präsentiert sich der europäische und insbesondere der deutsche Immobilienmarkt im Vergleich zu manch anderen Märkten in Asien oder Nord- und Südamerika nicht nur ausgesprochen stabil, sondern wirft auch noch bessere Renditen ab als anderswo auf der Welt. Die Folge sind Rekorde über Rekorde bei den Transaktionsvolumina. Da fragt sich mancher, wie lange das noch gut gehen kann. Denn natürlich steigen auch die Risiken. Die Fed in den USA hat eben noch einmal zurückgezuckt, ihre seit 2008 währende Nullzinspolitik zu beenden. Zu groß seien die Risiken aufgrund der aktuellen Entwicklung der Weltwirtschaft für US-amerikanische Konjunktur und Märkte. Doch der Druck auf die Notenbank steigt und auf der kommenden Sitzung wird es wohl keine Ausreden mehr geben. Dann ist das in den vergangenen Wochen nahezu untergegangene Thema Griechenland natürlich weiterhin präsent. Auch wenn Alexis Tsipras die Neuwahlen klar gewonnen hat und seine Syriza-Partei nach der Neuordnung deutlich stabiler und homogener aufgestellt ist, ist die Gefahr eines Grexits noch lange nicht vom Tisch. Und ob Griechen und Europäer in Sachen Schuldenvereinbarung immer die gleiche Sprache sprechen, ist ebenfalls mehr als fraglich. Tsipras jedenfalls bezeichnet die Vereinbarung als "lebenden Organismus", der atmen kann. Und auch einen Schuldenschnitt hat er keineswegs zu den Akten gelegt. Es bleibt abzuwarten, was letztendlich wirklich von den Griechen als Gegenleistung für die neuen Kredite geliefert wird.

Und als ob das noch nicht genug wäre, haben Bundesbank und BaFin die in Deutschland stets so stabilitätsfördernd wirkende Langfristkultur als Risiko für die Finanzierer, sprich die Banken ausgemacht. Eine zehnjährige Immobilienfinanzierung werfe auch in zehn Jahren nicht mehr Ertrag ab, so Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. Bei deutlich sinkenden Gewinnen der Institute - einer Umfrage von Bundesbank und BaFin bei 1 500 deutschen Banken und Sparkassen zufolge um bis zu 50 Prozent - und dann vermutlich höheren Refinanzierungskosten, wird das durchaus als Bedrohung ausgemacht.

Auch über Risiken wird auf der Expo Real also gesprochen werden - wie im vergangenen Jahr, dem Jahr davor, dem Jahr davor ...

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
Noch keine Bewertungen vorhanden


X