Keine Experimente

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Über 200 Jahre alt ist der deutsche Pfandbrief mittlerweile - Finanzkrisen kamen und gingen und offenbarten dabei die Schwäche so mancher Finanzprodukte. Nicht so beim Pfandbrief: Noch nie ist einer ausgefallen. Ein beeindruckendes Zeugnis von Stabilität und Resilienz. Mit das wichtigste Qualitätsmerkmal des Pfandbriefs ist dabei sein strenger gesetzlicher Rahmen, das Pfandbriefgesetz. Dass dieses auch in Zukunft das Fundament des Pfandbriefs bildet, ist eine wichtige Voraussetzung für die Fortschreibung seiner Erfolgsgeschichte. Hier zeichnet sich mittlerweile ein gutes Ende des vor knapp fünf Jahren von der EU-Kommission in Gang gesetzten Plans eines gemeinsamen Rechtsrahmens für Covered Bonds in Europa ab: Im ersten Quartal 2018 will die EU-Kommission eine entsprechende Gesetzesinitiative vorlegen, und nicht zuletzt dank gelungener Lobbyarbeit des vdp läuft es auf die gewünschte "prinzipienbasierte Harmonisierung" hinaus, die ausreichend Spielraum für nationale Besonderheiten der Covered-Bond-Systeme gewährt und darüber hinaus die funktionierenden nationalen Gesetze unangetastet lässt. Ebenfalls erfreulich: Die EU-Kommission betont unablässig die für die Finanzstabilität vorteilhafte Wirkung gedeckter Bankschuldverschreibungen. Die Chancen, dass bestehende regulatorische Privilegien langfristig erhalten bleiben, stehen somit gut.

Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail (siehe hierzu auch den Beitrag Kullig, S. 12): So bleibt beispielsweise abzuwarten, ob die vom EU-Parlament vorgeschlagene namentliche Aufteilung des Covered-Bond-Marktes in "Premium Covered Bonds" (PCB) und "Ordinary Covered Bonds" (OCB) der Vielfalt gedeckter Schuldtitel europäischer Emittenten tatsächlich angemessen Rechnung trägt. Gewiss: Der Wunsch nach mehr Vergleichbarkeit, Transparenz und Qualität ist gerade vor dem Hintergrund der Investorenpflege wünschenswert. Dass sich etwa spanische Cédulas, deren Fundamentaldaten vielleicht nicht immer an die des Pfandbriefs heranreichen, künftig mit fremden Federn schmücken, wäre jedoch ein hoher Preis dafür.

Bei all den Diskussionen um die Harmonisierungsinitiative darf ein zweites vor der Vollendung stehendes Regelwerk - Basel III - nicht in den Hintergrund geraten. Denn einige der vom Baseler Ausschuss angestellten Überlegungen bedrohen das europäische, auf langfristigen Beziehungen zwischen Kreditgeber und -nehmer basierende Immobilienfinanzierungsmodell. Und das paradoxerweise ausgerechnet zulasten des kapitalmarktbasierten US-Finanzsystems, das in der jüngsten Finanzkrise wie ein Brandbeschleuniger wirkte. Sollten Banken am Ende tatsächlich mit signifikant höheren Eigenkapitalanforderungen im Rahmen ihrer bilanzbasierten Kreditvergabe belegt werden, so wäre auch ein gelungener Harmonisierungsprozess nur ein schwacher Trost. Denn lohnt dieses Kreditgeschäft nicht mehr, würde zwangsläufig auch der Pfandbrief an Bedeutung verlieren. Das wäre gefährlich: Gerade mit steigendem Bedarf von Banken und Sparkassen, sich gegen etwaige Zinsänderungsrisiken zu wappnen, wird der Wunsch nach fristenkongruenter Refinanzierung der Pfandbrieffamilie eher weiteren Zuwachs bescheren.

Überlegungen zur Ausweitung der Produktpalette sollten grundsätzlich immer wohl durchdacht sein - die enttäuschenden Entwicklungen vergangener Jahre, etwa in den Segmenten Flugzeuge und Schiffe, sind warnendes Beispiel genug. Dem Mittelstand ein neues Refinanzierungsinstrument anzubieten ist aber ebenso verlockend wie der gesamte Themenkomplex "Nachhaltigkeit", der aktuell reichlich Argumente liefert, mit "grünen Pfandbriefen" neue Investorengruppen zu erschließen. Vielleicht mag es an der Sorge liegen, die durch die EZB-Käufe ohnehin gebeutelten "Bestandskunden" weiter zu verprellen, dass Pfandbriefbanken diesem Trend bislang mit wenigen Ausnahmen erst in sehr überschaubarem Maße nachkommen. Dass deutsche Pfandbriefe trotz Mini- beziehungsweise vereinzelt sogar Negativrenditen eine unverändert hohe Anziehungskraft auf Investoren ausüben, zeigt sich mit Blick auf die regelmäßig deutlich überzeichneten Orderbücher. Getragen wird dies zum einen sicherlich von den fortgesetzten und für hiesige Institute längst überflüssigen Ankäufe der EZB, die quasi jede Emission in ein Kinderspiel verwandeln. Doch auch der nach wie vor gegebene Pick-up zu Staatsanleihen sowie besagte Verlässlichkeit machen den Pfandbrief zu Investors Liebling. Damit dies auch künftig so bleibt, muss das Produkt bestimmt keinen waghalsigen Experimenten unterzogen werden.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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