Ein Ruck gegen den Druck

Horst Bertram

Drei Dinge braucht der Mensch: Erstens Gesundheit, zweitens einen vernünftigen, angemessen dotierten Arbeitsplatz und drittens ein bezahlbares Dach über dem Kopf. Gerade an Letzterem hapert es in Deutschland immer mehr. In deutschen Groß- und Universitätsstädten ist Wohnen extrem teuer geworden.

Diese Analyse entstammt nicht etwa dem Parteiprogramm "Die Linke", sondern dem "Wohngeld und Mietenbericht 2014", den die Bundesregierung alle vier Jahre dem Deutschen Bundestag vorzulegen hat. Der aktuelle Bericht legt die Finger in die Wunden, die eigenen Wunden von Bundes- und Landesregierungen.

Die Dynamik an den Wohnungsmärkten setzte nicht erst gestern, sondern bereits im Jahre 2009 ein und betraf konzentriert die wirtschaftsstarken Zuzugsräume vieler Groß- und Universitätsstädte. Dort sind die bekannten schmerzhaften Mietsteigerungen und häufig auch spürbare Wohnungsengpässe zu verzeichnen. Auf der anderen Seite stand und steht eine zu geringe Bautätigkeit.

Der Gesetzgeber bemüht sich, mit Maßnahmen einige diese für Mieter so negativen Trends zu stoppen oder zu dämpfen. Dazu gehören die Mietpreisbremse und die Reform des Wohngeldrechts. Es ist aber zweifelhaft, ob damit Mietsteigerungen wirklich in den Griff zu bekommen sind. Aufgrund der Knappheit von Wohnungen auf immer mehr regionalen Märkten kommt aus Sicht der Bundesregierung der sozialen Sicherung angemessenen Wohnens eine besondere Rolle zu. Die Engpässe zeigen auch die Notwendigkeit einer wirksamen sozialen Förderung von Wohnraum. Dies gerade für einkommensschwächere Haushalte. Trotz der seit 2009 für Mieter so unerfreulich verlaufenden Entwicklung waren die Ausgaben für die soziale Wohnraumförderung im Zeitraum 2010 bis 2013 rückläufig. Frustrierend hierbei ist auch, dass die vom Bund den Ländern, die seit 2007 für die soziale Wohnraumförderung zuständig sind, überlassenen Kompensationsmittel seit dem 1. Januar 2014 nicht mehr zweckgebunden eingesetzt werden müssen. Der Satz, dass die Bundesregierung es begrüßen würde, wenn die Länder die erhaltenen Mittel weiter für die ursprünglichen Anliegen einsetzen würden, klingt aus Mietersicht wie blanker Hohn.

Gerade der Bau bezahlbarer Wohnungen in den Groß- und Universitätsstädten ist dringender denn je. Vor allem die Tatsache, dass Haushalte mit mittlerem Einkommen Probleme haben, bezahlbare Wohnung zu erhalten, ist ein massives Warnsignal. Verstärkt wird das Problem jetzt noch durch den massenhaften Zuzug von Asyl- und Schutzsuchenden aus Kriegsgebieten, von denen viele wohl Dauerhaft eine Bleibe in Deutschland anstreben. All diese Menschen erwarten vom Staat ein Dach über dem Kopf. Hilfen bieten klingt gut und ist auch notwendig, die Frage ist aber auch, woher diese Mittel zu nehmen sind. Finanzminister Schäuble freut sich über einen aus- oder fast ausgeglichenen Haushalt. Er weiß aber, dass sein Haushalt von der relativ guten Konjunktur und den extrem niedrigen Zinsen lebt. Da die EZB ja wieder Inflationsraten von zwei Prozent anstrebt, sind - im Falle des Gelingens der Maßnahmen - wieder deutlich höhere Zinsbelastungen zu verkraften und der Haushalt des nächsten Finanzministers wird kaum Spielraum für wohnungspolitisch notwendige Taten bieten.

Folglich ist jetzt die Zeit, dass alle Marktteilnehmer intensiv nach Möglichkeiten suchen, kurzfristig mehr bezahlbaren Wohnraum für bedürftige Haushalte zu schaffen. Dazu gehört auch, dass nach Möglichkeit Grundstücke von der öffentlichen Hand oder andere Institutionen günstig zur Verfügung gestellt werden. Das ist vor dem Hintergrund der angespannten Haushalte häufig leider nur Wunschdenken, denn zu verschenken haben Kämmerer nichts. Darüber hinaus ist in den Boommetropolen kaum Bauland verfügbar; und wenn verdichtet werden soll, laufen die ansässigen Mieter oftmals Sturm. Möglich wäre auch, bei Neubauten nicht die höchsten Qualitätsstandards zu bieten.

Vielleicht hilft es hierbei, sich an den Altbundespräsidenten Roman Herzog zu erinnern, der forderte, dass ein Ruck durch das Land gehen müsse. Dieser Ruck muss von allen Beteiligten im Wohnungsmarkt ausgehen, um den Druck auf die Mieter zu lindern. Wenn nicht, dann geht der Ruck von den Wählern aus, die sich für das Parteienspektrum abseits der etablierten demokratischen Parteien entscheiden.

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