SCHÖNER WOHNEN!

Philipp Otto

474,32 Euro oder 419,18 Euro oder 435,78 Euro. Wie viel Miete für eine in Berlin-Wedding gelegene 2-1/2-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 59,29 Quadratmetern die richtige ist, muss nun vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden. Schuld ist - mal wieder - ein Streit um die Mietpreisbremse, jene politische Erfindung, die bislang den Nachweis ihres Nutzen für die breiten Bevölkerungsschichten schuldig geblieben ist, stattdessen aber immer wieder die Gerichte beschäftigt und die Öffentlichkeit aufgewühlt hat. Das Landgericht Berlin hat nun den Fall, in dem zwei Mieter eine niedrigere Miete, natürlich nach Mietpreisbremse ermittelt, einklagen wollten, als die von der Vermieterin, natürlich nach Mietpreisbremse, berechnete, an das Bundesverfassungsgericht weitergeleitet. Allerdings nicht, und das ruft bei Juristen wie Vertretern der Immobilienwirtschaft an der ein oder anderen Stelle Kopfschütteln hervor, um generell Anwendung und Sinnhaftigkeit des Instruments zu überprüfen, sondern lediglich, weil die Mietpreisbremse gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes verstoße. Schließlich, so das Berliner Landgericht, könne ein Vermieter in München höhere Mieten und damit auch höhere Mietsteigerungen verlangen als sein Pendant in der Bundeshauptstadt.

So begrüßenswert höchstrichterliche Urteile in der Regel sind: Auch das Bundesverfassungsgericht wird die große wohnwirtschaftliche Streitfrage des vergangenen halben Jahrhunderts nicht beantworten können. Nämlich, wo die Grenzen der Förderung des Wohnungsbaus und damit des Wohnens gerade auch für kleine und mittlere Einkommen erreicht sind, wo Eingriffe in den Markt und die Preisbildung unweigerlich immer neue Unzufriedenheiten, Unsicherheiten, neuen Streit und damit neue Eingriffe nach sich ziehen.

Die Förderung des Wohnungsbaus und des Wohnungswesens ist auch in Deutschland eine Staatsaufgabe und war von der Nachkriegszeit bis in die späten sechziger Jahre eine Selbstverständlichkeit. Es herrschte angesichts zerstörter Städte und enormer Flüchtlingsströme Wohnungsnot. Da fehlte schlicht der Mut, dem Wohnungswesen die gleiche Freiheit einzuräumen, wie es in der Ludwig Erhard berühmt machenden sozialen Marktwirtschaft sonst üblich war. Von den Förderwegen über die Bausparprämie, die Sonderfinanzierungen oder die KfW-Fonds wurde alles getan, um den Menschen das "Dach über dem Kopf" zu ermöglichen. Schließlich ist Wohnen in Deutschland weit mehr als nur eine vorübergehende Bleibe, manifestiert sich für die überwiegende Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger in der Wohnung oder dem Haus doch das Gefühl des "Zuhause seins".

Entsprechend findet sich bis heute das Thema "Wohnen" recht prominent in allen Programmen der Parteien, egal ob links oder rechts. Lange Jahre als schlichte Sozialpolitik, inzwischen wieder mehr der Dringlichkeit geschuldet. Denn Wohnen in Deutschland droht die Bevölkerung erneut zu spalten. Während einerseits ganze Regionen veröden, verelenden und veralten, weil alles was jung ist mangels attraktiver Angebote an Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten wegzieht, reichen andernorts mitunter zwei Einkommen kaum mehr aus, Miete und Unterhalt einer kleinen Familie zu bestreiten. Auch heute kommen wieder mehr Menschen nach Deutschland als wegziehen, die Bevölkerung wächst und wird weiter wachsen. Trotz der vielen bundes- und landespolitischen, kommunalen und privaten Initiativen fehlen Tausende von Wohnungen. Da ist es natürlich kein gutes Zeichen, wenn die Wohnungsbaugenehmigungen 2017 erstmals seit 2009 wieder rückläufig sind.

Auch hier ist die Schuldfrage keineswegs eindeutig. Die Mieten in den begehrten Metropolen und Städten sind hoch, die Vermieter verdienen gut, nicht jeder findet eine für ihn bezahlbare Wohnung. Vermieter halten sich dabei an ökonomische Grundregeln, hohe Nachfrage bei knappem Angebot führt zu steigenden Preisen. Ist das moralisch und sozial? Immerhin tragen sie überall dort, wo sie in den so dringend erforderlichen Neubau einsteigen, auch die steigenden Preise und höheren Baukosten. Da es in den Metropolen zudem kaum Leerstand gibt, gibt es offensichtlich auch immer noch genug Nachfrager, die sich selbst die vermeintlich überteuerten Mieten leisten können. Ist das ungerecht? Auch die Kommunen denken mehr und mehr wirtschaftlich, versteigern das knappe Gut Bauland zu Höchstpreisen, anstatt es vergünstigt abzugeben. Ökonomisch ist das nachvollziehbar, aber auch sozial? Und der Mieter will zentral wohnen, in einer neu renovierten Wohnung mit schicker Küche, Kellerraum, Einkaufsmöglichkeiten, guter öffentlicher Infrastruktur wie Bus und Bahn, zu bezahlbaren Mieten. Das wäre schön. Aber ist das auch realistisch? Stattdessen also Mietpreisbremse oder Sozialwohnungsbindung. Schließlich will doch jeder schön wohnen. Es darf weiter munter gestritten werden.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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