Ist der soziale Wohnungsbau tot?

Daniel Rohrig

2017 - Bundestagswahljahr. Wie immer in Wahljahren kommt da recht schnell das Thema bezahlbarer Wohnraum/sozialer Wohnungsbau auf die Agenda. Zu recht. Denn der Anteil geförderter Wohnungen ist spürbar rückläufig. Die Anzahl der preisgebundenen Einheiten hat sich zwischen 2002 und 2010 von rund 2,47 Millionen auf etwa 1,66 Millionen reduziert. Auch der Neubau klemmt. Lag er 2009 noch bei 15 Prozent, machte er 2013 und 2014 nur noch rund 6 Prozent aus. Und der soziale Neubau verteilt sich zudem noch höchst unterschiedlich auf die einzelnen Regionen: Von den 14 700 Sozialwohnungen im Jahr 2015 entstanden etwa 5 600 in Nordrhein-Westfalen, in Hamburg nur 2 000, in Mecklenburg-Vorpommern, im Saarland und in Sachsen keine einzige. Insbesondere die Sozialdemokraten bringen sich mit dem Thema nun in Position. Wir brauchen dringend mehr bezahlbare Wohnungen in den Ballungsräumen, fordert die Bundesbauministerin Barbara Hendricks seit geraumer Zeit. Und sie handelt auch: Das BMUB hat die sogenannten Kompensationszahlungen für den sozialen Wohnungsbau bereits von 518 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2018 verdreifacht und das Wohngeld für 860 000 Haushalte erhöht. Die Ministerin strebt zudem eine Grundgesetzänderung an, da ansonsten die Unterstützung des Bundes für die Länder, die seit der Föderalismusreform 2006 die alleinige Gesetzgebungskompetenz im Bereich des sozialen Wohnungsbaus innehaben, ab 2020 Geschichte ist. Die Bundesbauministerin weiß aber auch, dass die Politik das Problem "Wohnungsnot" alleine nicht wird lösen können. Es braucht das Zusammenwirken aller Beteiligten - Bund, Länder, Kommunen, Bauwirtschaft und private Investoren.

Gerade den beiden letztgenannten fehlen angesichts der Rahmenbedingungen derzeit aber schlicht die Anreize, sich verstärkt im sozialen Wohnungsbau zu engagieren. Denn die Förderprogramme der einzelnen Bundesländer basieren in den meisten Fällen auf zinsgünstigen Darlehen für Bauherren, die Mehrfamilienhäuser und Wohnanlagen zur Vermietung errichten. Da aber die Renditen geförderter Objekte deutlich unter denen frei finanzierter Immobilien liegen, lockt dies in Zeiten des hohen Eigenkapitalanteils und der niedrigen Kreditzinsen niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Mangelnde wirtschaftliche Attraktivität ist demzufolge laut einer aktuellen Umfrage des Immobiliendienstleisters Dr. Lübke & Kelber auch für 68 Prozent der Befragten Haupthinderungsgrund für ein stärkeres Engagement im sozialen Wohnungsbau. Die fehlenden Mietanpassungsmöglichkeiten durch Mietpreisbindungen wurden von 52 Prozent der Umfrageteilnehmer bemängelt. Und für 36 Prozent der Unternehmen sind es die Vorbehalte gegenüber der "sozial schwachen" Mieterklientel. Die Firmen machen sich Sorgen über höhere Verwaltungsaufwendungen, Instandhaltungskosten und geringere zukünftige Verkaufserlöse. Ein weiterer limitierender Faktor ist der Grundstücksmarkt. Aufgrund der hohen Wohnungsnachfrage gerade in den Ballungszentren ist die Verfügbarkeit von Bauflächen zu knapp. Eine reine Nachverdichtung reicht da nicht aus. Hier sind die Kommunen am Zug.

Stirbt der soziale Wohnungsbau trotz seiner langen Tradition nun einen langsamen Tod? Grundsätzlich ist die Bereitschaft der Investoren vorhanden, sich stärker zu engagieren. Wenn da bloß nicht die starren Regeln wären. Auf der Wunschliste stehen Kombinationsmöglichkeiten aus geförderten und frei finanzierten Wohnungen in den Investmentobjekten, der Verzicht auf Belegungsrechte seitens der Kommunen und Förderlaufzeiten und damit verbundene Bindungen, die deutlich unter 20 Jahren liegen. Höhere Miet- und mehr Baukostenzuschüsse sind der Dr. Lübke & Kelber-Umfrage nach auch hochwillkommen.

Doch auch das allein wird den sozialen Wohnungsbau nicht retten können. Es braucht Ansätze, die den Mieter stärker in den Vordergrund rücken. Das gelingt nur über eine verstärkte Subjektförderung durch einkommensunabhängige Mietzuschüsse. Das Wohngeld ist nur eine Möglichkeit hierfür. Es sollten mehr Landes- und Bundesmittel herangezogen werden, um die direkte Förderung zu erhöhen. Auch die Autoren der Studie von Dr. Lübke & Kleber plädieren für eine solche Lösung. Auf diese Weise gebe es bei den Objekten keine Werteinbußen und sie seien dauerhaft exitfähig, heißt es. Keine Frage, hier muss von staatlicher Seite ein Umdenken stattfinden. Die Förderung der Mieter ist zwar für die öffentlichen Kassen kostspieliger, würde aber die Bereitschaft der Investoren deutlich stärken, sich im sozialen Wohnungsbau zu engagieren.

Daniel Rohrig , Redaktion Immobilien und Finanzierung , Verlag Helmut Richardi
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