Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

"Deutsche Versicherungen wollen ihre Immobilienquote steigern." So oder so ähnlich lautete die Kernbotschaft des EY-Trendbarometers der Assekuranz in den vergangenen Jahren eigentlich immer. Und auch im Jahr 2017 genießt dieser Satz nach der Befragung von 35 Branchenvertretern, die für rund 80 Prozent des Immobilienvermögens der Assekuranz stehen, Gültigkeit. Die Erklärung dafür ist relativ banal: Die Ausgangslage für Versicherer ist seit Jahren mehr oder weniger dieselbe. Anhaltend niedrige Zinsen gehen einher mit einer ausgeprägten Renditeflaute am Rentenmarkt, der mit rund 80 Prozent traditionell wichtigsten Anlagesäule der Assekuranz. Immobilieninvestments bieten da einen verhältnismäßig attraktiven Renditeaufschlag, den gerade so manche Lebensversicherung gut gebrauchen kann: Sie müssen üppige und lang zurückdatierende Garantiezinsversprechen ihrer Kunden von zum Teil noch vier Prozent einlösen.

Um diese Altlasten anno 2017 erwirtschaften zu können, ist ein Umdenken hinsichtlich der Anlagestrategie also unabdingbar. Dass dieses Umdenken vielerorts längst eingesetzt hat, zeigt ein Blick auf den aktuellen Trendbarometer: Lag die Immobilienquote der Assekuranz im Jahr 2009 noch bei durchschnittlich 6,0 Prozent, so sind es zu Beginn des Jahres 2017 immerhin schon 9,7 Prozent. Wohlgemerkt handelt es sich dabei um Berechnungen basierend auf aktuellen Verkehrswerten der Objekte. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) zeichnet mithilfe der Buchwertmethode für Erstversicherer ein ganz anderes und weit weniger dynamisches Bild: Gerade einmal 3,6 Prozent betrug die Immobilienquote dem GdV zufolge im Jahr 2016, und eine ansteigende Tendenz ist hier im Zeitverlauf nicht auszumachen. Folgt man dagegen den Schätzungen von EY, so könnte für das Gesamtjahr 2017 erstmals sogar die 10-Prozent-Marke überschritten werden, was hochgerechnet auf die gesamte Branche Immobilienanlagen in Höhe von etwa 150 Milliarden Euro entspräche. Dass es dabei nicht bleiben soll, liegt nicht nur an dem andauernden Zinstief: Immobilieninvestments bieten in Form regelmäßiger Mieteinnahmen zumeist gut planbare und stabile Cashflows - eine ideale Voraussetzung für die Langfristkultur der Assekuranz. Außerdem weisen sie typischerweise geringe Korrelation mit der Entwicklung alternativer Anlageklassen wie Zinspapieren oder Aktien auf, was wiederum günstig für eine angemessene Risikodiversifizierung im Anlageportfolio ist.

Vor diesem Hintergrund kann es auch kaum verwundern, dass diverse Wissenschaftler eine optimale Immobilienquote von 15 Prozent nahelegen. Aufsichtsrechtlich erlaubt sind im Übrigen 25 Prozent - eine Marke, von der momentan allerdings selbst große Player wie die Allianz noch meilenweit entfernt sind. Indizien, warum der Ausbau des Immobilienanteils bislang vielerorts schleppend verläuft, liefert der Trendbarometer gleich mit. Das Thema "Sicherheit" genießt demnach aktuell höchste Priorität. Dabei lässt sich die durchschnittliche "Wunschimmobilie" der Assekuranz ungefähr so beschreiben: Eine in einem deutschen Topstandort gelegene Core- beziehungsweise Core-Plus-Immobilie wird präferiert, wahlweise im Segment Einzelhandel oder Büro. Dieser geringen Risikoneigung stehen gleichzeitig sportliche Renditeerwartungen gegenüber: Für direkte Immobilieninvestments rechnen die Befragten mit Rückflüssen von 4,4 Prozent, bei indirekten (etwa via Fonds) mit 4,7 Prozent.

Gesunder Optimismus oder doch bloßes Wunschdenken? Angesichts des knallharten Wettbewerbs um das immer knapper werdende Betongold neigt man eher zu Letzterem. Dass längst auch andere Akteure wie Familiy Offices oder internationale Staatsfonds eine höhere Immobilienquote begehren, wird den Versicherern nicht entgangen sein. Man denke nur an den wenig preissensitiven chinesischen Staatsfonds CIC, der vor gut einem halben Jahr die Konkurrenz beim Kampf um das 16 000 deutsche Wohnungen umfassende Portfolio der BGP Holding ausstach. Dabei tut die Assekuranz einerseits sicher gut daran, auf den zunehmend überhitzt wirkenden Immobilienmärkten kühlen Kopf zu bewahren und nichts übers Knie zu brechen. Will sie andererseits in diesem intensiven Gerangel auf dem Transaktionsmarkt weiter zum Zuge kommen, wird sie ihre Fühler wohl oder übel nach Alternativen zum Core-Segment ausstrecken müssen. Denn die einzige Gewissheit ist: Die erwähnten Garantiezinsen der Bestandskunden aus besseren Zinszeiten müssen irgendwie erwirtschaftet werden. Ohne eine Prise Risiko in der Immobilienstrategie wird dieses Unterfangen vermutlich nicht zu meistern sein.

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag
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