Aufsätze

Banken am Pranger - Risiken für die Realwirtschaft

Die Banken sind gewissermaßen zu einem Synonym für die andauernde Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise geworden. Sie werden für die gegenwärtige Misere verantwortlich gemacht. Harsche Kritik an Banken und Finanzwelt kommt auch aus der Realwirtschaft. Viele Unternehmen beklagen - zu Recht -, dass sie die Zeche zahlen müssen für Fehler, die andere begangen haben. Ihnen droht erneut die undankbare Rolle, nach dem Wolkenbruch die Aufräumarbeiten erledigen zu müssen.

Banken und Finanzmärkte kein Selbstzweck

Pauschale Schuldzuweisungen helfen jedoch nur begrenzt weiter. Tatsache ist, es gab - und gibt auch heute noch - gravierende Missstände und Fehlentwicklungen im Banken- und Finanzsystem. Kredit- und Anlagerisiken wurden unterschätzt oder sogar wissentlich in Kauf genommen. Die Haftung wurde auf den Steuerzahler abgewälzt. Die Kreditwirtschaft war nicht ausreichend kapitalisiert, um die hohen eingegangenen Risiken abzufangen. Die Vergütungssysteme haben Anreize zu Fehlverhalten unterstützt. Zudem war das Risikomanagement der Banken nicht selten mangelhaft. Ein "Weiter so" darf es jedenfalls nicht geben! Banken und Finanzmärkte sind kein Selbstzweck. Sie müssen sich wieder mehr als Dienstleister der Realwirtschaft verstehen. Einige Banken haben diese "Story" verstanden. Sie haben ihr Geschäftsmodell re-kalibriert: Eigenkapital und Liquiditätspuffer wurden erhöht, Risiken und Verschuldung abgebaut. Das macht Mut.

Tatsache ist aber auch: Es gibt immer Verführer und Verführte. Auch die Realwirtschaft gehörte zu denen, die bei der Bankenregulierung sagten: "Weniger ist mehr." Nach den negativen Erfahrungen müssen wir heute feststellen: Die überzogene Deregulierungspolitik in der Vergangenheit war ein Irrtum, der korrigiert werden muss. Wichtig ist, aus den Krisenerfahrungen die richtigen Lehren zu ziehen. Dies bedarf vor allem richtiger ökonomischer Anreize und guter Regelwerke.

Überzogene Deregulierungspolitik

Dabei sind zwei Dinge essenziell: Die Regulierungsmaßnahmen müssen geeignet sein, die bestehenden Missstände zu verringern. Nicht alles, was in den vergangenen Jahren in puncto Finanzmarktregulierung auf den Weg gebracht wurde, ist gleichermaßen zielführend. Manches ist schlichte Symbolpolitik und ungeeignet, die Finanzmärkte dauerhaft stabiler und krisenfester zu machen.

Die Regulierung muss ausreichend die von ihr ausgehenden Auswirkungen - auch und insbesondere auf die Realwirtschaft - berücksichtigen. Manche Regulierungsmaßnahme schießt eindeutig über das Ziel hinaus. Die Unternehmen haben in den vergangenen Jahren wiederholt die bittere Erfahrung machen müssen, dass Bankenund Finanzmarktregulierungen gravierende negative Nebenwirkungen in Form der Verteuerung der Finanzierung oder eines erheblich erschwerten und/oder verteuerten Risikomanagements zur Folge hatten.

Wie auch sonst in der Wirtschaft muss auch in Regulierungsfragen das Verhältnis von Kosten zu Ertrag stimmen. Man bekommt den Eindruck, dass diese Relation noch nicht so recht ausbalanciert ist. Ein solcher Weg ist hochriskant - für Banken und Finanzmärkte, auch für die Realwirtschaft und damit für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumschancen Deutschlands.

Banken als Dienstleister der Realwirtschaft

Die Realwirtschaft braucht leistungsstarke Banken. Ein funktionierender Finanzkreislauf ist zentral für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft. Investitionen und Wachstum dürfen nicht an unzureichenden Finanzierungsmöglichkeiten scheitern. Die Unternehmen brauchen Banken, die sie auf den Weltmärkten begleiten und zugleich stark im Heimatmarkt sind. Sie benötigen ein breites Produkt- und Dienstleistungsspektrum zur Finanzierung von Investitionen, Exporten, Projekten und Direktinvestitionen im Ausland.

Der Kapitalbedarf der Wirtschaft wird in den kommenden Jahren immens sein. Zum einen steht ein enormer Anschlussfinanzierungsbedarf der Unternehmen an, der in seiner Höhe einmalig ist. Zum anderen befindet sich die Wirtschaft mit der Energiewende vor dem wohl größten Infrastruktur- und Modernisierungsprojekt der nächsten Jahrzehnte. Die Finanzierung dieser Mammutaufgabe ist ohne leistungsfähige Banken als Partner nicht darstellbar. Für immer mehr Unternehmen sind Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz zu einer permanenten tagesaktuellen Herausforderung geworden. Geschäftspartner und Ratingagenturen schauen genau hin, ob und wie sie ihre Kostenseite in den Griff bekommen.

Alternativen zum Bankkredit

Die Maßnahmen zur Energieeffizienzsteigerung bedürfen ebenso wie der Ausbau erneuerbarer Energien der tatkräftigen Unterstützung seitens der Banken durch klassische Investitionskredite und, bei größeren Projekten, die einzelne Institute nicht stemmen können und wollen, durch Konsortialkredite. Flankierend wird eine Einbindung von KfW und Landesförderinstituten als Fundingpartner und zur Stärkung der Risikopartnerschaft der Geschäftsbanken erfolgen müssen. Dies ist gerade für Mittelständler wegen der Zinsverbilligung und langer Laufzeiten attraktiv. Immer mehr Unternehmen nutzen - substitutiv oder komplementär - Kapitalmarktinstrumente als Finanzierungsalternative. Vor allem Anleihen und Schuldscheindarlehen stehen bei den Unternehmen als Alternative oder in Ergänzung zum Bankkredit hoch im Kurs. Hier sind Banken als emissionsbegleitende Partner gefragt.

Gerade in Zeiten des strukturellen Wandels ist eine ausreichende Eigenkapitalausstattung der Unternehmen von zentraler Bedeutung. Sie ist eine wichtige Stellgröße bei der Beurteilung der Bonität der Unternehmen. Die Zufuhr von Eigenkapital über den Kapitalmarkt wird immer wichtiger. Außerbörsliches Eigenkapital ist dagegen für viele Unternehmen nur schwierig erhältlich. Gerade der Private-Equity-Markt könnte wertvolle Unterstützung von Investitions- und Innovationsvorhaben, Existenzgründungen, Unternehmensnachfolgen und -umstrukturierungen leisten.

Kein Verzicht auf Derivate

Es geht jedoch nicht allein um die Bereitstellung von Finanzmitteln. Gleichermaßen wichtig ist die bankseitige Unterstützung der Unternehmen etwa im Zahlungsverkehr oder bei der Risikoabsicherung. Mittlerweile werden Derivate von Unternehmen aller Größenklassen für die zielgenaue Absicherung von Geschäftsrisiken eingesetzt. Dies geht in der Regel nur mit bilateral mit den Banken ausgehandelten Over-the-Counter (OTC)-Kontrakten.

Die Erwartungen der Unternehmen an die Banken sind so gesehen hoch. Sie sind aber auch legitim. Nicht zuletzt für den Mittelstand - dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft - muss die Kreditvergabe Kernaufgabe des Bankensektors bleiben. Die Mittelständler brauchen Hausbanken, die als verlässliche Partner auch in schwierigen Situationen zur Seite stehen. Auf keinen Fall darf das Kurzfristdenken, das uns manche Probleme eingebrockt hat, wieder Oberwasser bekommen. Maßstab des Bankenhandelns sollten die langfristigen Wachstumsperspektiven der deutschen Volkswirtschaft sein.

Um diesen Aufgaben nachkommen zu können, müssen bestehende Effizienzmängel und strukturkonservierende Hemmnisse im deutschen Bankenmarkt beseitigt werden. Dabei müssen alle Optionen für eine Sektor übergreifende Modernisierung des Bankenmarktes genutzt werden. Zentral ist vor allem auch endlich die Neuordnung des Landesbankensektors, um das Finanzierungsgeschäft mit der Industrie auf eine langfristig solide Basis zu stellen. Aus Sicht der Industrie wird auch künftig die Koexistenz von Universal- und Spezialbanken benötigt - von Kleininstituten mit regionalem Zuschnitt bis zum Global Player. Hier muss das angeschlagene Segment der Landesbanken wieder für Industriefinanzierung ertüchtigt werden.

Proaktives Informationsmanagement

Sicher, auch die Unternehmen müssen umdenken, um größtmöglichen Nutzen aus den strukturellen Veränderungen im Bankensystem zu ziehen. Die Finanzierungssituation ist kein unbeeinflussbares Datum; sie kann aktiv mitgestaltet werden. Insbesondere der Beziehungspflege zu den Kapitalgebern kommt eine herausragende Rolle zu. Offenes und proaktives Informationsmanagement ist ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsfaktor geworden. Immer mehr Unternehmen haben dies als Herausforderung erkannt, wie die ermutigenden Ergebnisse des diesjährigen Wirtschaftspreises "Beste Finanzkommunikation im Mittelstand" zeigen, den der BDI gemeinsam mit weiteren Partnern schon traditionell durchführt.

Information und Transparenz dürfen keine "Einbahnstraße" sein. Hohe Maßstäbe sollten ebenso für Banken und Sparkassen gelten. Rating darf keine "Black-Box" sein. Leider sind die Kenntnisse über Rating und Kreditentscheidung in vielen mittelständischen Unternehmen nicht ausreichend vorhanden. Hier liegt weiterhin eine wichtige Informationsaufgabe für Banken und Sparkassen.

Regulierung zwischen Risikoprävention und Unternehmensfinanzierung

Die Finanzkrise hat - für jeden sichtbar - gravierende Schwachstellen in der Regulierung des internationalen Finanzsystems offengelegt. Der BDI unterstützt uneingeschränkt die Bemühungen der Politik, die Finanzmärkte stabiler und krisenfester zu machen, weil nur dies die Unternehmensfinanzierung nachhaltig sichert. Allerdings können die Banken ihre Dienstleisterfunktion für die Realwirtschaft nur dann effektiv erfüllen, wenn das Umfeld stimmt. Hier gibt es ein Spannungsfeld. Der Spagat zwischen Risikoprävention und Sicherung der Unternehmensfinanzierung ist noch nicht überall gelungen.

Nachweislich stellt die Realwirtschaft kein systemisches Risiko dar. Sie ist nicht Auslöser, sondern im Gegenteil der Stabilitätsanker während der Finanz-, Wirtschaftsund Schuldenkrise. Aber sie hat einen großen Teil der Regulierungslast zu tragen. Wünschenswert ist manchmal mehr Verständnis seitens der Politik für die spezifischen Finanzierungsbelange der Industrie. Zentrale Regulierungsprojekte berücksichtigen nicht in erforderlichem Maße die Belange der Realwirtschaft.

Geringerer Finanzierungsspielraum der Banken

Die Wirkungen von Basel III auf die Realwirtschaft haben in Deutschland besondere Bedeutung. Die starke industrielle Basis und die hohe Kreditabhängigkeit der Unternehmen unterscheiden Deutschland von vielen anderen europäischen Ländern. Die langfristige Unternehmensfinanzierung ist hochgradig gefährdet; auch weil andere Regulierungsvorhaben, so etwa Solvency II, die Refinanzierungsmöglichkeiten der Banken durch Versicherungen merklich einschränken. Die Industrie wird nicht nur von den steigenden Kosten für Kreditfinanzierungen, die den Mittelstand überproportional belasten, betroffen sein. Nicht minder problematisch sind die in Basel III weiterhin angelegte Diskriminierung von Industrieschuldverschreibungen gegenüber Staatstiteln und die Verteuerung von OTC-Derivaten, die zur Steuerung und Kontrolle unternehmerischer Risiken unverzichtbar sind. Hier prallen ein steigender Finanzierungsbedarf der Wirtschaft und ein geringerer Finanzierungsspielraum der Banken aufeinander. Das kann nicht gutgehen!

Der risikomindernde Effekt von Derivatgeschäften in der Realwirtschaft wird durch zahlreiche Regulierungsmaßnahmen, neben Basel III/CRD IV auch durch die Derivateverordnung EMIR und die Finanzmarktrichtlinie MiFID, bedroht. Schon jetzt spüren die Unternehmen, dass die Absicherung von Währungs-, Zins- und Rohstoffpreisrisiken deutlich teurer wird - und zum Teil schon nicht mehr möglich ist, weil die Banken sich aus dem Geschäft mit Derivaten zurückziehen.

Für die deutsche Indus trie, die sehr stark in die internationale Arbeitsteilung eingebunden und auf Kunden und Lieferanten aus aller Welt angewiesen ist und für die eine planbare Rohstoffversorgung unerlässlich ist, sind Einschränkungen der Absicherungsgeschäfte besonders problematisch. In letzter Konsequenz würde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und der deutschen Volkswirtschaft insgesamt Schaden nehmen.

Universalbanken haben sich bewährt

Kritisch - auch aus dem Blickwinkel der Unternehmensfinanzierung - sind Vorschläge zu bewerten, das risikoreichere Investmentgeschäft der Banken vom risikogeringeren Privatkunden- und Kreditgeschäft organisatorisch abzutrennen. Anders als die USA und Großbritannien verfügt Deutschland über ein historisch gewachsenes und bewährtes Universalbankensystem, das sich mit ihrem integrierten Dienstleistungsangebot aus einer Hand als natürlicher Partner der Realwirtschaft bewährt hat. Deplatzierte Restrukturierungseingriffe können zu erheblichen Effizienzverlusten und weiteren Konzentrationen im Bankensystem führen, die negativ auf das Firmenkundengeschäft zurückschlagen können. Wenn sich die Refinanzierung für das Investmentgeschäft regulierungsbedingt verteuert, hätten Unternehmen die Zeche zu zahlen.

Ob mit einer gesetzlich verordneten Aufspaltung der Banken wirklich ein stabileres Finanzsystem geschaffen wird, ist sehr fraglich. Die Risiken werden nur verteilt - von den Banken auf die Realwirtschaft. Wenn ein Trennbankensystem nur scheinbare Sicherheit schafft, wäre nicht viel gewonnen - aber es würde großer und vermeidbarer Schaden angerichtet. Im Übrigen sind in Deutschland die Versuche der Bankenkrise nicht in der Struktur des Privatbankensektors gelegen, sondern allein im unverantwortlichen Geschäftsgebaren vor allem öffentlich-rechtlicher Bankins titute.

Kumulative Wirkungen beachten

Deswegen ist bei Regulierungsvorhaben unbedingt mehr Augenmaß vonnöten! Leitgedanke der Banken- und Finanzmarktregulierung sollte, wie dies auch ursprünglich intendiert war, die Gewährleistung der Systemstabilität sein. Regulatorische Fehlsteuerungen, die zulasten der Realwirtschaft gehen, müssen vermieden werden.

Es sind vor allem die kumulativen Wirkungen der umfangreichen Regulierungsagenda, die die Unternehmen schmerzen. Es kann nicht angehen, den deutschen Wirtschaftsstandort durch eine nicht ausbalancierte neue Finanzmarktarchitektur zu schwächen. Die Schrittmacherfunktion der Industrie für Wachstum und Wohlstand in unserem Land verlangt vielmehr, alles daran zu setzen, den Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb zu sichern und zu stärken. Besonders wichtig ist dabei, die neuen Finanzmarktregeln möglichst einheitlich und zeitgleich umzusetzen. Wettbewerbsverzerrungen auf den Finanzmärkten führen zwangsläufig auch zu Wettbewerbsverzerrungen in der Realwirtschaft.

Die zuständigen EU-Institutionen sollten ein klares Zeichen setzen und auf wettbewerbshemmende und unnötige Regulierung verzichten. Deutschland muss in dieser Frage mit gutem Beispiel vorangehen!

Noch keine Bewertungen vorhanden


X